Das Chemieunternehmen Dow baut für 300 Millionen Euro ein neues Gaskraftwerk und steht damit vor einer logistischen Herausforderung.

Bützfleth. In Spitzenzeiten arbeiten hier 500 Menschen aus verschiedenen Nationen. Auf der Baustelle des Chemieunternehmens Dow in Bützfleth, auf der zurzeit ein Gaskraftwerk entsteht, wird Englisch gesprochen. Auf den Helmen der Arbeiter kleben Aufkleber in den Landesfarben. So sieht jeder am Helm des Kollegen, welche Sprache dieser spricht.

Bei Dienstantritt legen die Arbeiter ihre Pläne für den Tag vor, tragen sich in ein Buch ein. Es wird genau definiert, welche Sicherheitsvorkehrungen für den jeweiligen Arbeitsschritt eingehalten werden müssen. Wer die Baustelle verlässt, muss sich wieder austragen. Sicherheitsleute achten darauf, dass alle Bestimmungen eingehalten werden. Unfälle soll es nicht geben und verloren soll auch niemand gehen auf der größten Dow-Baustelle in Europa.

Sicherheitschef Hans-Georg Eggert sorgt dafür, dass die hohen Sicherheitsstandards eingehalten werden. "Pro zehn Mitarbeiter auf der Baustelle muss ein Dolmetscher anwesend sein, damit nicht wegen Kommunikationsprobleme Fehler passieren."

Gerade bauen Kollegen der Firma Siemens aus Schweden die drei 60.000 PS starken Turbinen in der Halle ein. Die Turbinen werden später Erdgas in Strom verwandeln. Bei diesem Prozess werden 500 Grad heiße Abgase entstehen. Aus ihnen gewinnt der Chemiekonzern Dampf, den er braucht, um chemische Prozesse ablaufen zu lassen. Spätestens im Herbst 2013 soll das neue Gaskraftwerk, dessen Herz die Turbinen sind, die Dow mit Strom und Dampf versorgen. Damit schließt das Werk seinen Dampfbedarf und ist einen großen Schritt weiter auf dem Weg zum Energie-Selbstversorger.

Derzeit baut die Dow auf ihrem Gelände eines der modernsten Gaskraftwerke Europas mit Kraft-Wärme-Kopplung. Im kommenden Jahr soll es das alte Kraftwerk, das vor mehr als 40 Jahren in Betrieb gegangen war, ablösen. Der Konzern investiert rund 300 Millionen Euro für den Bau des Kraftwerkes. Bei jährlichen Stromrechnungen von mehreren Hundert Millionen Euro erklärt sich diese Investition und das Bestreben, unabhängig von externen Erzeugern werden zu wollen, von selbst. "So wie die Preise sich derzeit auf dem Energiemarkt in Deutschland entwickeln, müssen wir hier befürchten, irgendwann mit unseren Produktionskosten nicht mehr wettbewerbsfähig zu sein", sagt Dow-Sprecher Joachim Seltner.

Bernhard Seggert, verantwortlich bei der Dow für das Projekt, ergänzt: "Dieses Gaskraftwerk ist die zweite Phase unseres Energiekonzeptes, das in drei Phasen gegliedert ist. Im Gegensatz zu alten Kraftwerken erreicht diese moderne Anlage eine zehnprozentige Steigerung der Energieeffizienz. Damit kommen wir insgesamt auf eine Energieausbeute von 85 Prozent. Dritte Phase wird unser Kohlekraftwerk werden." Beide Kraftwerke werden Strom und Dampf produzieren, beide Kraftwerke werden unabhängig von einander in Betrieb sein können. Ein Chemie-Konzern wie die Dow kann sich keine Energieunterbrechung leisten.

Aber bis es so weit ist, dass das neue Gaskraftwerk hochgefahren und das alte abgeschaltet werden kann, laufen bei einem Mann auf der Baustelle die logistischen Fäden zusammen. Jürgen Schmidt ist so etwas wie der Chef-Koordinator auf der Mega-Baustelle. Er koordiniert den Einsatz der einzelnen Firmen, von denen viele aus der Region kommen. Er wird auch dafür sorgen, dass der Wechsel vom alten auf das neue Kraftwerk reibungslos abläuft. "Wenn unsere Kollegen nichts davon mitbekommen, dann haben wir unseren Job gut gemacht", sagt Jürgen Schmidt.

Auf dem Weg zur Baustelle erzählt der Ingenieur: "Um beispielsweise die Kessel zur Baustelle transportieren zu können, mussten wir diese Brücke mit einer Stahlkonstruktion verstärken. Jeder Kessel wiegt 330 Tonnen. All diese Dinge müssen wirklich gut abgestimmt werden. Wir führen viele Gespräche, um den guten Ablauf auf der Baustelle zu sichern." Da komme leicht ein Arbeitstag von zehn oder zwölf Stunden heraus. Und per Telefon sei er natürlich auch immer erreichbar für die Kollegen.

150 Megawatt Strom und 400 Tonnen Dampf pro Stunde wird dieses Gaskraftwerk produzieren, und Bernhard Seggert ist optimistisch, was den Zeitplan angeht. "Ich wüsste jetzt nicht, was noch dazwischen kommen könnte, um uns in Zeitverzug zu bringen."