In einem Positionspapier nimmt die Werkleitung Stellung zu einem Einfuhrverbot, das das Aus von Teilen der Produktion zur Folge hätte.

Stade. Auch wenn die Politiker aller Parteien in Stade sich für den Dow-Standort in der Hansestadt aussprechen, das Porzellan ist zerschlagen. Wie berichtet, hatten die Grünen im Bundestag einen Antrag gestellt, in dem die Fraktion forderte, die "Einfuhr und Verwendung von Asbest und asbesthaltigen Produkten in Deutschland umfassend zu verbieten". SPD und Grüne stimmten für den Antrag. Gescheitert ist die Forderung letzten Endes an der Regierungsmehrheit aus CDU und FDP.

Für den Dow-Standort hätte ein sofortiges Verbot das Aus von Teilen der Produktion zur Folge. Rund 2000 Arbeitsplätze wären in Gefahr. Mit einer Ausnahmegenehmigung kann die Dow Chemical derzeit Asbest aus Kanada einführen. Im Stader Werk wird das Asbest als Hilfsstoff zur Herstellung von Diafragmen für Elektrolyse-Zellen benutzt.

SPD und Grüne in Stade stehen seit der Abstimmung in Erklärungsnot und bemühen sich um Schadensbegrenzung. Die Stader CDU wirft insbesondere der SPD vor, sich mit ihrem Abstimmungsverhalten in Berlin gegen den Industriestandort Stade ausgesprochen zu haben. Die SPD-Landtagsabgeordnete und Mitglied im Stader Kreistag, Petra Tiemann, wirft dem Stader FDP-Bundestagsabgeordneten Serkan Tören vor, "mit Schreckensmeldungen zur Verunsicherung von Bürgern, vor allem aber von Mitarbeitern der Dow Stade zu sorgen. Das dürfte bei allen als reine Wahlkampfpolemik angekommen sein. Diese Vorgehensweise ist sehr bedenklich." Man spiele nicht mit den Existenzängsten der Menschen. Tören hatte das Stader Werk besucht und den Antrag der Grünen im Bundestag öffentlich gemacht. Tiemann weiter: "Die SPD will und wird sich für den Bestand und die weitere Entwicklung einer wirtschaftlichen Wertschöpfung politisch stark machen. Dies gilt besonders für die Industrie. Hier vor Ort ist dies bisher immer geschehen, und daran wird sich nichts ändern."

Dem Abendblatt liegt ein Positionspapier der Dow vor, das auch den Fraktionsspitzen im Bundestag vor der Abstimmung in Berlin vorgelegen hatte. Mit ihrer Stellungnahme setzt sich die Stader Werkspitze bei den Bundespolitikern dafür ein, die "geltende Ausnahmeregelung zur Einfuhr und Nutzung von Chrysotilasbest für die Chloralkali-Elektrolyse bei Dow-Chemical in Stade weiter zu führen".

Seit Jahren werde in Stade an Alternativen zu Asbest geforscht. Belastbare Ergebnisse würden bis zum Jahr 2015 erwartet. In dem Papier heißt es weiter: "Auch bei positiven Ergebnissen ist zu beachten, dass aufgrund der hohen Produktionskapazität von einer Million Tonnen Chlor pro Jahr und der vollen Integration der Anlage in dem Chemiestandort eine Übergangszeit von etwa zehn Jahren notwendig sein wird, um Asbest komplett zu eliminieren. Der Asbestverbrauch würde dabei pro Jahr um jeweils etwa zehn Prozent abnehmen."

In ihrer Stellungnahme macht die Stader Werkleitung klar, wie hoch Arbeitsschutz und Umweltschutz im Stader Werk aufgehängt seien. Zu keinem Zeitpunkt, weder bei der Anlieferung noch beim Auspacken des Stoffes, stünden Mitarbeiter in Kontakt mit dem Asbest. In der Dow-Stellungnahme heißt es: "Das ganze System von der Entladung der Säcke bis zur Herstellung der fertigen Asbestsuspension ist hermetisch von der Umgebung abgeschlossen und dadurch der Kontakt von Beschäftigten mit Asbestfasern zu 100 Prozent ausgeschlossen." Im Übrigen werde der Asbest nur "nass gehandhabt, wodurch ein Freisetzen von Fasern in die Luft verhindert" werde. Ein Kontakt von Mitarbeitern mit Asbestfasern, "ob mit dem Transport beschäftigt oder vor Ort eingesetzt, findet nicht statt", schreibt die Werksleitung und "bittet daher, die geltende Regelung zur Einfuhr und Nutzung von Chrysotilasbest für die Chloralkali-Elektrolyse bei Dow Chemical in Stade weiter zu führen".

Landtagsabgeordnete Tiemann: "Vor mehr als einem Jahr waren wir mit einigen Mitgliedern der Landtagsfraktion im Stader Werk und haben uns die Produktion dort angesehen. Ich habe mich von der Unbedenklichkeit beim Umgang mit Asbest bei Dow überzeugen können, und damit war bei uns diese Debatte beendet. Wir haben das Ganze für unbedenklich erklärt."

Der eigentliche Grund, warum die Grünen den Antrag gestellt und die SPD ihm zugestimmt hätten, so die Stader Politikerin, seien die Arbeitsbedingungen in Kanada. Da es unmöglich sei, so Petra Tiemann, von Deutschland aus Druck auf die Kanadier zu machen, die Standards in den Asbestminen zu verbessern, habe man sich dazu entschlossen, dann die Einfuhr des Stoffes zu stoppen.

"Klar und unbestritten ist doch, dass Asbest ein gefährlicher Stoff ist. Ein Einfuhrverbot aber ist natürlich für die Dow nur mit einer angemessenen Übergangszeit zu machen", sagt Tiemann. Für realistisch halte sie da zehn bis 20 Jahre.