Eine Gutachterin erfasst den Gebäudezustand im Buxtehuder Rathausquartier, weil Bauarbeiten schon bald Schäden verursachen könnten.

Buxtehude. Im Buxtehuder Rathausquartier herrscht derzeit die Ruhe vor dem Sturm. Noch stehen die Häuser entlang der Langen und Breiten Straße wie gewohnt an ihrem Platz, doch schon in wenigen Wochen werden die Abrissbagger anrücken, und der Bau der neuen Buxtehuder Einkaufswelt beginnt. Weil diese Arbeiten aber möglicherweise Schäden an den benachbarten Gebäuden verursachen können, läuft derzeit ein sogenanntes Beweissicherungsverfahren, bei dem der Zustand der Gebäude erfasst wird.

Ilona Berndt von der geotechnischen Gesellschaft Conterra aus dem nordrhein-westfälischen Greven ist die Herrin dieses Verfahrens. Die Diplom-Geologin zieht seit Mitte vergangener Woche durch die Altstadt, um die Wände, Fußböden und Dächer ganz genau unter die Lupe zu nehmen. Schätzungsweise drei Wochen wird das Ganze dauern, die Arbeiten sollen in einem Zug erledigt werden.

"Wenn die Eigentümer feststellen, dass sich aufgrund der Bauarbeiten ein Riss entwickelt hat, muss darüber natürlich gesprochen werden", sagt Prokurist Andreas Zimmermann von der Projektentwicklungsgesellschaft Niederelbe (PEN), die das Quartier von der Stadt erworben hat und nun neu plant und vermarktet. Schließlich sollen die Arbeiten keinen schalen Beigeschmack hinterlassen. Die Dokumentation des Zustands vor Beginn der Arbeiten sei ein unabdingbarer Bestandteil der Schadensregulierung.

An der Langen Straße werden alle Häuser von der Brücke an der Hansestraße aus bis zum Haus Nummer 15 erfasst, an der Breiten Straße die Häuser vom Rathaus bis zur Nummer 12. Außerdem schaut sich die Gutachterin die Petrikirche und das historische Rathaus an. Dass die Gebäude der Kirchenstraße nicht dabei sind, sorgt bei einem guten Dutzend Anwohner für Unmut - zumal die Pflastersteine der Straße selbst sehr wohl mit einer speziellen Hülle vor Schäden geschützt werden. "Wir befürchten, dass es wegen der Erschütterungen zu Schäden an unserem Haus kommt", sagt Herfried Oldenburg. Er lebt mit seiner Frau Ingrid in seinem Elternhaus, das im Jahre 1930 gebaut wurde und seiner Meinung nach ebenfalls dokumentiert werden müsste.

Ein paar Häuser weiter wohnt Lieselotte Jensen, die zwar keine direkte Anliegerin der Kirchenstraße ist, aber ihre Nachbarn trotzdem unterstützt. Auch sie ist der Ansicht, dass man die Kirchenstraße mit einbeziehen und die Anwohner über die Arbeiten informieren müsste. Doch das alles sei bisher nicht geschehen. Eventuell wollen die Anwohner nun selbst den Zustand ihrer Häuser dokumentieren, um bei möglichen Schäden besser gewappnet zu sein. Am 7. November wollen sie zu einem Gespräch zusammenkommen.

Warum die Kirchenstraße nicht Teil des Beweissicherungsverfahrens ist, erläutert Andreas Zimmermann damit, dass es einen gewissen Radius gebe, der von den Bauarbeiten betroffen ist. Die Kirchenstraße gehört seiner Ansicht nach nicht dazu. Außerdem: "Irgendwo müssen wir die Grenze ziehen."

Die Arbeit von Ilona Berndt ist von all dem nicht betroffen. Als Geologin ist sie für den praktischen Teil verantwortlich. Nachdem sie in der vergangenen Woche mit der Petrikirche angefangen hat, ist sie nun ins Rathaus hinübergewechselt, wo sie zunächst im Keller beginnt. Mit einem Gebäudeplan ausgestattet, verschafft sie sich zunächst einen Überblick, bevor sie starten kann.

In welchem Zustand ist der Putz an den Wänden? Wie sieht der Estrich aus? Wie groß sind die Risse? Diese Fragen stellt sich die Geologin, wenn sie durch die Räume geht. Ihre Arbeitsgeräte sind dabei ziemlich unspektakulär, lediglich Zollstock, Taschenlampe, Fotoapparat, Fernglas, Block und ein spezielles Lineal, mit dem man die Breite der Risse messen kann, gehören dazu. "Die meisten Risse gibt es im Keller", sagt sie. Im Obergeschoss komme es seltener zu Schäden. Auch seien verputzte Häuser anfälliger als Klinkergebäude.

Ihre Beobachtungen schreibt die Gutachterin gleich vor Ort in ihrem Block nieder. Danach tippt sie alles am Computer ab und erstellt Dateien, die je nach Raum geordnet sind. Gerade bei Privatwohnungen sei es wichtig, diskret zu sein, erklärt sie. "Viele Leute befürchten ja, dass ich zum Beispiel aufschreibe, wo sich ihr Safe befindet." So etwas gehöre aber gar nicht ins Protokoll. Auch Möbel muss sie so gut wie nie verrücken, "die Räume sollten halt gut zugänglich sein". Zwei Tage werde sie für das Erfassen des Rathauses brauchen, schätzt sie. Bei Privathäusern reichten meistens zwei Stunden.

"Allgemein kommt es bei Bauarbeiten aber selten zu Schäden", sagt Zimmermann. Nur beim Weinhaus Seitz an der Breiten Straße habe es einmal nach den Bauarbeiten am Nachbarhaus, für die auch die PEN verantwortlich war, einen Riss gegeben. Dieser Schaden war jedoch versichert.