Die aus Asien eingeschleppte Varroa-Milbe hatte im Frühjahr ein Massensterben ausgelöst. Jetzt setzen Imker auf die Zucht neuer Völker.

Stade/Buxtehude. Eigentlich hätten die Imker im Landkreis Stade allen Grund zur Freude: Die Mitgliederzahlen der Bienenfreunde steigen wieder. Immer mehr Jüngere schließen die Lücken, die ältere Bienenzüchter hinterlassen, wenn sie ihr Hobby aufgeben. Doch in diesem Frühjahr beklagen die Imker enorme Verluste an ihren Völkern. "Selbst vorbildlich geführte Imkereien haben in diesem Winter und Frühjahr mehr als 80 Prozent ihrer Bienen verloren", sagt Lars Kremp, Vorsitzender des Stader Kreisimkervereins.

Gerhard Eggers ist einer dieser Imker. Von seinen 20 Bienenvölkern konnte er nach dem Winter nur vier retten. "Darüber bin ich sehr traurig", sagt der 80 Jahre alte Buxtehuder, der seit 1943 Bienen züchtet. Als Elfjähriger hatte er die 20 Völker seines Vaters, der beim Bombenangriff auf Hamburg umgekommen war, übernommen, sie gehegt und gepflegt. Doch all seine Erfahrung und Hingabe an die Bienenzucht nützten Eggers beim großen Bienensterben nichts. "Im strengen Winter 2010/2011 hatte ich keine Verluste und nun diese Katastrophe, über deren Ursachen sich die Gelehrten noch nicht einig sind", sagt der Rentner. Er sorgt sich um die Zukunft seiner Bienen, denn es ist schwer, sich gegen die Bedrohung zu wappnen.

So viel steht zumindest fest: Hauptursache ist in den meisten Fällen die aus Asien eingeschleppte Varroa-Milbe, die zudem oft Virenträger ist. Werner von der Ohe, Bienenexperte und Leiter des Niedersächsischen Landesinstituts für Bienenforschung in Celle, kennt das Problem seit Jahren. Er sagt: "Die Varroa-Milbe wird uns noch lange beschäftigen". Seit der den Zecken ähnliche Parasit Ende der 1970er-Jahre eingeschleppt wurde, hat er unzählige Bienenvölker dahingerafft. In Niedersachsen seien das im Durchschnitt jedes Jahr etwa ein Fünftel der Bestände, sagt von der Ohe. "Und zahlenmäßig geschwächte Völker sind weniger robust und haben es schwer, über den Winter zu kommen", erklärt der Experte das Dilemma.

Die Bienen bilden im Spätherbst sogenannte Wintertrauben. Sie rücken mit ihren Körpern ganz eng zu einer großen Kugel zusammen. Im Inneren dieser Wintertraube halten sie eine Temperatur von etwa 35 Grad Celsius. Ständiger Wechsel der Bienen von außen nach innen sichert allen Individuen Aufwärmphasen. Sind jedoch zu wenige Bienen an der Traube, müssen sie zu häufig wechseln. Sie verbrauchen viel Energie und können die Wärme nicht halten. Dann gehen sie ein, selbst wenn sie gesund und nicht von Milben befallen sind.

+++ Imker machen sich Sorgen um die Honigbiene +++

"Je weniger Bienen sich zu einer Wintertraube eng aneinanderhängen können, um sich mit der Reibung ihrer Brustmuskeln gegenseitig zu wärmen, desto schwächer ist das Volk im Frühjahr", weiß auch der Wanderimker Guido Wesseler aus Jork. Im Frühjahr brauchen die Honigbienen aber enorme Energie, um zu den Pollen der Weidenbäumen auszuschwärmen, wo sie die erste stärkende Nahrung bekommen. Und wenn die Bienen, weil sie geschwächt sind oder die Witterung zu nass und kalt ist, zu spät ausfliegen, sind die Weiden verblüht und es fehlt die wichtigste Erstversorgung nach dem Winter.

Der angehende Berufsimker Wesseler hatte seine 41 Völker "eingewintert", mit einer Spezialbehandlung gegen die Varroa-Milbe und mit reichlich Futter. "Dennoch habe ich 20 meiner Völker verloren. Das ist das Schlimmste, was mir je passiert ist." Der Jorker hatte schon als Jugendlicher ein Faible für die Imkerei, 2006 erfüllte er sich den Traum, als Bienenzüchter zu arbeiten. "Es gibt nichts Schöneres als Bienen", schwärmt der 47-Jährige, da mache es ihm auch nichts aus, in der Hochsaison bis zu 18 Stunden am Tag für seine Wanderimkerei zu arbeiten. Wesseler gehört zu den weniger als 20 Berufsimkern in Niedersachsen. Er beliefert eine Lebensmittelkette, Hofläden und Marktbeschicker mit etwa 20 verschiedenen Honigsorten. Seine Völker ständen derzeit am Raps bei Eckernförde, um den begehrten reinen weißen Rapshonig von bester Qualität zu produzieren, sagt der Altländer.

Die herben Verluste führt er auf eine Verkettung von Einflüssen zurück. Der Spätsommer war sehr feucht, sodass die Behandlung der Völker mit Ameisensäure gegen die Varroa-Milbe nicht effektiv genug war. Die Bienen nehmen dann das Winterfutter schlecht an und werden zunehmend schwächer. Guido Wesseler hat genau wie Gerhard Eggers seine Bestände mit dem Kauf neuer Völker wieder aufgestockt.

+++ Wegen Varroamilbe: Imker fordert "Bienenführerschein" +++

In sogenannten Zuchtbeuten, kleinen kastenförmigen Bienenhäusern, zieht er sich nun neue Völker und freut sich über erste Erfolge. Stolz zieht er ein Rähmchen aus der Zuchtbeute und zeigt, wie die neue Königin sich dort entwickelt. "Da kommt zur Freude auch wieder Optimismus", sagt der Jorker.

Es gebe leider auch Imker, so Werner von der Ohe, die ihre Verluste mit dem Diebstahl von Bienenvölkern ausgleichen würden. Zwar regele das Bundesgesetzbuch, dass der Finder einen herrenlosen Schwarm behalten darf, aber das sei eine ganz andere Sache.

Zur Obstblüte kommen viele Wanderimker mit etwa 4000 Bienenvölkern ins Alte Land und sorgen mit der Bestäubungsarbeit ihrer Bienen für hohe Obsterträge. Dennoch seien viele Imker besorgt, weil sie zum Bespiel bei Obstanbau unter Folien oder Glas ihre Bienen gefährdet sähen, sagt Werner von der Ohe. "Bienen streben von den Blüten immer nach oben und fliegen sich an den Foliendächern kaputt."

Die Zahl der Bienenvölker soll mit speziellen Programmen wieder stabilisiert werden. "Wir wollen in Zusammenarbeit mit dem Umweltamt des Landkreises Stade Bienenweiden mit wichtigen Futterpflanzen anlegen", sagt Lars Kremp. Bewährt haben sich sogenannte Blühstreifen-Projekte an Feldrainen und zwischen den Obstbaumreihen. Flächen mit Löwenzahn, Kümmel, Koriander oder Dill böten den Nutzinsekten eine optimale Eiweißversorgung. Und das helfe den Bienen.