Im Alten Land müssen 16,4 Millionen Obstbäume bestäubt werden. Imker schlagen Alarm: Es gebe zu wenig Bienen. Die Ursachen dafür sind vielfältig.

Jork/Steinkirchen. Alljährlich, wenn das Alte Land in voller Blüte steht, beginnt für etwa 80 Millionen Erntehelfer die große Fleißarbeit. Die Bienen müssen in diesen Wochen die Blüten von rund 16,4 Millionen Obstbäumen bestäuben, damit im es im Sommer und Herbst eine erfolgreiche Ernte von Kirschen, Äpfeln, Birnen und Pflaumen gibt. Nur: Gibt es noch genug?

Nein, sagt Lars Kremp, Vorsitzender des Stader Kreisimkervereins. "Wir haben inzwischen wieder 236 Mitglieder mit rund 1700 Bienenvölkern. Allein im Alten Land werden jedoch 4500 Völker gebraucht." Die jüngeren Mitglieder hätten deutlich weniger Völker als die älteren. " Und die älteren geben die Imkerei nach und nach auf", beschreibt der Vorsitzende die Lage im Verein. Größtes Problem seien jedoch die enormen Bienen-Verluste in den vergangenen Jahren, so Kremp. "Selbst sehr gute Imker haben allein im vergangenen Jahr bis zu 80 Prozent ihrer Bestände verloren", bilanziert er den schwierigen Start in diesen Frühling.

Die Ursachen reichten vom Bienensterben durch die aus Asien eingeschleppte Varroa-Milbe bis zur extremen Schwächung der Völker durch ungünstige Witterung und Wespenangriffe.

Jetzt werden sogar schon "Notfall-Imker" angeworben. Der Obstbauversuchsring (OVR) Esteburg hat sogar eine kostenlose Internetplattform ( www.ovb-jork.de , "Marktplatz") eingerichtet, auf der Bienenhalter und Obstbauern zueinander finden können. Die Vereinbarung über eine sogenannte Bestäubungsprämie, die zwischen null und 50 Euro liegen kann, und über die Honigvermarktung treffen Imker und Obstbauern selbst.

+++Der Trend zum süßen Hobby+++

Letztere sehen die Situation ein wenig gelassener. Dass künftig immer weniger Imker mit ihren Bienenvölkern ins Alte Land kommen würden, weil es sich unter dem Aspekt der Honigausbeute und der Bienenverluste nicht mehr lohne, will Wolfram Klein, Kernobstberater und Bienenexperte beim OVR Esteburg, so nicht bestätigen. "Die meisten Obstbauern haben seit Generationen zuverlässige Abmachungen mit ihren Imkern, damit die Bestäubung gesichert ist", sagt Klein. Es gebe allenfalls jedes Jahr kurzfristige Engpässe, weil Bienenvölker erkrankten oder weil Imker die Honiggewinnung aus Altersgründen aufgeben, sagt Klein.

Er ist sich sicher, dass sich das Alte Land bei den Imkern auch weiterhin gegen den ergiebigeren Raps werde behaupten können. Etwa 4000 Bienenvölker werden zur Blütezeit zusätzlich ins Alte Land gebracht. Ein einziges Bienenvolk, zu dem zwischen 20 000 und 40 000 Arbeiterinnen gehören, kann an einem Tag bis zu drei Millionen Blüten bestäuben. "Dank intensiver Nachwuchsförderung auf Kreis- und Landesebene kommen wieder verstärkt jüngere Mitglieder zu den Imkervereinen. Damit bleibt die Biene unser drittwichtigstes Haustier", sagt Klein.

+++Neu entdeckter Parasit bringt Bienenvölker um+++

Für die Imker ist jetzt kurzfristig erst mal wichtig, dass die Rahmenbedingungen stimmen. "Wir brauchen dringend warmes, trockenes Wetter, damit die Bienen fliegen können", sagt Lars Kremp. Langfristig bedürfe es großflächiger Hilfsprogramme." Kremp sieht in den sogenannten Blühstreifen-Projekten, die mit den Obstbauern und Landwirten gemeinsam realisiert werden, oder in der mit dem Kreisumweltamt geplanten Bienenweide bei Kranenburg den richtigen Weg zur Kräftigung der Bestände.

Flächen mit Löwenzahn, Phacelia (Büschelschön), Kümmel, Koriander, Dill oder Sonnenblumen bieten den Nutzinsekten eine optimale Eiweißversorgung. Damit überstehen sie gestärkt die Winterzeit, bleiben kräftig genug, um Milben zu widerstehen, und starten vital zur Bestäubungsarbeit, so der Bienenexperte.

+++Die Kirschblüte im Alten Land hat begonnen+++

Erfahrene Obstbauern wie Theis Pape aus Bachenbrock sagen, dass das Bestäubungswetter in diesen Tagen besser sein könnte. "Das Problem, nicht genug Bienen zu bekommen, sehe ich derzeit nicht. Die meisten Imker bringen seit Jahren in alter Tradition ihre Völker ins Alte Land und der Imker-Marktplatz des OVR hilft, kurzfristig Ersatz zu finden", sagt Theis Pape.

Dem schließt sich Hein Lühs vom Herzapfelhof in Jork an: "Ich kann kein Defizit an der Bienenversorgung feststellen. Unser Imker aus der Nähe von Bremen bringt seit sechs Jahren 15 Völker in unsere Anbauflächen. Zuvor kam 43 Jahre der gleiche Imker zu uns, bis er dann aus Altersgründen aufgehört hat." Lühs setzt auf langjährige Partnerschaften mit den Imkern. "Dass Raps ergiebiger ist oder mehr Geld bringt, ist nicht ausschlaggebend. Auch bei uns gibt es Bestäubungsprämie, und wir verkaufen zudem den Honig unseres Imkers im Hofladen."

Nachwuchs-Imker Hauke Schuback aus Osterjork folgt dem Vorbild seines Großvaters, der als Obstbauer eigene Bienen hatte. Seit drei Jahren betreibt der 14-Jährige die Imkerei. Er sagt: "Seit zwei Jahren habe ich fünf Völker. Leider ist in diesem Frühjahr eines davon durch eine Krankheit geschwächt und ich kann nur hoffen, dass meine Honigbienen das überleben."