Sollte das Vorkommen von Bienen weiter schwinden, werden auch Ernteerträge rückläufig sein. Imkerin Marina Kliewer aus Mechtersen schlägt Alarm.

Lüneburg. Sie ist ein Sinnbild für nicht enden wollenden Fleiß: Die Biene gilt als eines der nützlichsten Insekten überhaupt. Ihre Bestäubungsleistung erhöht nicht nur den Ertrag zahlreicher Feldpflanzen und Ackerpflanzen wie Raps, Blaubeere und Kirsche. Der von ihr gesammelte Blütennektar steht außerdem als Honig auf fast auf jedem Frühstückstisch und findet in der Pharmaindustrie Verwendung.

Den Bienenbeständen der Imker im Norden geht es allerdings schon seit längerem nicht mehr gut. "In diesem Winter waren die Verluste dramatisch. Viele Völker haben den Winter nicht überlebt", sagt Marina Kliewer, Imkerin in Mechtersen. Pestizide in der Landwirtschaft, die Varroramilbe und Nahrungsarmut in der industriell betriebenen Landwirtschaft machen den Tieren das Leben ausgesprochen schwer.

"In der industriellen Landwirtschaft droht Futterleere. Wenn die Rapsblüte im Frühling vorbei ist, wird es für die Bienen schwer, ausreichende und ausgewogene Nahrung zu finden", sagt Kliewer. Sie bringt deshalb seit Jahren auch einzelne ihrer Bienenvölker in die Stadt, damit sie dort in Vorgärten und in den Grünbrachen Nahrung aufnehmen können. "Aber das bedeutet viel Aufwand für den Imker", sagt Kliewer. Für einzelne Völker bleibt ihr oft nur noch der Griff zum Zuckerwasser: Sie muss ihre Völker füttern, damit sie nicht hungern.

Die vielerorts ungünstigen Lebensbedingungen für Bienen bedrohen akut die Bestände, sagen viele Experten. Sollten die Vorkommen an Bienen und wildlebenden Insekten weiter zurückgehen, so werden auch die Ernteerträge von Feldpflanzen und Obstkulturen mittelfristig rückläufig sein, meint Alexandra Klein, Professorin für Ökosystemfunktionen an der Leuphana. "Naturbelassene Flächen werden immer seltener. Gerade für Landwirte ist diese Tendenz riskant", sagt sie. Denn dort, wo die Artenvielfalt leidet, weil Naturbrachen fehlen, hungern nicht nur die Bienen. Es geht auch der Bestand an anderen bestäubenden Insekten wie Hummeln, Käfern und Hornissen drastisch zurück.

Dabei sind die Landwirte auf die Bestäubung ihrer Pflanzen angewiesen: Ohne eine Bestäubung durch Insekten bilden die Pflanzen weniger oder gar keine Früchte. Wir brauchen wieder mehr Grünbrachen meinen deshalb nicht nur Forscher an der Leuphana. "Landwirte, die in ihren Plantagen und Ackerflächen Platz für naturbelassene Flächen lassen, können sich von der Honigbiene emanzipieren und das Risiko von Ernteausfällen minimieren", sagt Professorin Alexandra Klein. Wie gut das funktioniert, zeigen Studien an amerikanischen Mandelplantagen in Kalifornien: Dort hat man einen bedeutende Erhöhung der Fruchtansätze festgestellt - sofern mehr naturbelassene Areale in der Nähe der Plantage liegen.

"Wir sollten ökologische Ressourcen in Zukunft auch als wichtigen ökonomischen Faktor betrachten", sagt Alexandra Klein. Forscher des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung in Leipzig haben dies bereits getan: Die Schäden, die durch das Ausbleiben von bestäubenden Insekten in Zukunft entstehen können, haben sie aufgrund ihrer Studien mit französischen Kollegen erstmals beziffert: Auf 190 bis 310 Milliarden Euro pro Jahr dürften sich die Verluste durch Ernteausfälle weltweit belaufen, wenn die natürlichen Bestände bestäubender Insekten weiter überall rückläufig sind. Die EU in Brüssel will das Steuer jetzt herumreißen und eine umweltfreundlichere Landwirtschaft möglich machen.

+++ Studien: Pestizide auch für Bienensterben verantwortlich +++

Nach den Plänen der EU-Kommission könnten Landwirte, die auch in Zukunft EU-Agrar-Subventionen bekommen wollen, zu einem generellen Umdenken gezwungen sein: Die Voraussetzungen für eine Förderung der Landwirtschaft soll nämlich für ein Drittel aller Subventionen neu geregelt werden. Aussicht auf Geld aus Brüssel hat dann nur noch, wer als Landwirt auch etwas für die Umwelt tut, zum Beispiel Flächen stilllegt. "Greening" heißt das Stichwort, unter dem die Neuausrichtung der EU-Landwirtschaftspolitik erstmals im letzten Herbst unter EU-Agrarministern diskutiert wurde.

"In den meisten Betrieben wird es durch das Greening zu erheblichen Einkommenseinbußen kommen, die bei mehreren Hundert Euro pro Hektar durch zwangsstillgelegte Fläche liegen können", meint dazu Hartmut Schlepps, Referent für Umweltpolitik und Umweltrecht beim Landesbauernverband, dem Landvolk Niedersachsen in Hannover. "Die von der EU-Kommission veranschlagten 90 Euro pro Hektar als Ausgleich für das Greening werden regelmäßig die Einkommensverluste des Landwirts nicht ausgleichen. Insofern fordert der Deutsche Bauernverband auch, statt des pauschalen "Greenings" ausreichend honorierte freiwillige Agrarumweltmaßnahmen anzubieten", sagt Schlepps.

Bei entsprechender Ausgestaltung würden solche freiwilligen Vereinbarungen zwischen Behörden und Landwirten gut angenommen, meint Schlepps. In Niedersachsen seien etwa 15 bis 20 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen in Programme für den Naturschutz eingebunden.

"Sollte es zum Greening in der bisher vorgestellten Form kommen, ist nicht auszuschließen, dass die Teilnahme der Landwirte an Umwelt- und Naturschutzprogrammen erheblich zurückgeht. Unterm Strich", sagt Schlepps, "könnte also der Mehrwert des Greenings für den Naturschutz negativ ausfallen."