Schleswig-Holsteins Innenminister Klaus Schlie (CDU) will harte Einschnitte bei den hoch verschuldeten Kommunen im Land vornehmen.

Hamburg/Kiel. Die Situation ist prekär und verlangt nach harten Einschnitten. Doch wie das hoch verschuldete Bundesland Schleswig-Holstein und seine Städte und Gemeinden die Wende zum Guten schaffen können, darüber ist im Norden eine hitzige Debatte im Gange.

+++95 Millionen Euro pro Jahr+++

Konsolidierung heißt das Zauberwort, und die soll für die Kommunen nun per Gesetz verordnet werden. Denn in der Gemeindeordnung gibt es nun mal die Vorschrift, dass der kommunale Haushalt ausgeglichen sein soll. "Für die überwiegende Mehrheit der rund 1100 Kommunen unseres Landes ist diese Vorgabe auch geltende Praxis", sagt Schleswig-Holsteins Innenminister Klaus Schlie (CDU). Nur etwa 120 seien Ende 2009 defizitär gewesen. "Und 18 von ihnen vereinigten 90 Prozent des gesamten Defizits von etwa 700 Millionen Euro auf sich."

+++Schuldenlast: Rettungspaket für arme Gemeinden+++

Zu den größten Schuldenmachern im nördlichsten Bundesland gehören die vier kreisfreien Städte Kiel, Lübeck, Flensburg und Neumünster, die zusammen rund 430 Millionen Euro Schulden angehäuft haben. In den vier größten Städten Schleswig-Holsteins mit ihren insgesamt rund 620 000 Einwohnern übersteigen seit Jahren die Ausgaben die Einnahmen. Doch das gilt auch für den Kreis und die Stadt Pinneberg im "Hamburger Speckgürtel".

Mit einem Defizit von rund 170 Millionen Euro sind die Kreise der zweite große Schuldenmacher. Mit Rendsburg-Eckernförde, Steinburg und Stormarn weisen nur drei von insgesamt elf Kreisen kein aufgelaufenes Defizit aus. Drittgrößter Schuldenmacher sind schließlich die kreisangehörigen Gemeinden. 103 der knapp 1100 Kommunen weisen ein Defizit von insgesamt rund 106 Millionen Euro auf. Aussicht auf Besserung aufgrund der allgemein anziehenden Konjunktur im Lande scheint nicht zu bestehen. "Nach den Planungen für 2010 und 2011 ist mit einem weiteren Anstieg der aufgelaufenen Defizite zu rechnen", heißt es im Bericht der Landesregierung zur Finanzsituation der Kommunen in Schleswig-Holstein vom Februar 2012.

Um eine Kommune mit "besonderen Finanzierungsproblemen" handelt es sich dann, wenn sie von 2002 bis 2009 mindestens in fünf Jahren ihre Jahresrechnung mit roten Zahlen abgeschlossen hat und das Ende 2009 aufgelaufene Defizit mindestens fünf Millionen Euro beträgt. Und genau diese finanzschwachen Kommunen sollen nun unter einen 95-Millionen-Euro-Rettungsschirm schlüpfen können. So jedenfalls sieht es das Gesetz zur Konsolidierung kommunaler Haushalte vor. Mit 75 Millionen Euro steht der Löwenanteil für Kommunen mit besonderen Finanzproblemen zur Verfügung. 15 Millionen gibt es für die übrigen für die Gewährung von sogenannten Fehlbetragszuweisungen. Fünf Millionen bleiben für Sonderbedarfszuweisungen vorrangig für defizitäre kreisangehörige Gemeinden. Die 75 Millionen Euro werden dabei zur Hälfte auf die Gruppe der vier kreisfreien Städte sowie die Gruppe der Kreise und Gemeinden aufgeteilt.

Fluch oder Geldsegen? Während Innenminister Klaus Schlie von einem "gemeinsamen solidarischen Kraftakt zwischen der kommunalen Familie und dem Land" spricht, vergleichen seine politischen Gegner die in Aussicht gestellte Finanzspritze mit einer Pistole, die den Kommunen vom Land auf die Brust gesetzt wird. Der Pinneberger SPD-Chef Hans-Helmut Birke sieht in dem geplanten Konsolidierungsgesetz einen "unzumutbaren Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung". Birke spricht von "geradezu erpresserischen Methoden", weil Kommunen, die sich der Hilfe verweigern, künftig auch keine Fehlbedarfszuweisungen mehr erhalten.

Genau diese Debatte wird zurzeit in der Stadt Pinneberg geführt. Die Ratsversammlung hat sich gerade dafür ausgesprochen, unter den Rettungsschirm zu schlüpfen. Im Herbst steht die endgültige Abstimmung an. Dann bekäme Pinneberg nach jetziger Rechnung im laufenden Jahr 3,4 Millionen plus weitere Hilfen in ähnlicher Größenordnung in den Folgejahren. Im Gegenzug verpflichtet sich die Stadt, bis 2022 ihr sogenanntes strukturelles Defizit um 6,8 Millionen Euro zu verringern. Während der Debatten um das Für und Wider des Rettungsschirms hatten Stadtpolitiker immer wieder betont, solch massive Einsparungen seien nur möglich, wenn man sich bei den freiwilligen Leistungen die großen Brocken oder auch "heiligen Kühe" vornehme. Und dazu zählen Musikschule, VHS Stadtbücherei und Schwimmbad, die nun von der Schließung bedroht sind.

Daher befürchtet Uwe Polkaehn, Vorsitzender vom Deutschen Gewerkschaftsbund im Bezirk Nord, "dass die Spielräume der Politikgestaltung in den Kommunen weiter abnehmen werden". "Wer aus der Solidargemeinschaft der Kommunen und des Landes finanzielle Hilfe erhalten möchte, muss sich selbst solidarisch verhalten", sagt Minister Schlie. "Das heißt, er muss beweisen, dass er den Weg aus den Defiziten ernsthaft, entschlossen und unumkehrbar geht."

Ausgaben für soziale oder kulturelle Leistungen senken, Einnahmen durch Erhöhung von Gewerbe- oder Hundesteuer erhöhen - da kommt einiges auf die rund 2,8 Millionen Einwohner zwischen Nord- und Ostsee zu.