Die an Leukämie erkranket Haseldorferin hat die Transplantation gut überstanden und kommt vielleicht schon bald nach Hause.

Haseldorf. Tonia, genannt Toni, hat die Knochenmarktransplantation gut überstanden. Die schwer an Leukämie erkrankte 15 Jahre alte Haseldorferin liegt zwar noch auf der Isolierstation des Universitätskrankenhauses in Hamburg-Eppendorf. Doch es sieht so aus, als könnte Tonis größter Wunsch in Erfüllung gehen: Wenn alles weiter so gut verläuft wie bisher, dann feiert sie ihren 16. Geburtstag im Oktober zu Hause in Haseldorf zusammen mit ihrer Mutter, ihren drei Geschwistern und ihren Freunden.

"Wir hoffen alle sehr, dass Toni schon in diesem Monat nach Hause darf", sagte ihre Schwester Julia gestern dem Abendblatt. Seit mehr als fünf Wochen liegt Toni auf der Isolierstation. Keine frische Luft, wenig Besuch. Aber ihre Mutter ist immer an ihrer Seite. Deshalb schmeißt die 20 Jahre alte Julia derzeit den Haushalt in Haseldorf. Fünfmal pro Woche besucht sie ihre Schwester, die noch mit den Nachwirkungen der letzten Chemotherapie kurz vor der Transplantation zu kämpfen hat. "Jetzt kommt es darauf an, dass das Knochenmark anwächst. Wenn es gut anwächst, dann geht es relativ schnell und Toni erholt sich wieder", sagt Julia. Doch in Freudentaumel ausbrechen mag sie nicht. "Wir wissen, dass alles auch ganz schnell wieder umgeworfen werden kann", sagt sie.

Schon einmal glaubte die Familie, den Kampf gegen den Krebs gewonnen zu haben. Denn im Alter von acht Monaten diagnostizierten die Ärzte bereits bei Toni diese Krankheit. Mit Chemotherapien wurden die Tumorzellen bekämpft. Mit Erfolg. Nach zweieinhalb Jahren war vollbracht, an was die Ärzte schon nicht mehr glauben wollten, Toni war wieder gesund.

Dann der Schock. Im Mai dieses Jahres kam das 15 Jahre alte Mädchen mit grippeähnlichen Symptomen in die Praxis von Hausärztin Dr. Susanne Faas-Ramm in Haseldorf. Sie ließ angesichts der Vorgeschichte von Toni vorsorglich das Blut untersuchen. Zwei Tage später überbrachte sie der Familie die schlechte Nachricht. Es war wieder Blutkrebs, und auch noch eine aggressive Form. Trotzdem gab die Familie die Hoffnung nicht auf. Zusammen mit Nachbarn und Freunden rief sie eine Hilfsaktion ins Leben, suchte nach dem dringend benötigten passenden Knochenmarkspender für Toni. Am Ende ließen sich 1212 Freiwillige in der Sporthalle in Haseldorf typisieren.

Andere nutzten die Möglichkeit, sich Registrierungs-Sets zuschicken zu lassen. Sie alle stehen jetzt wie viele weitere potenzielle Spender in der Deutschen Knochenmarkspenderdatei (DKMS). Kurz nach der Aktion erreichte die Familie dann die erlösende Nachricht: Eine Spenderin war gefunden. Wer sie ist? Darüber weiß die Familie nichts. Sie erfahren erst in zwei Jahre den Namen. Aber der Spenderin ist es möglich, vorher mit der Familie in Kontakt zu treten. Ob sie es tut, ist ihr überlassen. Klar ist nur, dass die Spenderin nicht während der Typisierungsaktion aufgetan werden konnte. Dafür kam die Nachricht zu schnell. Die Daten der neu Registrierten waren noch nicht einmal ausgewertet.

Die Transplantation fand Mitte August statt. An einem Freitagabend lief das gespendete Knochenmark wie bei einer Bluttransfusion langsam in Tonis Körper ein. "Die Transplantation war ganz unspektakulär im Vergleich zu dem, was wir dafür alles in Bewegung gesetzt haben", berichtet Julia mit Blick auf die Hilfsaktion.

24 Stunden dauerte die Prozedur. Jetzt ist Geduld gefordert. Geduld, die manchmal nur schwer zu ertragen ist. Aber bisher sieht alles gut aus: Tonis Körper stößt das fremde Knochenmark nicht ab. "Wir sind optimistisch, dass sie gesund wird", sagt Julia vorsichtig. "Wir sind einfach glücklich, dass es so gut geklappt hat", sagt Hausärztin Dr. Susanne Faas-Ramm, die kräftig bei der Typisierungsaktion mithalf.

Für die Allgemeinmedizinerin Ramm ist klar: Die Familie aus Haseldorf hatte eine harte Zeit. Aber wenn die kommenden drei Monate alles weiter so gut läuft, ist genug Zeit, um richtig in Jubel auszubrechen. Ein klein wenig Euphorie erlaubt sich Julia jetzt schon, wenn sie über die Spenden- und Hilfsbereitschaft vieler Menschen berichtet. Auf dem extra eingerichteten Konto sind 60 000 Euro eingegangen. Julia sagt: "Das ist Wahnsinn. Ich glaube, noch nie wurde bei einer Aktion mehr Geld eingenommen, als für die Typisierungen benötigt wurde."

Dazu trugen die Spenden vieler Einzelpersonen, aber auch etlicher Firmen und Initiativen bei. So gab die Initiative "Appen musiziert" 5000 Euro, weitere Finanzhilfen gingen unter anderem vom Deutschen Kinderschutzbund aus Wedel und der Kirchengemeinde Haseldorf ein. Großzügige Geldspenden kamen auch von Unternehmen wie unter anderem der Hertling GmbH, der Firma Medac, der Raiffeisenbank Elbmarsch und der Nordmark Arzneimittel GmbH aus Uetersen.

Auch Simon Stifter, Mitarbeiter der DKMS, freut sich über den offenbar glücklichen Ausgang und über die hohe Spendenbereitschaft. "Es ist ganz selten, dass mehr Geld gespendet wird, als die Typisierungsaktion kostet."

Der DKMS-Mitarbeiter weist darauf hin, dass alle 45 Minuten in Deutschland ein Mensch an Leukämie erkrankt. Darunter seien auch zahlreiche Kinder und Jugendliche. Toni sei beileibe kein Einzelfall. Noch immer könne jedoch für jeden fünften Patienten kein geeigneter Spender gefunden werden. Und das, obwohl bereits mehr als 2,7 Millionen Menschen bei der DKMS als potenzieller Stammzellspender registriert sind. Simon Stifter: "Deshalb ist es sehr wichtig, dass sich möglichst viele Menschen in unsere Datei aufnehmen lassen."