Silvia Bulfone-Paus erhält eine Rüge von der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Sie soll ihre Aufsichtspflicht vernachlässigt haben.

Borstel. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft hat Konsequenzen aus zwei Fällen von wissenschaftlichem Fehlverhalten gezogen, die das Forschungszentrum Borstel betreffen. Die frühere Direktorin Professor Silvia Bulfone-Paus und eine Mitarbeiterin ihrer Arbeitsgruppe wurden schriftlich gerügt - Bulfone-Paus wegen Vernachlässigung der Aufsichtspflicht, Dr. Elena Bulanova wegen Verfälschung von Daten und Forschungsergebnissen durch Manipulation einer Darstellung und einer Abbildung.

Der Fall hatte vor zwei Jahren für bundesweite Schlagzeilen gesorgt: Im Forschungsteam von Silvia Bulfone-Paus entstand zwischen 2001 und 2010 ein Dutzend Arbeiten, die aufgrund von nachgewiesenen oder möglichen Manipulationen zurückgezogen werden mussten. Die Manipulationen betreffen Abbildungen. Nach Bekanntwerden der Beschuldigungen ließ die Professorin, die an der Uni Lübeck Immunologie und Zellbiologie lehrt und Mitglied der mathematisch-naturwissenschaftlichen Fakultät der Uni Kiel ist, ihren Direktionsposten ruhen, setzt ihre Forschungsarbeiten in Borstel aber bis heute fort. Die Wissenschaftlerin beschäftigt sich mit sogenannten Western Blots. Sie dienen beispielsweise bei Infektionen zum Nachweis von Eiweißen und Antikörpern.

Wissenschaftliches Fehlverhalten über Jahre hinweg

Nach großen Berichten in allen bedeutenden Medien war Ruhe eingekehrt. Gras jedoch ist über die Sache nicht gewachsen. Sehr schnell war eine vom Forschungszentrum Borstel eingerichtete externe Untersuchungskommission zu dem Schluss gekommen, dass es innerhalb der Laborgruppe Immunbiologie über Jahre hinweg zu wissenschaftlichem Fehlverhalten gekommen sei. Die Kommission stellte fest, dass unter anderen vier Publikationen, die von der Deutschen Forschungsgesellschaft gefördert wurden, zahlreiche Datenmanipulationen aufwiesen. Für diese seien zunächst die in der Laborgruppe tätigen Erstautoren - also die Verfasser der Publikationen - verantwortlich. Bei Silvia Bulfone-Paus müsse jedoch von einer "mangelnden Wahrnehmung der Aufsichtspflicht" ausgegangen werden. Von einem möglicherweise folgenreichen Imageschaden für das international renommierte Forschungszentrum war die Rede.

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) ist eine von Bund und Ländern getragene Einrichtung zur Förderung der Wissenschaft und Forschung in der Bundesrepublik Deutschland. 2011 hatte sie einen Förderungsetat von 2,457 Milliarden Euro. Die DFG hat zwei Jahre gebraucht, um das Verfahren ihrerseits abzuschließen. Die Universität Lübeck und die Berliner Charité waren neben dem Forschungszentrum Borstel in die Untersuchungen einbezogen. Das Ergebnis deckt sich mit den zwei Jahre alten Ergebnissen der externen Untersuchungskommission. Neben der Rüge wurde die Professorin für drei Jahre von der Antragsberechtigung und aus den Gremien der Gesellschaft ausgeschlossen.

Disziplinarverfahren der Uni Lübeck ist noch nicht abgeschlossen

Dr. Elena Bulanova, die zweite Beschuldigte, wurde sogar für fünf Jahre von der Antragsberechtigung ausgeschlossen. Ihr Vergehen wurde als schwerer eingestuft, weil sie in der betreffenden Publikation Erstautorin war. "Die Verfälschung von Forschungsergebnissen in Publikationen ist nicht entschuldbar und entbehrt jeder Rechtfertigung", heißt es in einer Stellungnahme von Dorothee Dzwonnek, Generalsekretärin der Deutschen Forschungsgemeinschaft.

Der Fall kann allerdings auch nach Abschluss des Untersuchungsverfahrens der Deutschen Forschungsgemeinschaft noch nicht zu den Akten gelegt werden: Das Disziplinarverfahren der Universität Lübeck in dieser Angelegenheit ist noch nicht abgeschlossen. Ob die frühere Direktorin des Forschungszentrums Borstel möglicherweise mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen zu rechnen hat, ist also noch ungeklärt.

Das Direktorium und der Wissenschaftliche Beirat des Forschungszentrums Borstel begrüßen generell, dass die Forschungsgemeinschaft zu einer Entscheidung gekommen ist. Die Stellungnahme zum wissenschaftlichen Fehlverhalten von Professorin Bulfone-Paus spiegele die Einschätzung von Direktorium und Beirat wider. Für eine abschließende Beurteilung aber sei es noch zu früh, heißt es in einer Stellungnahme. Das Direktorium merkt an, dass die Forschungsgemeinschaft nur über vier vor ihr finanzierte Projekte gesprochen habe, neun beanstandete Publikationen ohne Bezug zur Deutschen Forschungsgemeinschaft seien folglich unberücksichtigt geblieben.

Die aber werden vermutlich im Zuge des Disziplinarverfahrens auch eine Rolle spielen. "Das Direktorium und der Beirat sehen es als ihre Verpflichtung an, auf eine Berücksichtigung auch jener über einen Forschungsgemeinschaftsbezug hinausgehenden Aspekte des attestierten wissenschaftlichen Fehlverhaltens hinzuwirken und werden sich in diesem Sinne um eine umfassende Beurteilung bemühen", heißt es abschließend in einer Stellungnahme.