Silvia Bulfone-Paus: Die neue Chefin des Forschungszentrums Borstel. In der biomedizinischen Einrichtung vor den Toren Hamburgs arbeiten Experten an neuen Tests für die Erkennung der Tuberkulose. Auch nach Ersatzmethoden für Tierversuche wird hier gesucht.

Das internationale Profil des Forschungszentrums Borstel (FZB) will Professorin Dr. med. Dr. rer. nat. Silvia Bulfone-Paus schärfen. Die neue geschäftsführende Direktorin des Zentrums für Lungen- und Bronchialerkrankungen, die Italienisch, Französisch, Englisch und Deutsch spricht, hat klare Ziele. Die Wahl-Hamburgerin will erreichen, daß die Forscher des Zentrums verstärkt mit ausländischen Kollegen in internationalen Kooperationen zusammenarbeiten, damit noch mehr Forschungsergebnisse in internationalen Fachzeitschriften veröffentlicht werden. Außerdem sollen noch mehr ausländische Wissenschaftler an das 1947 gegründete Zentrum kommen. Sie selber hat diese Ziele in ihrer Karriere bereits erreicht - dabei ist sie erst 41 Jahre alt.

Bulfone-Paus ist ein Shooting-Star der Forschung. Wer ihren Namen bei Google eingibt, erhält 14 500 Einträge - zu viele, um alle zu lesen. Also unterhalten wir uns mit der Italienerin, die mit ihren blonden Haaren und blauen Augen auch in Skandinavien beheimatet sein könnte.

Mit 36 Jahren, das war 2000, wurde sie Forschungsdirektorin am FZB, das den Zusatz "Leibniz-Zentrum für Medizin- und Biowissenschaften" trägt. Zugleich wurde sie C4-Professorin an der Uni Lübeck für Immunologie und Zellbiologie und Mitglied der mathematisch-naturwissenschaftlichen Fakultät der Uni Kiel. Seitdem ist sie eine von drei Frauen unter den Direktoren der 84 Leibniz-Institute. Als Frau, Mutter dreier Kinder, Ausländerin und oft die Jüngste ist sie bisher oft eine Exotin in der Forschungswelt.

Sie habe sich inzwischen an diese Rolle, die es wohl nur in Deutschland gäbe, gewöhnt, lächelt sie vergnügt. In Italien gelte keine Frau als Rabenmutter, die Kinder habe und arbeiten gehe. Und in den USA, wo die in Turin geborene Medizinerin an der Yale Universität eine fünfjährige molekularbiologische Zusatzausbildung mit Schwerpunkt Genetik absolvierte (während ihr Mann das erste Kind betreute), würden Wissenschaftler aus aller Welt arbeiten, und selbstverständlich hätten junge Forscherinnen auch Kinder.

Ihre Kinder gehen jetzt in die französische Schule. Dort werden sie regelmäßig bis 15.30 Uhr unterrichtet und betreut. Das erleichtert die Organisation des Alltags. "Ich muß alles gut planen und Prioritäten setzen", sagt sie. Das Training wird ihr die Bewältigung ihrer neuen Aufgabe sicherlich leichtmachen.

An dem Forschungszentrum, das eine halbe Stunde Autofahrt von Hamburg entfernt ist, arbeiten 487 Menschen. Es hat eine medizinische Klinik, die eng mit der Uni Lübeck kooperiert, und drei Forschungsschwerpunkte: Infektion, Allergie und Tumorbiologie. Hier arbeiten Mediziner, Biologen, Chemiker, Physiker, Immunologen, Molekularbiologen und andere Biowissenschaftler zusammen, damit Lungen- und Bronchialerkrankungen früher erkannt, vermieden oder besser behandelt werden können.

International bekannt ist das FZB gleich aus mehreren Gründen. Drei seien genannt. Zum einen ist es nationales, europäisches und supranationales Referenzlabor für Mykobakterien, die Erreger der Tuberkulose. Allein aus Deutschland landen 12 000 Proben pro Jahr in Borstel, um dort begutachtet zu werden. 7700 Menschen in Deutschland erkranken jährlich neu an dieser Infektionskrankheit. Zudem entwickeln und beurteilen die Borstler neue Testmethoden und beobachten die weltweite Ausbreitung der Erreger.

International bekannt ist das Zentrum zum zweiten für die Entwicklung von Tierversuchs-Ersatzmethoden. Zwei Forscher erhielten dafür den Internationalen Tierschutzpreis, verliehen von der Fondation internationale pour la substitution de l'experimentelle animale (FISEA). Die Forscher zeigten, daß sich dünne Schichten von Lungengewebe einer Maus genauso verhalten wie das ganze Organ. Deshalb kann an diesen dünnen Schichten, die drei Tage lang im Brutschrank frisch bleiben, die Veränderung der Atemwege, der Gefäße und des Flimmerepithels studiert werden. "Mit dieser Methode brauchen wir nicht nur 20 bis 25 Mäuse pro Versuch weniger, sondern können auch am menschlichen Gewebe die Veränderungen untersuchen", sagt Dr. Christian Martin vom FZB. Gegenwärtig wird diese Methode evaluiert, um als Ersatzmethode für Tierversuch auch anerkannt zu werden.

Und nicht zuletzt die 150 wissenschaftlichen Veröffentlichungen, die 2005 in anerkannten Zeitschriften - vier allein in "Nature" - erschienen, festigen den Ruf dieses Zentrums als bedeutsames Forschungsinstitut.

Auf dieser Basis wird Bulfone-Paus aufbauen und Borstel ausbauen. Gemeinsam mit der Uni Lübeck hat sich das FZB bei der EU bereits in einem "Network of Excellence" als kooperierendes Zentrum für Allergie- und Asthmaforschung beworben, und gemeinsam mit den Universitäten Kiel und Lübeck soll ein Exzellenzcluster entstehen.

Auch die Zusammenarbeit mit Forschungszentren und Hochschulen im Ostseeraum will sie in den kommenden drei Jahren forcieren. Solange ist sie geschäftsführende Direktorin. Und dann? "Abwarten", sagt sie. Angebote gebe es genug. Kürzlich erhielt das Ehepaar Paus das Angebot, nach Kalifornien zu wechseln. "Wenn die Amerikaner einen Forscher haben wollen und sein Partner auch hochqualifiziert ist, dann bieten sie Doppelberufungen an", erläutert die Forscherin. Dieses Mal hat das Forscherehepaar abgelehnt, weil die Arbeits- und Lebensbedingungen gegenwärtig optimal seien. Ein Glück für die deutsche Forschung.

Das Zentrum im Netz:

www.fz-borstel.de