Befürchtungen, dass der Pannenreaktor nach einem Regierungswechsel in Berlin länger als bislang geplant am Netz bleiben könnte, nehmen zu.

Geesthacht/Hamburg. "Ich habe Angst, dass auch für Krümmel eine Laufzeitenverlängerung kommt", sagt Bettina Boll, grüne Ratsfrau in der Geesthachter Stadtvertretung und Anti- Atomkraft-Aktivistin der ersten Stunde. Nach den Wahlen am 27. September sei die Stimmung in ihrer Partei "wie gelähmt". "Es ist sehr schwierig. Einerseits haben wir fast doppelt so viele Wähler, andererseits droht mit einer schwarz-gelben Regierung in Berlin der Ausstieg aus dem Atomkonsens.

Dass der Atommeiler, der nach einem Störfall Anfang Juli vom Netz ist, für besondere Ängste sorgt, zeigt eine Protestaktion zwei Tage nach dem Wahlsonntag: Atomkraftgegner besetzten eine Schleuse, als einer der alten Transformatoren vom Kraftwerksgelände transportiert werden sollte. "Vor der Wahl hat Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Carstens immer gesagt, er wolle Krümmel einer besonders harten Prüfung unterziehen", sagt ein Anwohner. "Ich hoffe, dass diese Haltung nach der Wahl anhält." Auch die künftig voraussichtlich mitregierende Landes-FDP hatte sich im Wahlkampf für den Ausstieg aus der Atomkraft ausgesprochen. Sie fordert, Reststrommengen aus Krümmel und Brunsbüttel auf Brokdorf zu übertragen. Die Entscheidung darüber obliegt Vattenfall.

Laut Atomkonsens hat der Siedewasserreaktor Brunsbüttel, der nach einem Störfall seit Juni 2007 abgeschaltet ist und frühestens Ende des Jahres wieder Strom liefern wird, eine Restlaufzeit von 22 Monaten. Krümmel, ebenfalls ein Siedewasserreaktor und seit 1984 am Netz, darf noch bis mindestens 2018 produzieren. Nach dem Atomgesetz bleibt der Landesregierung, die die Atomaufsicht für das Atomkraftwerk hat, kaum Spielraum. Der jüngste Störfall gilt als geringfügig.

Derzeit laufen die technischen Arbeiten. "Die beiden Maschinen-Transformatoren sind weg. Jetzt laufen die Vorbereitungen für den Bau der neuen Trafo-Häuser", sagt Vattenfall-Sprecherin Barbara Meyer-Bukow. Im Frühjahr 2010 sollen beiden Transformatoren ausgetauscht sein. Auch die Überprüfung des defekten Brennelements sei abgeschlossen, ein Brennstab sei ersetzt worden. "Die Ursache für den Schaden ist noch unklar", so die Vattenfall-Sprecherin. Das zu klären sei aber keine Voraussetzung für das Wiederanfahren.

Parallel zur technischen Überprüfung läuft eine von der Landesregierung in Auftrag gegebene juristische Überprüfung. Es geht um die Frage, ob der Atomkonzern zuverlässig ist. Der Kieler Verwaltungsjurist Wolfgang Ewer, der die aufwendige Prüfung macht, hat aber bereits deutlich gemacht, wie schwierig das Einkassieren der Atom-Lizenz ist.

Unter der neuen politischen Konstellation in Berlin wird zudem eher eine Liberalisierung des Atomrechts erwartet. Die CDU hatte sich zuletzt immer wieder für Atomenergie als Brückentechnologie ausgesprochen.

Auf der anderen Seite der Elbe sagt Sabine Brosowski, stellvertretende Vorsitzende der Bürgerinitiative gegen Leukämie in der Elbmarsch und SPD-Abgeordnete im Kreis Harburg: "Ich bin skeptisch, wie die neue Regierung mit den Gefahren der Atomkraft umgehen wird." Immerhin hat das Land Niedersachsen gerade beschlossen, die Ergebnisse einer neuen Studie zu prüfen, nach der das Leukämierisiko für Kinder im Umkreis von Atomkraftwerken um bis zu 24 Prozent steigt. Trotzdem bleibt Brosowski skeptisch: "Für unsere Sache sieht es nicht gut aus."