In der Sammelunterkunft für Asylbewerber aus Hamburg gibt es seit sieben Tagen einen Hungerstreik. Ein Ortstermin in Mecklenburg.

Nostorf. Ali Reza Samari, 25, sieht nicht gut aus. Er hat tiefe Ringe unter den Augen, seine Stimme klingt schleppend. "Ich halte mich mit Gewalt auf den Beinen", sagt er. Vor sieben Tagen ist der junge Mann aus Afghanistan in den Hungerstreik getreten. "Ich bin hierhergekommen, um etwas zu lernen, etwas aus unserem Leben zu machen", übersetzt ein Landsmann. Die anderen um ihn herum nicken. Einen Monat habe er im Aufnahmelager bleiben sollen, inzwischen sei er schon fast einen Monat länger da. "Wir wollen auf die Städte verteilt werden, unser Leben selbst in die Hand nehmen." 15 andere Asylbewerber haben sich inzwischen mit ihm solidarisiert.

"Abschiebelager abschaffen" steht auf einem Spruchband am Zaun der Zentralen Sammelunterkunft im mecklenburgischen Nostorf/Horst. Früher waren auf dem Gelände DDR-Soldaten untergebracht, jetzt warten hier 377 Flüchtlinge auf den Fortgang ihrer Verfahren. Per Vertrag ist geregelt, dass auch die Hamburger Innenbehörde dort Asylbewerber unterbringt. Derzeit sind es 111. Immer wieder hatten Flüchtlingsinitiativen die Gemeinschaftsunterkunft etwa 60 Kilometer östlich von der Hansestadt kritisiert. Der Hungerstreik sorgt nun für neue Aufregung. Gestern reisten Vertreter der Hamburger Innenbehörde, Bürgerschaftsabgeordnete sowie Vertreter der Flüchtlingsräte und der Nordelbischen Kirche auf Einladung des Innenministeriums Mecklenburg-Vorpommern zum Ortstermin an. Während Aktivisten von Flüchtlingsvereinen vor den Toren protestieren und die Schließung des Lagers forderten, versuchten sich die Verantwortlichen ein Bild von der Situation zu verschaffen.

Die Kritik richtet sich vor allem gegen die abgeschiedene Unterbringung in der Gemeinde, in der nur selten ein Bus in die nahe gelegenen Städte Lauenburg oder Boizenburg fährt. Die Flüchtlinge, die aus 20 Nationen stammen, beklagen zudem schlechtes Essen und fordern Kochmöglichkeiten. Auch sei die medizinische Versorgung unzureichend. So berichtet eine junge Frau aus Somalia, die im fünften Monat schwanger ist, dass sie erst ein Mal von einem Frauenarzt untersucht worden sei. Aus Sicht von Franz Forsmann vom Flüchtlingsrat Hamburg ein unhaltbarer Zustand. "Die Menschen werden hier in Isolation gehalten, weil sie sowieso abgeschoben werden sollen."

Thomas Lenz (CDU), Staatssekretär im Schweriner Innenministerium, wies die Vorwürfe gestern zurück. "Eine menschenwürdige Unterbringung ist gewährleistet", sagte er beim Rundgang über das Gelände. Präsentiert wurden eine Krankenstation, in der zwei Krankenschwestern arbeiten. Eine Ärztin hält derzeit an zwei Vormittagen in der Woche eine Sprechstunde ab. "Wir bemühen uns gerade um einen weiteren Arzt", sagte der Leiter der Unterkunft, Wolf-Christoph Trzeba. Es sei allerdings nicht einfach, jemanden zu finden. In der Mensa mit 180 Plätzen, in der sich zeitweilig lange Schlangen bei der Essensausgabe gebildet hatten, soll nach Protesten eine zweite Ausgabestelle eingerichtet werden.

Immer wieder in der Kritik hatte in den vergangenen Tagen die Dauer des Aufenthalts in dem Lager gestanden - und dass inzwischen auch Familien mit schulpflichtigen Kindern aus dem Hamburger Kontingent dort leben. Aus Sicht des Linken-Bürgerschaftsabgeordneten Mehmet Yildiz ein klarer Bruch des schwarz-grünen Koalitionsvertrags. "Das ist eine Notmaßnahme", sagte der Chef des Zentralen Einwohnermeldeamts, Ralph Bornhöft. Seit Juni seien deutlich mehr neue Flüchtlinge nach Hamburg gekommen, die nicht alle in der Stadt untergebracht werden könnten. "Aber anders als behauptet haben wir keinen Fall, im dem die Drei-Monate-Frist überschritten wurde."