Mutmaßlicher Mörder eines Wedeler Taxifahrers steht von morgen an vor Gericht. Er soll den 58-Jährigen mit drei Schüssen getötet haben.

Wedel/Hamburg. Die Christian-F.-Hansen-Straße in Hamburg-Nienstedten ist eine gepflegte Wohnstraße mit großen Gärten, prächtigen Villen und luxuriösen Wohnungen. Ein Idyll direkt an der Elbe. Der Internationale Seegerichtshof liegt um die Ecke. Ein gutes Pflaster, jedenfalls kein Ort, an dem Schauergeschichten wahr werden. Eigentlich. Anwohner berichten später, dass die Zahl der Einbrüche zugenommen hat. Aber ein Mord? "Nein, den gab es noch nicht", sagt eine Nachbarin.

Bis zum 15. Januar. Es ist ein bitterkalter Tag. In diesem strengen Winter mit seinen vereisten Straßen kracht es häufig. Ein Taxi ist auf der Christian-F.-Hansen-Straße mit einem geparkten Auto zusammengestoßen, der Motor läuft und das Warnblinklicht leuchtet. Als eine Gruppe Schüler vorbeigeht, sehen sie hinter dem Steuer einen blutüberströmten Mann . Eine andere Passantin denkt zunächst an einen Unfall, als sie die Polizei alarmiert.

Der Mann hinter dem Steuer heißt Peter Lüchow, ein Taxifahrer aus Wedel, 58 Jahre alt. Ein Einzelkämpfer im Taxigewerbe. Einer, der auf eigene Rechnung gefahren ist und keiner Funkzentrale angeschlossen war. Als die Notärzte eintreffen, ist Lüchow längst tot. Die Windschutzscheibe ist an einer Stelle durchlöchert - ein Projektil hat erst seinen Schädel, dann die Scheibe von innen durchschlagen. Der Mann ist erschossen worden.

Sein mutmaßlicher Mörder steht von morgen an vor dem Landgericht, die Anklage gegen Rilwan C., 24, lautet auf heimtückischen Mord. Nach Ermittlungen der Staatsanwaltschaft war der junge Mann am S-Bahnhof Blankenese gegen 22 Uhr in das Mercedes-Taxi eingestiegen und hatte auf der Rückbank Platz genommen. Eigentlich, so die Staatsanwaltschaft, habe er sich für einen Spaziergang zur Elbe fahren lassen wollen. Doch dazu kam es nicht: Der Fahrgast richtete eine Pistole, Kaliber neun Millimeter, auf den völlig arglosen Taxifahrer, dann drückte er ab - möglicherweise während der Fahrt. Dreimal feuerte er in den Hinterkopf.

Die Anklagebehörde geht davon aus, dass Rilwan C. im Zustand der Schuldunfähigkeit handelte. "Eine Begutachtung hat ergeben, dass er unter einer paranoiden Schizophrenie und einer kombinierten Persönlichkeitsstörung leidet", sagt Wilhelm Möllers, Sprecher der Staatsanwaltschaft. Als Motiv gab Rilwan C. dem Gutachter gegenüber an, Stimmen hätten ihm befohlen: "Drück ab." Im Falle einer Verurteilung drohe ihm eine dauerhafte Unterbringung in der Psychiatrie. "Wir gehen davon aus, dass er eine erhebliche Gefahr für die Allgemeinheit darstellt", so Möllers. Für einen Raubmord gebe es keine Anhaltspunkte. "Der Taxifahrer war zur falschen Zeit am falschen Ort. Es hätte jeden treffen können." Weil Rilwan C. gegenüber den Ermittlern die Tat abstritt, geht die Anklage von einer umfangreichen Beweisaufnahme aus - allein 25 Zeugen sind geladen.

Auf die Spur brachten die Polizei damals Aufzeichnungen von Überwachungskameras. Sie zeigten Rilwan C. kurz vor der Tat am Bahnhof Blankenese und kurz danach am Bahnhof Groß Flottbek - die Station liegt in der Nähe des Tatorts. Am 29. Januar nahmen Beamte des Mobilen Einsatzkommandos (MEK) den 24-Jährigen in einer Wohnung in Hasselbrook fest, wo er mit seiner Mutter und seinen zwei Schwestern zusammengelebt haben soll. Dabei fanden sie auch die Jacke, die er am Tag der Tat getragen haben soll - ihr hafteten zahlreiche belastende Spuren an.

Zudem entdeckten sie ein halb automatisches Sturmgewehr, das er aus der Schweiz nach Deutschland gebracht haben soll - deshalb muss sich Rilwan C. auch wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz verantworten. Angeblich war der wegen mehrerer Raubtaten polizeibekannte Mann kurz vor der Tat aus seiner Heimat Sri Lanka zurückgekehrt, wo er seine Freundin geheiratet hatte.

Die Taxiverbände reagierten damals geschockt auf den Mord an Peter Lüchow, der vier erwachsene Söhne hinterlässt. In einem Trauer-Konvoi von Nienstedten nach Blankenese gedachten 100 Taxifahrer Ende Januar ihres ermordeten Kollegen.