Rebellische Kunden aus Lüneburg schmettern vor dem Amtsgericht Nachzahlungs-Forderungen von E.on erfolgreich ab.

Lüneburg. Der Energiekonzern E.on -Avacon könnte auf Einnahmen im sechsstelligen Bereich verzichten müssen. Hunderte Kunden hatten in den vergangenen Jahren gegen Erhöhungen des Gaspreises Widerspruch eingelegt. Im Zuge einer bundesweiten Klagewelle hat E.on -Avacon rund 200 Verfahren gegen Kunden in Lüneburg eingeleitet. Bei mindestens 50 scheiterte der Konzern in der ersten Instanz.

Anfangen hat die Prozessflut bereits 2005, sagt Silke Jaspert, stellvertretende Sprecherin der Interessengemeinschaft Energiepreise Lüneburg (Igel). Damals gab es in Lüneburg keinen anderen Anbieter von Erdgas als E.on-Avacon. Dessen Monopolstellung sowie regelmäßigen Preiserhöhungen ließ einige Lüneburger eine Initiative gründen: die Igel.

"Unser Ziel war es, aufzuklären, zu informieren und den Kunden eine Alternative zu beschaffen", sagt Jaspert. Die sich selbst Energie-Rebellen nennenden E.on-Kunden rieten ihren Mitgliedern, Preiserhöhungen nicht zu bezahlen und Belege dafür einzufordern, wie der Gas-Preis berechnet und warum er erhöht worden ist.

2006 setzte sich eine wahre Prozesswelle in Gang: Kunden widersprachen der Preisgestaltung des Konzerns, zahlten bei Erhöhungen in den Folgejahren weiterhin lediglich den Preis von 2006. Seit 2008, sagt Silke Jaspert, schickte E.on-Avacon Mahnbescheide an die säumigen Zahler, forderte ausstehende Beiträge an. Wer nicht zahlte, bekam eine Klage in den Briefkasten.

Die Hälfte der Verfahren, rund 100, betreut Silke Jaspert als Anwältin. Seit 2006 beschäftigt sich die 46-Jährige mit Energierecht, "weil mich das Monopol schockiert hat und furchtbar ärgert".

Über das Mietrecht ist die Juristin zum Energierecht gekommen, nachdem die starken Preiserhöhungen um das Jahr 2007 herum ihren Angaben zufolge vielen Mietern finanziell das "Genick gebrochen" haben. "Viele mussten wegen Energie-Nachzahlungen in die Privatinsolvenz", sagt Jaspert. "Dabei sind Wasser und Energie lebensnotwendig. Wenn man sich das nicht mehr leisten kann, hängt irgendetwas schief."

50 Verfahren hat Jaspert gegen E.on-Avacon bereits in erster Instanz vor dem Amtsgericht Lüneburg gewonnen, die übrigen laufen noch. Erfolgreich war die Verbraucherschutzanwältin, weil in den Verträgen laut Jaspert unwirksame Preisanpassungsklauseln stehen: E.on-Avacon formuliere darin, Preise erhöhen zu dürfen, nennt aber keine konkreten Summen und Gründe. "Das ist einem Monopolisten nicht erlaubt", so Jaspert. "Er muss seine Preise begründen und vom Weltmarkt abhängig machen." Sinke der Ölpreis, dann müsse E.on seinen Gaspreis senken.

Um Beträge zwischen 600 und 3000 Euro geht es laut Jaspert in den Verfahren. Im Durchschnitt seien es 1000 Euro - plus Anwalts- und Gerichtskosten. In allen 50 vor dem Amtsgericht verlorenen Fällen hat E.on-Avacon Berufung eingelegt, die Klagen werden ab Anfang August vor dem Landgericht verhandelt.

"Wir sind guter Dinge, weil die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eindeutig ist", sagt Jaspert. "Wenn eine unwirksame Klausel im Vertrag steht, dürfen die Preise nicht angehoben werden."

Auch gegen E.on-Hanse war Jaspert im Januar in 57 Fällen erfolgreich: Das Amtsgericht Winsen/Luhe wies die Klagen von E.on-Hanse ab oder sprach dem Konzern Geld lediglich deswegen zu, weil die Kunden sich bei den Kürzungen verrechnet hatten.

Für E.on-Avacon sind die Entscheidungen des Amtsgerichts "nicht nachvollziehbar", sagt Sprecherin Carolin Westermann. Es sei um einen "rein formalen Aspekt" gegangen. "Wir sind weiterhin fest davon überzeugt, dass unsere Preisanpassungen in den vergangenen Jahren angemessen, also sachlich richtig und begründet, waren."

Die Forderungen geltend zu machen, sei auch im Interesse der Kunden geschehen, die ihre Rechnungen ohne Kürzungen gezahlt haben. Die von "Igel" genannten Fallzahlen träfen nicht zu. Wie viele es tatsächlich sind, wollte Westermann jedoch nicht sagen. Die Regelungen in den neuen Verträgen entsprächen den Vorgaben des Bundesgerichtshofs.