Mit Literaturtipps zum Fest stimmen Autoren der Abendblatt-Ausgaben Harburg, Lüneburg und Stade auf die besinnliche Zeit ein.

Hamburg. Die Eltern zu überlisten, ist einer der größten Triumphe, die Kinder feiern können. Dieses innere Feuerwerk steht oft eng in Verbindung mit den ersten Leseerlebnissen. Kinder neigen ja dazu, sich nach dem Gutenachtkuss die Bettdecke über den Kopf zu ziehen, die Taschenlampe anzuknipsen und bis spät in die Nacht in einem viel zu spannenden Buch zu schmökern, das den Adrenalinspiegel ordentlich nach oben treibt. Bleibt das Unterfangen von Mama und Papa unbemerkt, kann das Kind den ersten Siegeszug gegen die regelgeschwängerten Eltern einfahren. Und es hat doch was, unter der Bettdecke wortweise mit Pippi, Harry oder den drei??? auf Abenteuer zu gehen.

Doch viele Kinder werden nie erfahren, wie viel Spaß es macht, Verbote auf diese Art und Weise zu brechen. Sie wollen gar nicht lesen. Warum? Weil die Eltern keine Vorarbeit geleistet haben. Denn 42 Prozent der deutschen Eltern lesen ihren Kindern nur gelegentlich oder nie vor. Schade. Das Vorlesen ist der erste Schritt, um den Nachwuchs an das selbstständige Lesen heranzuführen. Diese Kinder werden vielleicht nie erfahren, welch' schöne Welten die Bücher in ihrem Kopf entstehen lassen. Zudem kamen die Stiftung Lesen, die Wochenzeitung Die Zeit und die Deutsche Bahn in ihrer diesjährigen Vorlesestudie zu dem Ergebnis, dass Kinder und Jugendliche, denen vorgelesen wurde, mehr Freude an Bewegung und musisch-kreativen Aktivitäten haben.

Das heißt nicht, dass vorlesefaule Eltern nur übergewichtige und dumme Menschen heranziehen. Aber die repräsentative Befragung von Zehn- bis 19-Jährigen beweist: Je häufiger die Eltern ihren Kindern vorlesen, desto größer ist die Chance, dass dieses Kind in der Gesellschaft besser zurechtkommt.

+++Stadt der Diebe+++

+++Das Chamäleon+++

+++Haltet Euer Herz bereit+++

+++Strahlender Morgen+++

+++Tausend Sonnen+++

+++Besteigung einer Treppe+++

+++Die große Welt+++

Klingt banal, ist es aber nicht. Das bestätigt auch Ulrike Mensching, Leiterin der Buxtehuder Stadtbibliothek. "Beim Erwerben der Lesefähigkeit durch das Vorlesen geht es in erster Linie um das Textverständnis, um das schnelle Erfassen von Inhalten, also darum, einen Text schnell verstehen zu können", sagt die 45-Jährige. "Und diese Fähigkeit begleitet die Menschen ein Leben lang. Es geht also nicht nur um gute Schulnoten."

Selbst wer sich lesend durch das Kinder- und Jugendalter gebracht hat, kann später zum Buchmuffel mutieren. Wenn die Kneipenszenen entdeckt werden wollen, sind Leseratten abgemeldet. Sesselpupser, Langweiler, frotzeln die Kumpels über Buchliebhaber, die es sich auf der Couch mit einem Buch gemütlich gemacht haben.

Aber man muss ja nicht gleich zum Außenseiter werden. Es gibt inzwischen so viele Gelegenheiten, das Geschriebene in Gesellschaft zu entdecken. Das geht relativ hippiesk: Poetry Slams, bei denen sich die Interpreten ihren Schlagabtausch liefern, sind gute Gründe, das Haus mit Freunden zu verlassen und sich dennoch wortreichen Einfällen zu widmen. Gern genommen ist auch die literarische Stadtführungsunterhaltung "...Die Wahrheit über...", bei dem der Hamburger Schriftsteller Sven Amtsberg mit wechselnden Autoren durch Hamburger Stadtteile zieht und allerlei Lügen verbreitet.

Nun, da sich diese kleine Geschichte über das Lesen dem Ende neigt, bleibt nur noch die obligatorische Frage, ob es das Buch in Zukunft noch geben wird. Schließlich wurde schon vor Jahren prophezeit, dass das E-Book die herkömmliche Lektüre ablösen wird.

Für diejenigen, die das Geräusch beim Umblättern lieben, die gerne den Geruch von Leim und Druckerschwärze einsaugen, hier eine Beruhigungspille: Nach einer Studie des Marktforschungsunternehmens GfK aus diesem Jahr werden sich die elektronischen Varianten in absehbarer Zeit nicht zu einer echten Konkurrenz für gedruckte Bücher entwickeln. Derzeit bekunden deutliche 78 Prozent der Deutschen, dass sie Bücher nicht auf einem Bildschirm oder Display lesen wollen. Doch Achtung: Im Jahr 2009 lehnten das noch 83 Prozent ab.

Wie dem auch sei. Solange sich die Menschen füreinander interessieren, wird es Geschichten über sie geben - ob auf Papierseiten oder auf E-Books. (abendblatt.de)