Lena Thiele: Während ein Hochseilläufer langsam und sicher zwischen den Dächern von New York balanciert, ereignen sich unten in der Welt lauter kleine menschliche Dramen.

Mit sicheren Schritten spaziert auch der Autor durch New York und blickt rechts und links auf seine Figuren, deren Geschichten an diesem Tag im August 1974 zusammenlaufen. Zwischen den Häuserschluchten entdeckt er Prostituierte, einen Richter und eine trauernde Mutter in ihrem edlen Apartment. Sein roter Faden, der Seilläufer, blitzt nur am Rande auf und erinnert eher an einen Sicherheitshandlauf fürs dramaturgische Gerüst.

Trotzdem sind die einzelnen Erzählungen, deren Protagonisten stets zwischen Hoffnung und Hoffnungslosigkeit schwanken, äußerst lesenswert. McCann gelingt es, Figuren entstehen zu lassen, deren Sprachlosigkeit angesichts ihrer persönlichen Katastrophen die Stille dieses seltsamen Sommertags den Leser förmlich spüren lässt.

Colum McCann: Die große Welt, Rowohlt, 19,90 Euro