Lüneburger Abgeordnete appellieren an Bund und Land, Castor-Transport nach Gorleben abzusagen und rufen Bürger auf, zu demonstrieren.

Lüneburg. Der neue Lüneburger Kreistag fordert von der Bundes- und der Landesregierung, den bevorstehenden Castor-Transport nach Gorleben abzusagen. Auch ermuntert der Kreistag die Bürger, friedlich gegen den Atommülltransport zu demonstrieren. Dafür sprach sich eine große Mehrheit bei der konstituierenden Sitzung in der Ritterakademie aus.

Auch wenn der nächste Zug mit elf Castoren bereits auf die Schienen gesetzt ist und heute seine Fahrt von der Wiederaufarbeitungsanlage La Hague in Frankreich ins Zwischenlager Gorleben starten soll, plädierte der Kreistag am Montag für einen Transport-Stopp.

"Da eine ergebnisoffene Endlagersuche vom Bund zugesagt wurde, ist das Risiko, dem die Bewohner des Landkreises durch An- und späteren Abtransport unnötig ausgesetzt werden, mit der staatlichen Fürsorgepflicht nicht vereinbar", hieß es in einem Antrag der rot-grünen Mehrheitsgruppe. Außerdem soll ein Katastrophenschutzplan für einen möglichen Unfall mit den Castoren erarbeitet werden.

Es werden, so argumentierten SPD und Grüne, nach den Messungen des Landesbetriebs für Natur-, Wasser- und Küstenschutz (NLWKN) die Eingriffs- und Grenzwerte für die Strahlenbelastung des Zwischenlagers bereits in diesem Jahr erreicht, sodass die Aufnahme von elf weiteren Castoren nach der Strahlenschutzverordnung zu verweigern ist. Zudem berichteten gestern Medien von einem Vermerk der Gesellschaft für Reaktorsicherheit (GRS) in Köln. Dieser und eine Ausarbeitung des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages legen demnach nahe, dass es bei der Bewertung der unterschiedlichen Messwerte am Zaun des Zwischenlagers Unsicherheiten gibt. Die Einlagerung des Atommülls hätte daher möglicherweise nicht genehmigt werden dürfen.

Während der Kreistagsdebatte sagte Miriam Staudte (Grüne), nie zuvor habe es wegen der möglichen Grenzwertüberschreitung so viele rechtliche Bedenken gegen einen Castor-Transport gegeben. "Deshalb hätte Umweltminister Hans-Heinrich Sander die Genehmigung zurücknehmen müssen", so die Abgeordnete.

Laut Staudte deutet sich an, dass der Castor-Zug erneut im Landkreis Lüneburg einen Zwischenstopp einlegen könnte. "Es gibt Hinweise darauf, der Bahnhof in Dahlenburg wurde schon wieder mit Natodraht eingezäunt."

Beim Transport im vergangenen Jahr stand der Castor zwölf Stunden lang still, direkt an einem Wohnhaus an den Gleisen im Ort Lemgrabe bei Dahlenburg. "Der Katastrophenschutz im Landkreis ist für so etwas nicht ausgebildet", sagte Frank Stoll (Die Linke).

Die rot-grüne Mehrheitsgruppe betonte in ihrem Antrag, dass sich Situationen wie in Lemgrabe nicht wiederholen dürften. Anwohnern hätten bei dem außerplanmäßigen Halt keine zuständigen Ansprechpartner zur Verfügung gestanden, und ein Messteam von Greenpeace sei zunächst nicht auf das Grundstück der Betroffenen gelassen worden.

Alexander Blume, Fraktionschef der CDU, sagte, der Antrag sei nichts anderes als Panikmache der Linken und Aktionismus der rot-grünen Gruppe. "Uns fehlt dafür das Verständnis. Wir benötigen keinen Beschluss des Kreistages, weil er folgenlos bleiben wird", so Blume. Vielmehr müsse im zuständigen Fachausschuss darüber gesprochen werden, wie die Bürger nicht nur vor radioaktiven, sondern auch vor biologischen und chemischen Stoffen geschützt werden können.

Andrea Schröder-Ehlers (SPD) sagte, sie wundere sich über die kritischen Worte Blumes. "Selbst Ministerpräsident David McAllister von der CDU hat mehrfach die Castor-Transporte nach Gorleben beklagt und sich für ein neues Endlagerkonzept eingesetzt", so die Landtagsabgeordnete aus Reppenstedt. Sie sagte, die Endlagersuche stehe vor einem neuen Beginn. "Wir benötigen jetzt politische Signale, dass wir Gorleben nicht als Atomklo wollen. Denn bundesweit wird auf unsere Region geschaut."