Das Land Niedersachsen hat die Schulzeit an Gymnasien um ein Jahr verkürzt, in diesem Frühjahr wird ein doppelter Abiturjahrgang die Gymnasien verlassen. Viele der Abiturienten streben zur weiteren beruflichen Orientierung ein freiwillig soziales oder ökologisches Jahr bei gemeinnützigen Institutionen im In- und Ausland an.

Lüneburg. Doch möglicherweise werden nicht alle von ihnen untergebracht werden können.

"Schon im vergangenen Jahr gab es in Hamburg einen Doppelabiturjahrgang. Damals hatten wir 1/3 mehr Bewerbungen als in den Vorjahren", sagt Astrid Königstein, Pressesprecherin der Bundesstelle des allgemeinen Samariter Bundes (ASB) in Bonn. Der ASB hatte bisher keine Probleme, die steigende Zahl von Interessenten unterzubringen. In diesem Jahr könnte es schwieriger werden.

"Im Bereich Naturschutz gab es schon im vergangenen Jahr 1300 Bewerber für 350 Plätze. Die Konkurrenz wird steigen, denn die Plätze sind auch aus Kostengründen beschränkt. Hinzu kommt, dass wir in diesen Monaten den Bundesfeiwilligendienst, der den Zivildienst ablöst, organisieren. Die Strukturen dafür entstehen gerade erst, es fehlt teilweise an Ausführungsbestimmungen. Auch das verschärft die Situation", sagt Ralf Schulte vom Bund für Natur und Umweltschutz (BUND) in Berlin.

Rund 100 000 Schüler, rund ein Fünftel mehr als in den Jahren zuvor, werden insgesamt in diesem Frühjahr die allgemein bildenden Schulen verlassen - das erwartet das niedersächsische Ministerium für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit in Hannover. Ersten Schätzungen des Ministerium zufolge werden sich rund 30- bis 40 000 Schulabgänger für einen freiwilligen Einsatz im sozialen oder ökologischen Bereich interessieren. Niedersachsenweit standen für das freiwillige soziale Jahr (FSJ) im Jahr 2009 allerdings nur rund 2000 Plätze zur Verfügung.

"Die Zahl der Bewerber und die Zahl der Stellen passen in unserem Bereich nicht zueinander. Hinzukommt, dass viele Landesorganisationen, die Stellen im freiwilligen ökologischen Jahr anbieten, zunächst einmal nur auf ihre Plätze vor Ort schauen. Was darüber hinaus im Bereich des neuen Bundesfreiwilligengesetzes möglich wäre, haben viele noch nicht auf den Plan", sagt Ralf Schulte vom Bund für Umwelt und Naturschutz (Bund).

Wer als Schulabgänger also in diesem Jahr entweder in einer ökologischen Maßnahme oder im sozialen Bereich in Altersheimen, Behinderteneinrichtungen oder Krankenhäusern aktiv werden möchte, sollte sich so früh wie möglich bewerben. "Die Bewerbungen kommen in jedem Jahr ein bisschen später. Vor allem Abiturienten kümmern sich erst einmal um einen Studienplatz und warten die Entscheidung der Uni ab. Viele nehmen sich Zeit und loten alle Möglichkeiten aus, bevor sie sich endgültig entscheiden", sagt Ralf Schulte. Vor allem die minderjährigen Bewerber für eine Maßnahme im FSJ oder FÖJ können dabei allerdings ihren zukünftigen Einsatzort nicht frei wählen. Plätze im Ausland werden von den Trägern für junge Leute unter 18 Jahren nicht angeboten.

"Das hat handfeste Gründe. Es geht um die Haftung und um die Wahrnehmung der Aufsichtspflicht für die Minderjährigen", sagt Martin Schulze, Sprecher des Bundesarbeitskreises für das freiwillige soziale Jahr in Hannover. In dem Arbeitskreis haben sich verschiedene Wohltätigkeitsorganisationen wie das Deutsche Rote Kreuz, die AWO und die evangelischen Kirchen zusammengeschlossen, um über das FSJ zu informieren und Einsatzstellen zu vermitteln. Wer ins Ausland geht, sollte volljährig sein. "Uns ist bekannt, dass aufgrund der Verkürzung der gymnasialen Schulzeit mehr Minderjährige die Schulen verlassen. Wir können aber leider nicht alle Angebote für sie passend machen. Das liegt auch daran, dass die jungen Leute immerhin ein Jahr ins Ausland gehen - da haben sie vielleicht Sprachprobleme oder Heimweh. Sie treffen auf eine völlig andere Kultur, ohne ständig eine vertraute Begleitpersonen an der Seite zu haben", sagt Martin Schulze. "Was möglich ist, sind befristete Auslandcamps mit Begleitung, die dauern keine zwölf Monate", ergänzt er.

Glück gehabt bei der Wahl ihres Einsatzortes hat Charlotte Dannehr, Abiturienten aus Lüneburg. Kurz vor Antritt ihres freiwilligen sozialen Dienstes wird sie 18 Jahre alt und kann deshalb wie gewünscht ins Ausland gehen. "Ich werde in Frankreich in einer Behinderteneinrichtung arbeiten. Nach meiner Rückkehr möchte ich studieren und Französischlehrerin werden", sagt sie überzeugt.