Die Laufzeitverlängerung für das Atomkraftwerk Krümmel sorgt für eine schlechte Stimmung bei den Bewohnern in der Elbmarsch.

Marschacht. Graue Wolken hängen tief über der Elbmarsch. Es ist trüb und ungemütlich. Das Wetter spiegelt das Seelenleben der meisten Menschen in den Dörfern wider, die täglich das Atomkraftwerk Krümmel auf der anderen Seite der Elbe vor Augen haben. Dass der Reaktor nach dem Willen der schwarz-gelben Bundesregierung jetzt 14 Jahre länger bis 2033 laufen darf, erzürnt viele. Der Atomausstieg, der unter der ehemaligen rot-grünen Bundesregierung mit den Energiekonzernen geschlossen wurde, hatte festgelegt, dass Krümmel bereits 2019 endgültig abgeschaltet werden muss. Zurzeit ist das Kernkraftwerk nach einer Pannenserie nicht am Netz.

Die Rundschau hat sich umgehört, wie die Elbmarsch-Bewohner die aktuelle Laufzeitverlängerung beurteilen und traf dabei auf eine Stimmung zwischen Wut und Verzweiflung.

Stefan Wegner (32) aus Marschacht, eigentlich ein Fan der Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), ist alles andere als glücklich mit der jüngsten Entscheidung im fernen Berlin. "Die Politik wurde von der Industrie gesteuert", so der Kommentar des Familienvaters. Wenn es nach ihm ginge, müsste der Reaktor schleunigst abgeschaltet werden. Wegner zweifelt an der Sicherheit der Kernenergie: "Tschernobyl hat uns doch gezeigt, dass sie nicht sicher ist. Das gilt auch für Krümmel."

Zweifel treiben auch Jacqueline Lüger aus Geesthacht um: "Ich habe kein Vertrauen, weil der Mensch fehlbar ist und damit eine Technik nie zu 100 Prozent sicher sein kann." Sie wünscht sich, dass das Kernkraftwerk abgeschaltet bleibt: "Dann wäre mir wohler. Es ist einfach kein gutes Gefühl, in der Nähe eines Atomkraftwerkes zu wohnen." Sie sei ganz entschieden dafür, Energie aus Sonne, Wind und nachwachsenden Rohstoffen zu gewinnen. "Wir müssen umschwenken und zwar schneller als es bisher geschehen ist", fordert die 46-Jährige.

Das sieht auch Miriam Schmidt-Schellong (42) aus dem Tesper Ortsteil Avendorf so: "Ökostrom funktioniert doch. Die Laufzeitverlängerung ist ein Rückschritt in der Energiepolitik. Es gibt genug alternative Kapazitäten." Ihrer Ansicht nach habe die Bundesregierung am Willen der Menschen vorbei entschieden: "Ich bin frustriert und enttäuscht darüber, dass die Atomlobby mit ihrem vielen Geld gewonnen hat."

Insbesondere vor dem Hintergrund der vielen Leukämie-Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen in der Elbmarsch sei die Entscheidung der Bundesregierung schlecht: "Es gibt viele Ungereimtheiten und aufgeklärt ist immer noch nichts. Dabei war Zeit genug dafür. Wir werden verarscht, denn mit den radioaktiven Kügelchen wurden genug Hinweise auf eine Ursache gefunden." Sie glaubt, von dem Kernkraftwerk auf der anderen Seite der Elbe gehe permanent Gefahr aus.

Manuela Barney (38) aus Tespe, sagt zwar, Angst vor dem "potthässlichen" und "bei Dunkelheit gruselig wirkenden Atomkraftwerk" habe sie nicht. Andererseits sei es schon erschreckend, dass es immer wieder Störfälle gebe.

Ähnlich empfindet es auch Angelika Kröppelin (50) aus Marschacht. "Ich bin immer nur beruhigt, wenn der Reaktor abgeschaltet ist", gesteht sie. Daher lehnt auch sie die Entscheidung für eine Laufzeitverlängerung ab: "Es besteht jederzeit ein Sicherheitsrisiko. Selbst die kleinste Panne im Kraftwerk darf eigentlich nicht passieren und doch kommt es immer wieder zu welchen." Vertrauen in den Krümmel-Betreiber Vattenfall habe sie jedenfalls nicht. Denn es gehe der Atomenergie nur um eines: "Geld regiert die Welt."

Die ungeklärten Leukämiefälle haben auch bei Angelika Kröppelin zu einem Vertrauensverlust gegenüber der Kernenergie beigetragen. "Da war etwas. Es wird ein Zwischenfall totgeschwiegen", glaubt die Marschachterin. Sie verdächtige aber mehr noch als das Atomkraftwerk den inzwischen abgeschalteten GKSS-Forschungsreaktor als mögliche Ursache für das Leukämiecluster in der Elbmarsch.

Die Stimmung von Samtgemeindebürgermeister Rolf Roth (SPD) ist ebenso schlecht wie die der Bürger. "Ich hatte gehofft, dass es nicht zur Laufzeitverlängerung kommt", sagt er. Zumal ihn schon die Vereinbarung zum Atomausstieg aus Rot-Grünen Zeiten geärgert hatte. "Grundsätzlich ist ein Atommeiler nicht vom Menschen zu steuern. Wo sie arbeiten, passieren Fehler. Und die Vielzahl von Fehlerquellen, die schon im Normalbetrieb auftreten, ist beängstigend", sagt Roth. Die für ihn völlig unverständliche Laufzeitverlängerung bis 2033 kommentiert er mit den Worten: "Ich möchte nicht wissen, was bis dahin noch passieren könnte."

Für Roth mache die Entscheidung aus Berlin deutlich, dass die schwarz-gelbe Bundesregierung nicht mehr wüsste, was die Bürger denken: "Sie regiert am Volk vorbei, während die Industrie die Vorgaben macht." Er glaubt, die Wähler in der Elbmarsch werden die Laufzeitverlängerung bis zu den kommenden Wahlen nicht vergessen haben. "Dann müssen die Regierungsparteien mit einem Denkzettel rechnen."