Lauenburg. 13 Aufnahmen im historischen Kalender für 2024 zeigen alte Gasthäuser der Schifferstadt. Um sie ranken sich viele Geschichten.

Wer war der erste Tourismusmanager in Lauenburg? Es könnte Herzog Julius Heinrich gewesen sein. Immerhin legte der Landesfürst im Jahr 1656 den Grundstein für den Fremdenverkehr. Er erteilte dem ersten Lauenburger Gasthof das Privileg. Dem Wirt wurde auferlegt, „saubere Gemächer, Stuben, Kammern, Bett und Bettgewand, gesunde Lebensmittel, unverfälschte Biere, guten rheinischen Wein“ sowie „Hafer, Stroh und Raufutter“ bereitzuhalten. Außerdem sollte er den Adler zum Zeichen seines Gasthofes aushängen.

Das Gasthaus Stappenbeck führte deshalb während vieler Jahre den Namen „Goldener Adler“. Derzeit wird das Gebäude zu einem modernen Medienzentrum umgebaut. Ein Foto, das in den 1950er-Jahren entstanden ist, schmückt den druckfrischen Kalender 2024, herausgegeben vom Heimatbund und Geschichtsverein. Diesmal sind es Aufnahmen von Hotels und Gasthäusern, nach denen Vereinschef Manfred Marode das Archiv durchforstet hat. Die Texte zu den Monatsblättern hat Heimatforscher Horst Eggert verfasst, der so manche Geschichte zu den Kneipen erzählen kann.

Historischer Kalender zeigt Lauenburgs alte Gasthäuser und Hotels

Die erste Blütezeit der Lauenburger Gastwirtschaften war in den 1920er-Jahren“, weiß Horst Eggert. Wohlhabende Städter aus Hamburg kamen zur Sommerfrische und blieben oft über das Wochenende. Fünf Hotels gab es in dieser Zeit in Lauenburg. An der Alten Wache, wo heute die Raiffeisenbank steht, brannte am 1. Oktober 1924 das Hotel Zum weißen Schwan ab. Schon ein Jahr später eröffnete Gastwirt Paul Peters an dieser Stelle das Kurhotel. „Der Name war den Lauenburger Stadtvätern aber zu pompös. Deshalb sollte es Parkhotel heißen“, weiß Horst Eggert.

Dort soll übrigens mal eine sehr geschäftstüchtige Wirtin ausgeschenkt haben. Spätabends stellte die Wirtin ein Tischchen an die Tür und platzierte einen Köm darauf. Der als „Udel“ verspottete Beamte sollte eigentlich die Polizeistunde verkünden. Doch er war dem Köm nicht abgeneigt und gab gnädig ein paar Minuten zu. Das soll sich des Nachts so einige Mal wiederholt haben. Das Monatsblatt Dezember zeigt das Parkhotel, vor seinem Abriss Anfang der 1960er-Jahre.

Das Parkhotel um 1960. Das Hotel war eine gefragte Adresse von Künstlern aus Berlin. Der große Garten nahm die gesamte Fläche des heutigen ZOB ein.
Das Parkhotel um 1960. Das Hotel war eine gefragte Adresse von Künstlern aus Berlin. Der große Garten nahm die gesamte Fläche des heutigen ZOB ein. © Heimatbund | BGZ

Im Posthof gab’s Käsebrot, einen „Absacker“ und Fahrkarten

Im Alten Posthof an der Hamburger Straße betteten meist Kaufleute ihr müdes Haupt in die Kissen, die auf Handelsreise zwischen Hamburg und Berlin waren. Bevor die Autos ihren Siegeszug antraten, wurden im Alten Posthof die Pferde ausgespannt und versorgt. Nach Kriegsende diente das Gebäude den britischen Truppen als Unterkunft.

Später war der Posthof oft das Ziel von Nachtschwärmern auf einen „Absacker“ oder eine kleine Stärkung. „Im Posthof gab es keine Polizeistunde, weil hier auch Fahrkarten verkauft wurden. Oft haben wir noch ein Käsebrot beim Wirt namens König verspeist, ehe wir endlich nach Hause gingen“, weiß Horst Eggert zu berichten. Dem Posthof ist das Monatsblatt August gewidmet.

Im Gasthaus Zum Alten Schifferhaus wurde mit Beginn des 18. Jahrhunderts auch Bier gebraut. Diese Aufnahme stammt aus den 1920er-Jahren.  
Im Gasthaus Zum Alten Schifferhaus wurde mit Beginn des 18. Jahrhunderts auch Bier gebraut. Diese Aufnahme stammt aus den 1920er-Jahren.   © Heimatbund | Heimatbund

An den Lauenburger Stammtischen ging es oft zur Sache

Rätsel gibt das Gasthaus Zum alten Schifferhaus auf. Das Fachwerk, die Holzdielen, Lehmdecken und die Inschriften in der Fassade des Hauses erzählen die Geschichten vergangener Jahrhunderte. Aber wurde es wirklich schon 1663 erbaut oder stammt nur der Spruch im Eichengebälk an der Fassade aus dieser Zeit? Mit Beginn des 18. Jahrhunderts wurde hier auch Bier gebraut. Zu allen Zeiten ging es hier urgemütlich zu, wie überhaupt in allen Kneipen der Schifferstadt. An den Stammtischen wurde geklönt, der neuste Tratsch ausgetauscht, Stadtpolitik kommentiert – und natürlich alles besser gewusst.

Deckblatt und Kalenderblätter wecken Erinnerungen, manchmal auch traurige. Wehmut dürfte bei vielen älteren Lauenburgern das Bild vom Monat September auslösen. Der Hamburger Keller war einst Herberge verschiedener Zünfte. Man trank, man klönte und man diskutierte am Stammtisch. Eine Legende erzählt, dass am Nationalfeiertag 1890 sozialdemokratische Kampflieder aus dem Schankraum schallten. Seit nun schon 50 Jahren rottet das denkmalgeschützte Gebäude in der Altstadt vor sich hin. Möglicherweise ist vom Hamburger Keller bald nicht mehr übrig als das Foto auf dem Monatsblatt September.

Der Hamburger Keller Anfang der 1960er-Jahre. Heute ist das verfallene Gebäude ein Schandfleck in der Altstadt   
Der Hamburger Keller Anfang der 1960er-Jahre. Heute ist das verfallene Gebäude ein Schandfleck in der Altstadt    © Heimatbund | Heimatbund

Den Kalender gibt es zum Preis von 10 Euro ab sofort in der Touristinformation (Elbstraße 59), beim Altstadtfriseur (Elbstraße 121) in der Postagentur Deko for Seasons (Berliner Str. 17-25) und im Kiosk Thomas Franck (Reeperbahn 9).