Lauenburg. Beim Fahrradklimatest des ADFC landete die Stadt wieder unter den Schlusslichtern. Nur in einem Punkt kann sie glänzen.

Alle zwei Jahre gibt es Zeugnisse, ausgestellt von Radfahrern an ihre Heimatstädte. Der Allgemeine Deutsche Fahrradclub (ADFC) hat jetzt die Ergebnisse des Fahrradklimatestes 2022 vorgelegt. Um es vorweg zu nehmen: Lauenburg hat allen Grund sich zu schämen. In der Kategorie bis 20.000 Einwohner belegt die Stadt Platz 402 von 474 Plätzen. In Schulnoten ausgedrückt: Leistungsdurchschnitt von 4,3 – also gerade noch ausreichend.

Immerhin: Es ist eine leichte Verbesserung gegenüber 2020 erkennbar. Damals lag der Notendurchschnitt bei 4,5. Für Bürgermeister Thorben Brackmann kein Grund, die Sache schönzureden. „Das ist kein Grund zur Freude. Die Testteilnehmer geben Lauenburg insgesamt ein schlechtes Urteil“, stellt er fest. Für eine erste Analyse der Ergebnisse traf er sich jetzt mit Peter Junge, Sprecher der ADFC-Ortsgruppe Lauenburg.

ADFC-Fahrradklimatest: Lauenburg unter den Schlusslichtern

An der Umfrage des ADFC nahmen in diesem Jahr 106 Radfahrer aus Lauenburg teil. „Das ist eine vergleichsweise hohe Beteiligung. Die Tendenz ist steigend“, sagt Peter Junge. Vor zwei Jahren waren es 91 Teilnehmer, 2018 flossen 71 Meinungsbilder aus Lauenburg in die Bewertung ein.

Zum Vergleich: Geesthacht wird in der Kategorie über 20.000 Einwohner geführt. Hier beteiligten sich in diesem Jahr 107 Menschen an der Umfrage. Allerdings stellten die Geesthachter ihrer Stadt mit einen Notendurchschnitt von 3,5 ein wesentlich besseres Zeugnis aus. In Büchen und Schwarzenbek gab es zu wenig Umfrageergebnisse, um in die Wertung zu kommen.

Lauenburgs größte Schwächen aus Sicht der Radfahrer

Ein Blick auf die Auswertung zeigt: In Sachen Sicherheit für Radfahrer rasselte Lauenburg voll durch. Das war in der Umfrage 2020 auch schon so. 45 Prozent der Umfrageteilnehmer vergaben in der aktuellen Befragung sogar die Schulnote 6. Ein ähnlicher Punkt lautete: „Bei uns sind Radwege und Radfahrstreifen so angelegt, dass auch junge und ältere Menschen sicher Rad fahren können“. Hier fiel die Stadt bei 44 Prozent der Befragten durch, die dafür ebenfalls eine Sechs vergaben.

Etwas besser lief es für die Stadt beim Punkt Erreichbarkeit von Nachbarorten ein. Hier vergaben 36 Prozent der Teilnehmer die schlechteste Note. Fünf Teilnehmer vergaben in dieser Frage sogar die Note 1. Durchgefallen ist die Stadt auch bei den Themen: Breite der Radwege, Fahrradverleih, Werbung für das Radfahren und fahrradfreundliche Ampelschaltungen.

Klimaschutzbeauftragter Ralf Monecke (r.) und Benjamin Plate aus dem Bauamt stellen im Juli 2022 die neuen Fahrradabstellanlagen vor. 
Klimaschutzbeauftragter Ralf Monecke (r.) und Benjamin Plate aus dem Bauamt stellen im Juli 2022 die neuen Fahrradabstellanlagen vor.  © Elke Richel | Elke Richel

Verbesserungen gegenüber der Umfrage aus 2020

Von deutlichen Verbesserungen gegenüber 2020 kann in keinem Punkt eine Rede sein. Es gibt sie aber doch, die kleinen Lichtblicke. So legte Lauenburg bei der Beurteilung sicherer Abstellmöglichkeiten für Fahrräder zu. „Die Abstellboxen am Bahnhof werden als Verbesserungen wahrgenommen. Das wird sich noch mehr auswirken, wenn eine der beiden Anlagen zu verschließen ist, wie angekündigt“, ist Peter Junge überzeugt. Die Reparaturstationen am ZOB und am Bahnhof sind ebenfalls ein guter Service für Radfahrer.

Auch beim Thema „Förderung des Radverkehrs in jüngster Zeit“ stellten die Teilnehmer der Umfrage der Stadt ein besseres Urteil aus als noch vor zwei Jahren. Dafür hat der Lauenburger ADFC-Chef ebenfalls eine Erklärung. „Thorben Brackmann ist schon während des Wahlkampfes mit seinem Lastenrad unterwegs gewesen und hat signalisiert, dass der Radverkehr in Lauenburg einen höheren Stellenwert einnehmen muss. Das wurde sicher registriert“, vermutet er. Auch die Werbung für das Stadtradeln und die damit verbundenen Aktionen hätten sich positiv ausgewirkt.

Radverkehrskonzept wird seit 14 Jahren diskutiert

Dass Lauenburg beim Thema Sicherheit für Radfahrer so schlecht abgeschnitten hat, ist nicht verwunderlich. In der Oberstadt müssen sich Autos, schwere Laster, Radfahrer und Fußgänger einen engen Verkehrsraum teilen. Seit nunmehr 14 Jahren wird über ein Radverkehrskonzept diskutiert. Der größte Knackpunkt dabei: Wie können Radfahrer entlang der Bundesstraße 5 besser geschützt werden? Radfahrschutzstreifen könnten, so der Gutachter, auf der vergleichsweise schmalen Fahrbahn bestenfalls in eine Richtung aufgebracht werden. Das Ergebnis wäre ein Flickenteppich aus verschiedenen Markierungslösungen auf der Straße.

Seit Juni 2021 ist dieser Ansatz vom Tisch. Die mehrheitliche Entscheidung der Stadtvertreter: Die Verwaltung solle einen neuen Weg einschlagen, um „zügig einen baulichen Radweg parallel zur B5 zu realisieren“. Mit einer Stimme Mehrheit hatten sich CDU und LWG damit gegen SPD und Grüne durchgesetzt. Bisher gibt es keinen neuen Entwurf des Konzeptes.

Weil sich die Verkehrszahlen seit der Brückensperrung in Geesthacht verdoppelt haben, lässt die Stadt im Juli vergangenen Jahres zum Schutz für Radfahrer auf der B5 temporäre Schutzstreifen anbringen. Die sind inzwischen wieder verschwunden.
Weil sich die Verkehrszahlen seit der Brückensperrung in Geesthacht verdoppelt haben, lässt die Stadt im Juli vergangenen Jahres zum Schutz für Radfahrer auf der B5 temporäre Schutzstreifen anbringen. Die sind inzwischen wieder verschwunden. © Stadt Lauenburg | Stadt Lauenburg

Künftig Radfahrer mehr in den Blick nehmen

Doch manchmal überholt die Realität alle Theorie. Im Juli vergangenen Jahres gab es plötzlich doch einen Fahrradschutzstreifen auf der B5. Die gelbe Markierung signalisierte, dass es sich um eine vorübergehende Lösung handeln würde. Weil nach der Teilsperrung der Elbbrücke in Geesthacht der Schwerlastverkehr deutlich zugenommen hatte, sollten die Streifen etwas mehr Sicherheit für die Radfahrer bieten. Mittlerweile ist die Brücke wieder frei und die Streifen sind verschwunden.

Für die Stadt war die vorübergehende Lösung erklärtermaßen ein Experiment. Die Lauenburger SPD hat als erste Partei auf die Ergebnisse des neuen Fahrradklimatests reagiert. Der Vorsitzende des Ortsvereins, Immo Braune, hatte im Hinblick auf die Schutzstreifen eine klare Erwartung. „Wir hatten uns auf die angekündigte Auswertung der damit gemachten Erfahrungen seitens der Stadt bereits gefreut. Leider wurde die geplante Untersuchung aber schlicht nicht durchgeführt“, moniert er.

Bürgermeister Thorben Brackmann fährt selbst jeden Tag mit dem Fahrrad zur Arbeit. Er favorisiert einen anderen Lösungsansatz. „Mittelfristig sehe ich die Einführung von Fahrradleitstreifen abseits der Hauptverkehrsstraßen als Chance, die Radfahrer von der engen B 5 wegzuholen“, sagt er. Und er will die Radfahrer mehr in den Blick nehmen. „Strategisch müssen wir bei Straßenarbeiten immer auch die Radwege mitdenken“, kündigt er an.