Das Landgericht Stade verurteilte Ferdinand H. zu lebenslanger Haft , weil er Swanhild S. im Sommer 1981 mit 63 Messerstichen tötete.

Stade. Ferdinand H. muss für den Rest seines Lebens ins Gefängnis. Mehr als 29 Jahre nach dem Mord an Swanhild S., genannt Swantje, wurde H. am Mittwoch zu lebenslanger Haft verurteilt , denn Mord ist das einzige Verbrechen, das nicht verjährt. Nach einem aufwändigen Indizienprozess am Stader Landgericht sah es die 2. Große Strafkammer des Landgerichts Stade als erwiesen an, dass der Angeklagte Ferdinand H. aus Neuenkirchen (Landkreis Cuxhaven) die damals 21-jährige Abiturientin in der Nacht zum 24. August 1981 mit 63 Messerstichen getötet hat.

Der Angeklagte nahm das Urteil äußerlich scheinbar unberührt, beherrscht, mit gesenktem Blick zu Boden zur Kenntnis. Nur das Pulsen seiner Halsschlagader und die Bewegungen seiner Wangenmuskeln ließen seine Erregung erkennen. Die Kammer unter Vorsitz von Richter Behrend Appelkamp folgte mit ihrem Urteil dem Antrag des Staatsanwalts Arne Wieben. In der Urteilsbegründung sagte Appelkamp: "Es ist die Verkettung vieler Beweise, Zeugenaussagen und Indizien in ihrer Gesamtschau, die zum Beschluss führten, den Angeklagten wegen Mordes zu verurteilen."

Während des gesamten Prozesses hatte der Angeklagte geschwiegen

Nach Überzeugung der Kammer hat Ferdinand H. Swanhild S. getötet, um eine zuvor begangene, sexuell motivierte Straftat zu verdecken, womit eines der klassischen Mordmerkmale erfüllt ist. Es seien keine Anzeichen für eine Tat im Affekt erkennbar und auch sei nicht davon auszugehen, dass der Angeklagte zum Zeitpunkt der Tat vermindert schuldfähig war, so der Vorsitzende Appelkamp.

"Wir sind überrascht und entsetzt, dass die Kammer alle Beweise so gewürdigt hat", sagte H.s Verteidiger Horst Wesemann nach dem Urteil. Es sei für seinen Mandanten sehr bitter, so Wesemann. Schon seit Tagen sei Ferdinand H. fix und fertig gewesen, auch wenn man ihm das nicht ansehe. Denn auch in seinem sozialen Umfeld gelte H. nun als überführter Mörder, so der Verteidiger. "Wir werden das schriftliche Urteils abwarten und dann Revision einlegen", sagt Wesemann.

Bis das Urteil rechtskräftig ist, bleibt H., der als Straßenbauer einer regelmäßigen Arbeit nachgeht und einen festen Wohnsitz hat, wie auch während des Prozesses auf freiem Fuß. Er muss jedoch seinen Ausweis abgeben und sich jede Woche bei der Polizei in Otterndorf melden. Wird das Urteil rechtskräftig, muss er die lebenslange Haftstrafe antreten.

Ferdinand H. hatte während des gesamten Prozesses von seinem Recht zu schweigen Gebrauch gemacht. So blieben die Ereignisse der Mordnacht in vielen Punkten undurchschaubar.

In früheren Vernehmungen hatte H. eingeräumt, am Tatort gewesen zu sein. Er habe die Leiche dort in jener Nacht gefunden, Swanhild S. jedoch nicht getötet. Allerdings machte er diese Aussagen erst, nachdem DNA-Experten seinen genetischen Fingerabdruck an Swantjes T-Shirt eindeutig nachweisen konnten. Auch zwei Haare von Ferdinand H. wurden am Tatort sichergestellt. Mit modernen rechtsmedizinischen Verfahren wurde es nun möglich, DNA-Spuren auszuwerten und nachzuweisen, dass H. in jener Mordnacht am Tatort gewesen ist.

Was genau dort geschah, hat der Angeklagte bis heute verschwiegen. "Völlig unverständlich", nannte das der Stader Staatsanwalt Arne Wieben, "denn jeder, der unschuldig ist, würde alles tun und erklären wollen, was zur Aufklärung führt, um seine Unschuld zu beweisen".

Bis zum Jahr 2008 tappte die Polizei in der Mordsache Swantje im Dunkeln. Alle Verdächtigen, die überprüft wurden, konnten aufgrund der vorliegenden DNA-Spuren nicht mit der Tat in Verbindung gebracht werden.

Erst der zunächst anonyme Hinweis einer Zeugin bei der Polizei brachte Ferdinand H. 2008 in den Fokus der Ermittler der Sonderkommission "Alte Mordfälle". Nach langem Überlegen hat er daraufhin freiwillig eine Speichelprobe abgegeben.

Seine damalige Partnerin Kerstin H. sagte während des Prozesses als Zeugin aus, dass H. danach verändert wirkte und er sie gefragt habe, wie lange solch eine DNA-Auswertung dauere. Er habe Angst gehabt, dass man ihn mit der Tat in Verbindung bringen würde, denn es könnte sein, dass er die Tote und ihre Sachen angefasst habe, als er sie fand", sagte die Zeugin aus.

Die Schwester der ermordeten Frau kam zur Urteilsverkündung nach Stade

Für das Gericht war dies ein Glied in der Indizienkette, die sich aus DNA-Analysen, Zeugenaussagen und dem auffälligen Verhalten des Angeklagten zusammensetzte. H. habe Brechreiz bekommen, als man ihm ein ganz normales Portraitfoto von Swantje gezeigt habe, so der Richter.

Und noch eine Ungereimtheit stand im Raum: Der Angeklagte gab vor, in dunkler Nacht zum Leichenfundort gegangen zu sein, weil er zufällig einen dunklen Mantel auf einem Straßenpfosten hängen gesehen hatte. Die Polizei hingegen hat Swantje im Sommer 1981 trotz intensiver Suche und bei Tageslicht erst zwei Tage später gefunden. Sogar ein Hubschrauber war im Einsatz, ohne Erfolg.

H. hingegen sagte, er habe seinen Wagen gestoppt und sei 18 Meter von der Straße weg in ein Kohlfeld gegangen. Dort sei er auf Swantjes Kleidung gestoßen, habe die Tote gesehen und berührt. Weil er Alkohol getrunken hatte, habe er den Leichenfund nicht bei der Polizei gemeldet.

Swantje hatte, bereits von mehreren Messerstichen verletzt, noch versucht, ihrem Mörder durch einen Wassergraben neben dem Kohlfeld zu entkommen, wie die Ermittlungen der Polizei und Gerichtsmediziner ergaben. An der Böschung des Grabens brach sie zusammen und verblutete. Ferdinand H. hätte also durch den Graben gemusst, um Swantje zu berühren, davon hatte er nie etwas gesagt.

Nach einem Ortstermin am Leichenfundort zwischen Scholien und Brünighemm, bei dem die Situation der Mordnacht nachgestellt wurde, kam die Kammer zur Überzeugung, dass Verhalten und Aussagen des Angeklagten "wenig plausibel" seien. Die Kammer schloss zudem aus, dass Swantje einvernehmlich Sex mit dem Angeklagten gehabt haben könnte.

Während des gesamten Prozesses, der am 22. Juli begann, war Swantjes jüngere Schwester anwesend. "Das klare Urteil hat mich letztlich sehr überrascht. Mir wäre es lieber gewesen, dass Ferdinand H. ein Geständnis abgelegt hätte. Zu viele Sachen scheinen mir zweifelhaft und ungeklärt", sagt die heute 47-Jährige.

Der Familie gehe es nach so vielen Jahren weder um Sühne oder Rache. Das Beste wäre, wenn es diese Tat nie gegeben hätte und Swantje noch leben würde, so ihre Schwester.