1714 bestiegen die Welfen den Thron in Großbritannien. Das soll gebührend gefeiert werden - 5,5 Millionen Euro werden in das Fest investiert.

Hannover/London. Aus Sicht des britischen Parlaments war das Fürstengeschlecht der Welfen in Hannover lediglich das kleinere Übel. Um zu verhindern, dass eine katholische Enkelin von König Jakob I. auf dem englischen Thron Platz nahm, beschlossen die Abgeordneten im Jahr 1701 den "Act of Settlement". Das Resultat: Nach dem Tod von König Jakob wurde der Kurfürst aus Hannover im Jahr 1714 in London gekrönt, es begann die 123-jährige Personalunion der beiden Staaten.

Die inzwischen bekanntlich republikanische Führung des Landes Niedersachsen möchte im Jahr 2014 das Jubiläum als rauschendes Langzeitfest arrangieren, steckt 5,5 Millionen Euro in Ausstellungen und Festakte, hat dabei aber gleich zwei Probleme. Das aktuelle Königshaus in London zeigt bislang den Demokraten auf dem Kontinent die kalte Schulter. Und ob der 300. Jahrestag der Personalunion überhaupt ein Grund zum Feiern ist, darüber kann man streiten.

Ausgerufen hat der damalige Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) im Jahr 2010 die amtliche niedersächsische Vorfreude. Verständlicherweise hat sich sein Nachfolger David McAllister, ein Mann mit schottischen Wurzeln, vom königlich-hannoverschen Fieber anstecken lassen. Aber trotz der doppelten Staatsbürgerschaft hat sich McAllister bislang nur Körbe geholt: Beim britischen Premier David Cameron hat er schon vor Jahresfrist um königlichen Besuch in Niedersachsen geworben, vor einigen Monaten ist er dann noch einmal beim britischen Thronfolger Prinz Charles in London vorstellig geworden, aber eine Zusage des Thronfolgers hat er noch nicht bekommen. Auf Abendblatt-Anfrage zeigte sich McAllister optimistisch: "Am Ende werden wir Royals in Niedersachsen sehen."

Nur ein Problem gibt es dabei: Spätestens seit Beginn des Ersten Weltkrieges ist die königliche Familie deutlich auf Distanz bedacht zu deutschen Vorfahren und Anverwandten - aus dem Haus Sachsen-Coburg Anhalt wurden die Windsors. Und außerdem ist 2014 der 100. Jahrestag des Beginns des Ersten Weltkrieges, genug Gelegenheit also für die Royals, patriotische Termine im eigenen Land wahrzunehmen, statt in Niedersachsen ungeliebte Familienzusammenführung zu betreiben.

Es gibt weitere Handicaps: Die Welfen stellten zwischen 1714 und 1837 Englands Könige, alle nannten sich George, beliebt waren sie nicht. Lord Byron fasste seine Abneigung gegen die deutschen Herrscher zusammen: "Narren, die allesamt George heißen." Und der Volksmund reimte grob: "George I. war hundsgemein, schlimmer noch George II., das Schwein. Kein Sterblicher hat je vernommen, dass Gutes von George III. gekommen. Seit George IV. vonhinnen geschieden, ist's gottlob aus mit den Georges hinnieden." Als letzter Welfe regierte Wilhelm IX. bis zu seinem Tod 1837. Danach griff in England die weibliche Thronfolge, Victoria erklomm den Thron. Und dem Bruder des verstorbenen Königs, Ernst August, blieb nur, in die deutschen Stammlande zurückzukehren.

Inzwischen war aus dem Kurfürsten dank des Wiener Kongresses 1815 ein König von Hannover geworden, aber das machte die Lage für seine Untertanen auch nicht besser. Kaum zurück, kassierte Ernst August die bescheidenen ersten Schritte auf dem Weg zu etwas Demokratie, das Staatsgrundgesetz. Und er jagte sieben Professoren der Göttinger Universität aus dem Land, weil die sich erlaubten, gegen Absolutismus und Willkür zu protestieren.

1866 machten dann die Preußen der welfischen Herrschaft in weiten Teilen Niedersachsens ein Ende, annektierten das kleine Königreich. Fortan ging es mindestens wirtschaftlich voran, nachdem das Kurfürstentum und spätere Königshaus von Hannover in der Zeit der Personalunion zum Agrarland und Aschenputtel verkommen war, während das britische Empire zur damals einzigen Weltmacht aufstieg.

Mehr als eine Million Euro lässt es sich die Landesregierung in Hannover deshalb derzeit kosten, hier vielleicht doch noch einige erfreulichere Aspekte der Personalunion herauszuarbeiten. Das Geld fließt in ein Promotionskolleg an der Universität Göttingen. Vielleicht finden die Stipendiaten ja doch noch einige eher versöhnliche Aspekte über die "wechselseitigen kulturellen, politischen und ökonomischen Einflüsse beider Staaten". Fragt man derzeit nach positiven Impulsen, fällt den Gelehrten auf Anhieb eigentlich nur die Gründung der Uni Göttingen ein. Aber da sind ja auf der anderen Seite die sieben Professoren, unter ihnen die Märchenbrüder Grimm, die Ernst August um Lohn, Brot und Heimat gebracht hat.

Rolf Seelmann-Eggebert, der Experte schlechthin für das Befinden der Royals, mag keinen Tipp wagen, ob das Königshaus das Flehen der Niedersachsen erhört. Nach seiner Einschätzung hat sich im englisch-deutschen Verhältnis "eine fundamentale Veränderung" ergeben. "Es könnte sogar gelingen, britische Touristen in größerer Zahl nach Niedersachsen zu locken", sagt Seelmann-Eggebert. "Wenn mich jemand um Rat fragen würde, würde ich sagen: Tut das mal. Aber ich denke, mich wird niemand fragen."

"Very british" immerhin ist bereits die kommerzielle Vermarktung des Jubiläums, als ginge es um das 60. Thronjubiläum von Elizabeth II. Im Landesmuseum in Hannover gibt es Regenschirme mit entsprechendem Design und Aufschrift: "Royals aus Hannover - Wetter aus London". Auf der Internationalen Tourismus Börse in Berlin hat Niedersachsen schon im März Flagge gezeigt, und die Internetadresse royals-aus-hannover.de wird regelmäßig aktualisiert - schließlich soll jeder wissen, dass es auch passende Servietten und Tassen zum Jubiläum gibt.

Wissenschaftsministerin Johanna Wanka (CDU), in deren Zuständigkeitsbereich das Spektakel fällt, träumt von Heerscharen britischer Touristen, die 2014 nach Hannover strömen. Und wer auch immer auf den britischen Inseln noch nicht begriffen hat, wie wichtig die Personalunion auch für Großbritannien war, hier noch ein Zitat von Ministerin Wanka: "Während der Epoche der Personalunion hat Hannover europäische und Weltgeschichte mitgeschrieben." Bleibt zu hoffen, dass sich das Königshaus und viele englische Touristen dieser mutigen Geschichtsdeutung anschließen und anreisen.