Britische Königin Elizabeth II. feiert ihr 60. Thronjubiläum. Der Hamburger Adels-Experte Rolf Seelmann-Eggebert ist fürs Fernsehen dabei.

Schön, so eine Terrasse am Ufer: Paddelboote auf dem Isebekkanal, Kanus stapeln sich unten am Kai, die Sonne scheint aufs Mineralwasser. Rolf Seelmann-Eggebert, 75, hat in seinem Büro bei der Seelmannfilm gerade die Post geöffnet: eine persönliche Einladung zum "Diamond Jubilee Concert" im Buckingham Palace am 4. Juni. Genau der richtige Einstieg für das Interview über ihn und Europas dienstälteste Monarchin.

Hamburger Abendblatt: Sie sind im deutschen Fernsehen immer noch "unser Mann für die Royals". Woher kommt Ihr Interesse für das britische Königshaus?

Seelmann-Eggebert: Ich war von 1978 bis 1981 für die ARD in London und habe mit dem Wechsel von Premierminister James Callaghan zu Margaret Thatcher im Mai 1979 natürlich eine politisch interessante Zeit erlebt. Aber die Redaktionen wollten alle nur Berichte über das britische Königshaus. Prinz Charles hatte sich am 24. Februar 1981 mit Prinzessin Diana verlobt, geheiratet wurde am 29. Juli 1981 in der St.-Paul's-Kathedrale. Das war wie im Märchen und ein großes Thema für die deutschen Medien. Übrigens glaubte ich damals fest daran, dass Charles und Diana sich wirklich geliebt haben. Diese Blicke und Gesten vor der Kirche ... So scheinheilig könnte man nicht sein.

+++ Unser Mann am Puls der Royals +++

Und dann beschlossen Sie, sich weiter mit dem Thema Royals zu beschäftigen?

Seelmann-Eggebert: Zuerst eher nicht. Nach meiner Zeit in London war ich Programmdirektor beim NDR und hatte mit dem Thema nichts mehr zu tun. Erst 1985 beschlossen István Bury und ich, wieder etwas über das britische Königshaus zu machen. Ein Vierteiler zu Weihnachten hat mich dann sozusagen in den königlichen Schoß zurückgeholt.

Wie haben Sie Elizabeth II. in all den Jahren erlebt?

Seelmann-Eggebert: Zum ersten Mal habe ich sie 1965 in Hannover gesehen, als ich über ihren Staatsbesuch in Deutschland berichtete. Damals war sie sehr kontrolliert, ich hatte den Eindruck, dass sie die Rolle der Queen spielte . Sie hatte nur zwei Gesichter: eine würdevolle, strenge Miene, wenn sie Paraden abnahm. Und ein geradezu liebenswertes Lächeln, wenn sie auf Menschen zuging und Blumensträuße bekam. Heute macht sie sich keine Gedanken mehr. Sie ist die Queen und verkörpert sie. Und in diesem Zusammenhang hat sie auch ihr Gesicht freigegeben. Sie hat eine großartige Mimik, kichert und ist spontan.

Seit wann erleben Sie die Veränderung?

Seelmann-Eggebert: Seit Anfang dieses Jahrhunderts. So lange hat es dann doch gedauert. Sie hat das für sie schreckliche Jahr 1992 überstanden - mit gescheiterten Ehen bei Sarah Ferguson und Prinz Andrew, Prinzessin Anne und Captain Mark Phillips, Charles und Diana, dann das Feuer auf Schloss Windsor - und den Tod von Prinzessin Diana im August 1997. Danach scheint eine Last von ihr abgefallen zu sein, und sie muss niemandem mehr etwas beweisen.

Als Elizabeth II. Königin wurde, saß noch Stalin im Kreml. Und nach dem Fall der Sowjetunion war sie immer noch da. Was bedeutet die Queen den Briten über die 60 Jahre hinweg?

Seelmann-Eggebert: Eigentlich ist die Queen den Briten ziemlich egal, so wie uns der Bundespräsident - allerdings mit Ausnahmen, wie wir gerade erlebt haben. Aber wenn jetzt eine britische Regierung plötzlich verrückt spielen würde und am Abend beschließt, dass ab dem nächsten Morgen Rechtsverkehr gilt und nicht mehr Linksverkehr wie seit Jahrhunderten, dann wüssten die Menschen: Das würde die Queen nie zulassen - es kann nicht ganz furchtbar kommen, solange wir sie haben. Sie steht für Kontinuität und Verlässlichkeit.

Aber Großbritannien hat sich ja in diesen 60 Jahren sehr verändert. Kolonien sind unabhängig geworden, die Anschläge der IRA verunsicherten das Land, der Adel hat heute nur noch dekorative Funktion. Die Finanzorientierung der Wirtschaft und die folgende Krise konnte Elizabeth II. nicht verhindern. Was macht sie denn trotzdem zu einem Fels in der Brandung?

Seelmann-Eggebert: Die Kollegen der britischen Tageszeitung "The Guardian" haben eine Zeit lang versucht, in Leitartikeln und Kommentaren die Speerspitze einer republikanischen Bewegung zu sein und damit in alle Bevölkerungsschichten vorzudringen. Aber sie haben das vor zehn Jahren aufgegeben, als die Queen ihr goldenes Thronjubiläum feierte und ihr die Menschen vor dem Buckingham-Palast und auf der Mall zujubelten. Da erkannten die Kollegen, dass es wohl nicht der Wunsch der britischen Bevölkerung ist, die Monarchie abzuschaffen. Natürlich finden die Menschen das Märchenhafte mit Prinzen und Prinzessinnen reizvoll, auch den repräsentativen Glanz eines Königshauses. Aber das Wichtigste sind die Kontinuität und die historische Entwicklung, die die Royals verkörpern. Vor Kurzem ist zum Beispiel in Schweden die kleine Prinzessin Estelle getauft worden. Wenn man bedenkt, wie alt wir heute werden, ist es gut möglich, dass sie das schwedische Königshaus bis ins Jahr 2100 führen wird. Diese Art von Kontinuität und Verlässlichkeit haben Sie weder in der Politik oder Wirtschaft noch im Sport oder der Kultur.

Die Queen könnte nach 60 Jahren auch als etwas Gestriges oder als Relikt erscheinen.

Seelmann-Eggebert: Das wird in England kaum jemand sagen. Die königliche Familie im Buckingham-Palast ist der größte Tourismusfaktor.

Gab es nicht gerade in der Finanzkrise Kritik an den Ausgaben für die Royals?

Seelmann-Eggebert: Ja, was die Königin qua Amt braucht wie etwa Wachablösung und Soldaten, zahlt der Staat. Aber wenn Sie die Aufwendungen für einen Monarchen oder den Bundespräsidenten mal sauber gegeneinanderrechnen, wird sich das nicht wesentlich unterscheiden. Die königliche Apanage muss vom Parlament genehmigt werden. Es spart jedes Jahr auch Kosten ein, sodass der Buckingham-Palast immer unansehnlicher wird.

Im August 2011 brachen im Londoner Stadtteil Tottenham Krawalle und Plünderungen aus. Gibt es Gegenden, wo sich ein Royal nicht hintrauen sollte?

Seelmann-Eggebert: Nein. Es gibt keine No-go-Zonen. Und wenn sie herumreisen, sind sie mit erstaunlich geringem Sicherheitsaufwand unterwegs.

Sie haben schon häufiger bei Staatsbesuchen oder gesellschaftlichen Anlässen mit der Queen gesprochen. Wie war das?

Seelmann-Eggebert: Ich bin ihr sicher schon 20-mal begegnet und vorgestellt worden. Ich bin nicht befugt, über den Inhalt der Gespräche zu sprechen. Aber ich kann Ihnen versichern, dass es Small Talk war. Interviews gibt sie nicht, weil ihre Mutter Elizabeth, die Königinmutter, damit schlechte Erfahrungen gemacht hatte und ihrer Tochter riet: 'Lilibeth, lass das.'

In Ihren Filmen kommen Menschen zu Wort, die der Queen nahestehen. War es für Sie schwierig, als Deutscher Zugang zum Umfeld der Königin zu bekommen?

Seelmann-Eggebert: Adressen von bestimmten Leuten sind natürlich nicht öffentlich. Wenn ich also mit einer bestimmten Person sprechen möchte, frage ich bei Leuten in der Presseabteilung des Buckingham Palace an, die ich seit Langem kenne und die mich seit Langem kennen. Und dann bekomme ich die Adresse. Die Zusammenarbeit klappt also sehr gut und beschert mir dann auch diese Einladung zum Konzert. Ansonsten spreche ich auch gern mit britischen Kollegen, die qua Berichterstattung nahe dran sind und sich sehr gut auskennen. Zum Beispiel schätze ich den britischen Historiker Robert Lacey. Ich versuche immer, Urteile von interessanten Menschen zu bekommen, um das Mosaik der Königin immer stärker auszufüllen. Aber ganz auflösen wird man es nie.

Ein Blick auf andere Königshäuser: Jüngst sind Carl Gustaf von Schweden und Juan Carlos von Spanien in die Kritik geraten, weil sie sich Freiheiten herausgenommen haben, die im Volk nicht gut ankommen. Haben sie zu wenig Sensibilität für ihr Bild in der Öffentlichkeit?

Seelmann-Eggebert: Das ist schwer zu beantworten. Beim spanischen König hatte ich immer den Eindruck, das Macho-Gehabe sei eine nationale Eigenschaft. Und von der Berichterstattung hatte ich den Eindruck, dass die spanische Öffentlichkeit ihm schon vergeben hat. Den schwedischen Fall kann ich nicht beurteilen. Aber er zeigt die Schwierigkeiten meines Berufsfeldes als König-Reporter. Ich habe es immer mit zwei Quellen zu tun: mit einer, die die Sache ernst nimmt und ihr gewissenhaft nachgeht, und der der Märchenerzähler. Deshalb kümmere ich mich um solche Themen erst, wenn eine offizielle Bestätigung vorliegt. Deshalb habe ich Gerüchte über die Probleme in der Ehe von Charles und Diana nie publiziert, sondern erst berichtet, als der Buckingham-Palast im Dezember 1992 die Trennung des Paares bekannt gegeben hat.

Nach dem Tod von Prinzessin Diana im September 1997 rutschten die Popularitätswerte für die Queen in den Keller. Hat jede Monarchie solche Krisen?

Seelmann-Eggebert: Wir haben ja das Sprichwort 'Das kommt in den besten Familien vor'. So ist es auch in einem Königshaus. Aber im September 1997 ist das englische Königshaus in eine gefährliche Zone geraten. Britische Zeitungen fragten damals, ob Elizabeth II. auch Elizabeth die Letzte sein würde. Es war eine große Herausforderung, mit so etwas fertigzuwerden. Die Queen hat die Kritik mit ihrer TV-Ansprache am Tag vor der Trauerfeier für Diana wieder wettgemacht. Die Rede war ein großes Meisterwerk. Jeder in England wusste, welche Vorbehalte die Königin gegenüber ihrer Schwiegertochter hatte. Und trotzdem hat die Queen Eigenschaften von Diana hervorgehoben, die jeder nachvollziehen konnte, zum Beispiel ihre Mutterliebe und ihre Fähigkeit, Nähe herzustellen. Da hat Elizabeth sogar von Diana gelernt.

Geben Kronprinz William und seine Kate der Monarchie neue Impulse?

Seelmann-Eggebert: Eine Monarchie, die nicht mit der Zeit geht, hat keine Zukunft. William und seine Frau sind ein junges modernes Paar, und Kate macht auf mich den Eindruck, dass man mit ihr Pferde stehlen kann. Sie kennen sich seit zehn Jahren und tun dem Königshaus gut.

+++ Die Fernseh-Termine +++

Die Queen ist 86 Jahre alt. Warum, glauben Sie, geht sie nicht endlich in Rente und dankt ab?

Seelmann-Eggebert: Das ist für die Königin kein Thema. Sie hat an ihrem 21. Geburtstag das Versprechen abgegeben, ein Leben lang zu dienen. Das hat sie jetzt wiederholt. Sie würde es nicht tun, wenn alles für sie nur ein Elend wäre. Tradition ist, seine Pflicht bis zum letzten Atemzug zu erfüllen, weil man immer noch davon ausgeht, dass Gott einem diese Aufgabe anvertraut hat - das hat die Queen ganz stark verinnerlicht. Und gegen ihre Abdankung zu Lebzeiten und eine Krönung von Prinz Charles spricht auch, dass dann zwei Hofhaltungen nebeneinander entstünden. Bei der Errichtung eines neuen Hofes neben einem alten Hof können erhebliche Probleme auftreten ...

... wie wenn der Altenteiler neben dem Jungbauern wohnt?

Seelmann-Eggebert: So ähnlich. Ich rechne deshalb eher damit, dass Prinz Charles seiner Mutter in Zukunft weitere Pflichten abnimmt, als Vizekönig sozusagen, und der verlängerte Arm Ihrer Majestät ist.