Hannovers Oberbürgermeister Weil gilt in der Partei als Favorit. Landeschef Lies sucht seine Chance bei der Urwahl durch die Genossen.

Hannover. Die Niedersachsen-SPD macht es spannend. Ob der 52 Jahre alte hannoversche Oberbürgermeister Stephan Weil oder der 44-jährige Landesvorsitzende Olaf Lies aus Friesland bei der Landtagswahl gegen den christdemokratischen Amtsinhaber David McAllister antreten wird, entscheiden die 65 000 Mitglieder in einer Urabstimmung. Beide Politiker haben am Wochenende ihre Kandidatur für das Amt des Ministerpräsidenten angekündigt. Gescheitert sind damit alle Versuche, auch die der SPD-Bundesspitze, Lies zum Verzicht zu überreden.

Der niedersächsische CDU-Generalsekretär Ulf Thiele sagte sofort über den politischen Gegner: "In der Landes-SPD wird jetzt bis aufs Blut gekämpft, die Partei ist zerstritten und nicht in der Lage, politische Verantwortung in Niedersachsen zu übernehmen."

Vor den Kandidaturen hatte es zahllose Gespräche und Versuche der Einflussnahme gegeben. Dabei argumentierte auch der Bundesvorsitzende Sigmar Gabriel intern damit, gegen den 40-jährigen McAllister habe der Oberbürgermeister Weil bessere Chancen. Die Bundespartei ist an einem Erfolg bei der Landtagswahl um die Jahreswende 2012/2013 auch deshalb so interessiert, weil nur neun Monate später ein neuer Bundestag gewählt wird.

***SPD-Parteichef Lies will gegen McAllister antreten***

Ein Sieg in Niedersachsen wäre hilfreich und vergleichbar mit der Situation von 1998. Damals holte die SPD in Hannover eine absolute Mehrheit unter dem Regierungschef Gerhard Schröder, im Herbst gewannen SPD und Grüne dann die Bundestagswahl.

Auf dieser Linie argumentierte am Sonntag auch Weil, als er sagte, er wünsche sich, dass von der Landtagswahl ein "deutliches Signal" für einen Wechsel auch im Bund ausgehe: "Ich möchte meinen Beitrag dazu leisten, dass wir auch auf Bundesebene wieder zu einem guten Regierungshandeln kommen." Die gegenwärtige schwarz-gelbe Bundesregierung sei "die schlechteste", die er je erlebt habe.

Nach dem Machtverlust im Land Anfang 2003 hatte sich die SPD diverse Scharmützel um Einfluss zwischen den vier Bezirken geliefert, verlor 2008 erneut die Landtagswahl. Durchgängig lag sie über fast acht Jahre lang deutlich hinter der CDU. Im Mai aber signalisierte erstmals eine NDR-Umfrage eine deutliche Trendwende, die sich dann vor einer Woche bei der Kommunalwahl bestätigte: SPD und Grüne liegen dank der Stärke der Grünen um 50 Prozent, die Koalitionsparteien CDU und FDP aber wegen der Schwäche der FDP nur bei 40 Prozent.

Angesichts der Chance auf einen Machtwechsel gilt Weil eindeutig als Favorit bei der Kandidatenkür, weil er dank seiner langjährigen kommunalpolitischen Erfahrung auch als Oberbürgermeister einschlägige Regierungsverantwortung nachweisen kann. Über Lies dagegen spötteln sogar führende Sozialdemokraten, seine Leitungserfahrung beschränke sich auf den Personalratsvorsitz an der Hochschule Wilhelmshaven. Sie befürchten, die CDU werde dieses Manko von Lies gnadenlos ausschlachten.

Beide Kandidaten gehen mit ihrer Bewerbung ein hohes Risiko ein. Lies will, wenn er bei der Urwahl unterliegt, auch den Landesvorsitz abgeben: "Diese beiden Ämter gehören in eine Hand." Genau dies befürwortete am Sonntag auch Weil. Er kündigte an, bei einer Nominierung werde er das Amt des Oberbürgermeisters abgeben und für den Landtag kandidieren. Er wolle die Sache "ganz oder gar nicht machen".

Der Jurist Weil ist verheiratet, hat einen erwachsenen Sohn, war Staatsanwalt, Richter und Stadtkämmerer in Hannover, ehe er 2006 in Direktwahl Oberbürgermeister wurde. Lies lebt in Friesland, ist Diplom-Ingenieur, hat zwei kleine Töchter, arbeitete bis zu seiner Wahl in den Landtag 2008 als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Hochschule Wilhelmshaven. Anfang 2010 setzte er sich nach dem überraschenden Rückzug des SPD-Landesvorsitzenden Garrelt Duin im Kampf um die Nachfolge gegen den Vorsitzenden des Bezirks Hannover, Stefan Schostok, durch. Der übernahm dann das Amt des Fraktionschefs im Landtag.

Für das Duell Weil gegen Lies hat die Landespartei wohl auch deshalb einen engen Zeitrahmen gesetzt, damit die internen Streitereien sich in Grenzen halten und der Sieger Gelegenheit hat, sich anschließend im Land bekannt zu machen.