David McAllister über die taumelnde Bundesregierung, den Atomausstieg, die Elbvertiefung und über sein Verhältnis zu Ole von Beust.

Hannover. Die Umzugskisten von David McAllister waren noch nicht ausgepackt, als er am Freitag die Redakteure des Hamburger Abendblatts in der niedersächsischen Staatskanzlei zum Interview empfing.

Hamburger Abendblatt:

Herr McAllister, welcher Moment in dieser Woche war bewegender für Sie: Ihre Vereidigung als Ministerpräsident oder die Wahl von Christian Wulff zum Bundespräsidenten ?

David McAllister:

Beides war sehr bewegend. Allerdings hat mich die Wahl von Christian Wulff zum Staatsoberhaupt besonders berührt. Er war mein ganz entscheidender Förderer. Ich habe mich riesig gefreut für ihn, dass er mit absoluter Mehrheit gewählt wurde ...

... was allerdings erst im dritten Wahlgang gelungen ist. Wulff geht geschwächt ins höchste Staatsamt.

Das sehe ich anders. In einigen Tagen wird man über die Zahl der Wahlgänge nicht mehr reden. Auch Roman Herzog musste in einen dritten Wahlgang und wurde ein vorzüglicher Bundespräsident.

Mindestens 44 Wahlmänner aus der Koalition haben Wulff im ersten Wahlgang die Stimme versagt. Können Merkel und Westerwelle da einfach zur Tagesordnung übergehen?

CDU, CSU und FDP hatten 644 Wahlleute in der Bundesversammlung. Die überragende Mehrheit war klar auf Kurs. Einige wenige haben aus welchen Motiven auch immer einen Beitrag dazu geleistet, dass das Erscheinungsbild der Koalition suboptimal war.

Die Wahl sollte ein Neustart sein für Schwarz-Gelb.

Unser Kandidat hat sich durchgesetzt. Die Koalition muss jetzt an die Arbeit. Es gibt viel zu tun. Ich kann nur empfehlen, sich künftig mit der Sache und weniger mit sich selbst zu beschäftigen. Jeder Einzelne kann seinen Beitrag dazu leisten, dass das Erscheinungsbild der Koalition wieder besser wird.

Was erwarten Sie von der Kanzlerin?

Die Kanzlerin ist klar die Nummer eins. Angela Merkel zeigt Führungskraft, das hat sie auch bei der Wahl des Bundespräsidenten bewiesen. Sie hat nach wenigen Tagen einen Nachfolgekandidaten für Horst Köhler präsentiert, der es dann auch geworden ist. Ich bin ein großer Unterstützer der Bundeskanzlerin.

Zwei Drittel der Bundesbürger rechnen nach einer neuen Umfrage damit, dass die Regierungskoalition zerbricht. Würden Sie dagegenwetten?

Da würde ich einen nicht unbeträchtlichen Betrag darauf setzen, dass diese Bundesregierung hält. In der Tagespolitik darf man sich nicht nach Meinungsumfragen richten. Gute Politik macht, worauf es ankommt - und nicht, was gerade ankommt. Wir brauchen Politik aus einem Guss. Die Bundesregierung wird die Länder noch mehr einbeziehen müssen in ihre politischen Überlegungen.

Das Sparpaket der Bundesregierung wird in der Bevölkerung als sozial ungerecht empfunden. Muss es neu geschnürt werden?

Der Konsolidierungskurs der Bundesregierung ist richtig. Sicherlich werden wir über Details des Sparpakets noch diskutieren. Aber die Richtung stimmt.

Sind Sie dafür, den Spitzensteuersatz zu erhöhen?

Dazu gibt es unterschiedliche Auffassungen in den Koalitionsparteien. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die FDP einer Erhöhung des Spitzensteuersatzes zustimmen wird. Für die Liberalen ist es schwer genug, dass die Koalition auf Steuersenkungen verzichten muss.

Die Länder mehr einbeziehen - was bedeutet das für die geplante Verlängerung der Laufzeiten von Kernkraftwerken?

Über diese Debatte bin ich sehr erstaunt. Wer sich da alles zu Wort meldet! Wir in Niedersachsen wollen einen konkreten Gesetzentwurf der Bundesregierung sehen. Erst dann können unsere Verfassungsjuristen sagen, ob die Laufzeitverlängerung zustimmungspflichtig ist oder nicht.

Wie lange sollen Atomkraftwerke in Deutschland noch laufen? Zehn Jahre? Oder eher 100?

Ich begrüße, dass die Bundesregierung endlich ein nationales Energiekonzept vorlegen will. Wir brauchen einen Energiemix, in dem der Anteil der erneuerbaren Energien in den nächsten Jahren immer größer wird. Ich bin ein engagierter Befürworter der Windenergie. Offshore-Windparks bieten eine großartige Perspektive für die deutsche Nordseeküste. Das Zeitalter der erneuerbaren Energien ist angebrochen. Aber für eine Übergangszeit, die länger ist als von der rot-grünen Bundesregierung vorgesehen, brauchen wir noch die Kernenergie.

Also wie lange?

Ich bin für eine maßvolle Verlängerung der Laufzeiten. Je schneller wir ohne Kernkraft auskommen, desto besser.

Eignet sich der Salzstock im niedersächsischen Gorleben als Endlager?

Die Endlagerfrage muss dringend geklärt werden. Niedersachsen trägt hier Verantwortung für die gesamte Republik. Das Moratorium für Gorleben wird aufgehoben. Gorleben muss ergebnisoffen zu Ende erkundet werden. Und ich unterstreiche dabei das Wort ergebnisoffen dreimal. Das wird ein langer und intensiver Erkundungsvorgang. Wenn sich Gorleben tatsächlich als geeignet erweist, wird es das nationale Endlager.

Wulff, Koch, Rüttgers - die CDU verliert drei ihrer vier stellvertretenden Parteivorsitzenden und steht vor einem Generationswechsel. Bricht in Ihrer Partei jetzt die McZukunft an?

Es wird im November auf dem CDU-Bundesparteitag in Karlsruhe eine personelle Neuaufstellung geben. Dabei sollte man schauen, dass Frauen und Männer angemessen repräsentiert sind.

Was bedeutet das? Verzichten Sie auf einen Stellvertreterposten?

Dem Landesvorstand der CDU in Niedersachsen werde ich Anfang August einen Personalvorschlag unterbreiten. Es gibt beachtliche Gründe dafür, dass Ursula von der Leyen stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende wird. Sie hat ihr Interesse bereits gezeigt.

Eine große Sonntagszeitung hat die Perspektiven junger Politiker ausgelotet. Bei Ihrem Namen stand: Bundeskanzler. Ist Ihnen das unangenehm?

Ich lese solche Artikel mit einem Lächeln. Meine Leidenschaft ist Niedersachsen.

Sie leben auf dem Land. Was verbindet Sie mit Hamburg - außer Ihrem Kampf gegen die Elbvertiefung?

Ganz viel. Wir wohnen in Bad Bederkesa nur 100 Kilometer Luftlinie von Hamburg entfernt. Viele meiner Schulfreunde leben und arbeiten in der Hansestadt. Mir ist bewusst, dass der Norden Niedersachsens sehr auf Hamburg ausgerichtet ist.

Was muss passieren, damit Sie Ihren Widerstand gegen einen Ausbau der Elbe aufgeben?

Wir sind mitten im Planfeststellungsverfahren. Es läuft länger, als der Bund und Hamburg das erwartet haben, weil die Probleme offenkundig groß sind. Es hat eine Flut von Einwendungen gegeben, die zu Verbesserungen bei der Deichsicherheit geführt haben - gerade auch am neuralgischen Punkt zwischen Altenbuch und Otterndorf. Ob und wann es zu einem Maßnahmenbeginn kommt, ist nicht geklärt.

Niedersachsen sperrt sich weiter?

Wir sind im laufenden Verfahren einen wesentlichen Schritt weitergekommen. Aber es wird eine Zustimmung des Landes Niedersachsen zur Elbvertiefung nur dann geben, wenn die Deichsicherheit 100-prozentig garantiert ist. Die Deichsicherheit ist nicht einmal im Ansatz verhandelbar. Wir haben die Verantwortung für die Menschen, die hinter dem Deich leben. Und wir verstehen auch etwas von dieser Frage.

Hamburg nicht?

Senator Gedaschko möchte ich ein großes Lob aussprechen. Er hat in den letzten Monaten sehr viele Termine in Niedersachsen wahrgenommen und für die Hamburger Position geworben. Axel Gedaschko hat bei uns in Niedersachsen eine große Glaubwürdigkeit, schließlich war er einmal Landrat des Landkreises Harburg und kennt die Mentalität der Menschen. Wir sind bei der Elbvertiefung auf einem ordentlichen Weg. Aber das Thema ist noch lange nicht entschieden.

Was verbindet Sie mit Bürgermeister Ole von Beust?

Super Typ! Wir haben uns in der Bundesversammlung bestimmt eine Dreiviertelstunde unterhalten, als wir auf das Ergebnis gewartet haben. Ich habe ihn nach Tipps für die Amtsführung gefragt. Ich schätze seine Art, Politik zu machen. Sie ist meiner sehr ähnlich. Auch ich beteilige mich ungern an tagespolitischen Schreiereien in der Bundespolitik. Wir halten beide gerne den Ball flach.

Ole von Beust sagt: Ich bin nicht konservativ. Würden Sie das auch von sich sagen?

Ich würde eher sagen: Ich bin bodenständig.

Dann fahren Sie nicht so gern nach Sylt wie von Beust?

Ich bin lieber in Cuxhaven.