Bürgermeister Olaf Scholz rechnet mit wachsenden Einwohnerzahlen. Die Zusammenarbeit mit dem Umland hält er für unabdingbar.

Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) sprach beim Besuch in der Stormarn-Redaktion des Abendblatts über den Ausbau der S-Bahn, Grundstückspreise, Fluglärmärger und durchlässigere Landesgrenzen.

Hamburger Abendblatt : Die IG Flugschneise Nord klagt gegen den Hamburger Senat wegen des Fluglärms. 43 Prozent aller Starts und Landungen werden über dem Norden und Nordosten der Region abgewickelt. Können Sie den Menschen in Pinneberg, Norderstedt und Stormarn Hoffnung machen, dass die Beschwerden ernst genommen werden?

Olaf Scholz : Wir nehmen die Beschwerden der vom Fluglärm betroffenen Bürger sehr ernst. In der Fluglärmkommission sprechen Behörden, Verbände und betroffene Kommunen regelmäßig über Lärmprobleme und suchen gemeinsam nach Lösungen. Hamburg und Schleswig-Holstein haben übereinstimmend dafür gesorgt, dass die Lärmschutzzone des Flughafens ausgedehnt wird. Das ist mit sehr vielen Investitionen in den passiven Lärmschutz verbunden.

Wer im Speckgürtel lebt, kommt per Bahn nur auf Umwegen zum Flughafen. Er muss zum Hauptbahnhof nach Hamburg rein, dann wieder nach Fuhlsbüttel raus. Sollte der Hamburger Rand nicht besser angebunden werden?

Scholz : Inzwischen kommen 20 Prozent der Fluggäste mit der S-Bahn zum Flughafen. Die neue Flughafen-S-Bahn ist also ein großer Erfolg. Wir tätigen viele Investitionen, um den Nahverkehr zu verbessern. Wir wollen ein Gleis für die S 4 bauen, sodass sie viel mehr Fahrgäste transportieren kann. Dies ist das wichtigste Investitionsvorhaben. Ansonsten geht es immer darum, dass wir zusammen mit Schleswig-Holstein versuchen, den Nahverkehr im gesamten Hamburger Verkehrsverbund zu verbessern.

Also wird es erst einmal keine Verbesserung der Airport-Anbindung geben?

Scholz : Es geht nicht um die Frage, ob wir das wollen oder nicht wollen. Verkehrsinvestitionen sind teuer. Und das Geld liegt nicht einfach so herum.

Ihre Vorgängerregierung fand die Stadtbahn wichtiger als die S 4. Warum ist das bei Ihnen umgekehrt?

Scholz : Wer ehrlich ist im Umgang mit öffentlichem Geld, muss sagen: Neben S-Bahn, U-Bahn, Bussen und Fähren können wir uns ein weiteres Verkehrssystem nicht leisten. Es funktioniert ja nur, wenn man es als Gesamtnetz baut. Das wären über 40 Kilometer Stadtbahn und damit Kosten von etwa zwei Milliarden Euro. Die haben wir nicht.

Kommt die S 4 auf jeden Fall?

Scholz : Ich bin sehr optimistisch. Wir sind sehr weit. Das Planungsverfahren ist auf den Weg gebracht. Auch die Deutsche Bahn ist gewillt, das Projekt voranzutreiben. Einmal, weil sie als Betreiber der S-Bahn von den neuen Gleisen profitiert. Aber auch, weil mit dieser Entscheidung eine Entlastung des Hauptbahnhofs verbunden ist, denn die S-Bahn fährt auf eigenen Gleisen.

Die Handelskammer Hamburg und die IHK im Südosten Schleswig-Holsteins plädieren für eine Elbquerung bei Geesthacht, um eine östliche Autobahnumfahrung Hamburgs zu schaffen. Wie ist Ihre Haltung dazu?

Scholz : Wir sind uns mit den norddeutschen Ländern und dem Bund über die Notwendigkeit einer festen Elbquerung einig. Das steht in der Ahrensburger Liste ...

... eine unverbindliche Liste von Verkehrsprojekten, in der vieles aufgenommen wurde.

Scholz : Auf die sich die norddeutschen Ministerpräsidenten verständigt haben. Bei unserem Treffen am Donnerstag haben wir bekräftigt, dass wir diese Liste gemeinsam beim Bund durchsetzen wollen. Hamburg steht zu dieser Vereinbarung.

In Hamburg steigen die Grundstückspreise und die Mieten. Stört es Sie, wenn Hamburger die Stadt verlassen und nach Stormarn oder Pinneberg ziehen?

Scholz : Sie werden von mir die Klage von Bürgermeistern der 70er- und 80er-Jahre nicht hören, die sich oft sehr malerisch über die Folgen der Suburbanisation ausgelassen haben. Hamburg wächst. Ende der 2030er-Jahre werden wir 1,9 oder vielleicht sogar zwei Millionen Einwohner haben. Richtig ist: Die Senate der letzten zehn Jahre haben es versäumt, Wohnungsbau in Hamburg zu betreiben. Uns fehlen etwa 30 000 bis 40 000 Wohnungen. Deswegen wollen wir jetzt jährlich 6000 bauen. Hamburg wird trotzdem eine grüne Stadt bleiben. Wir haben noch viel Platz. Hamburg hat fast die Größe von Berlin, aber nur die Hälfte der Einwohner. Aber wer wo baut oder hinzieht, muss den Familien selbst überlassen bleiben. Kein Politiker sollte das Gefühl haben, er entscheide über das Glück der Bürger.

Kennen Sie das Gastschulabkommen mit Schleswig-Holstein?

Scholz : Ich weiß, was da drinsteht und worum es geht.

Ist es nicht absurd, dass es ein solches Abkommen gibt, das Eltern vorschreibt, wo sie ihre Kinder unterrichten lassen dürfen und wo nicht?

Scholz : Wir haben sehr viele Schüler aus dem Umland in Hamburg. Wir treiben dafür einen finanziellen Aufwand, der höher ist als das, was wir von Schleswig-Holstein als pauschale Erstattung dafür bekommen. Damit zeigen wir Gemeinschaftsgeist.

Ihr Parteikollege, der SPD-Landtagsabgeordnete Martin Habersaat, hat vorgeschlagen, dass die Bundesländer die Kosten schülergenau abrechnen - bei freier Schulwahl.

Scholz : Wir werden alle Vorschläge, die das Land Schleswig-Holstein an uns heranträgt, im Sinne gemeinschaftlicher Lösungen diskutieren.

Am 20. April wird der Staatsvertrag für die erweiterte Metropolregion besiegelt. Wer profitiert am meisten?

Scholz : Alle profitieren. Sonst würden ja nicht alle freiwillig diesen Vertrag schließen. Wir haben in Hamburg mehr als 300 000 Einpendler. Wir fühlen uns nicht nur für die Kernstadt, sondern für die gesamte Region verantwortlich. Da ist es sinnvoll, sich über Entwicklungsmöglichkeiten gemeinsam zu verständigen. Das ist der Sinn und Zweck des Staatsvertrags, und ich unterstütze diese Perspektive voll und ganz.

Wie sinnvoll sind angesichts dieser gemeinsamen Perspektive Landesgrenzen überhaupt noch?

Scholz : Sie sind da.

Wagen Sie eine Prognose zum Ausgang der Wahl in Schleswig-Holstein?

Scholz : Ich glaube, dass die SPD vorn liegen wird - wahrscheinlich noch etwas deutlicher, als sich das in den Umfragen widerspiegelt. Torsten Albig wird den Auftrag bekommen, eine Regierung zu bilden.

Wird es irgendwann einen gemeinsamen Parlamentsausschuss der beiden Bundesländer geben?

Scholz : Die Bürgerschaft hat ein solches Ansinnen an den Landtag in Kiel gerichtet. Ich habe sehr viel Sympathie für dieses Vorhaben.

Was erhoffen Sie sich davon?

Scholz : Ich erhoffe mir, dass - wenn die Eröffnungsreden gehalten worden sind - dort über viele konkrete Fragen und Detailprobleme gesprochen wird.