Es gehört zu den großen Tabuthemen. Frauen sprechen ungern darüber, wenn sie unter Senkungen von Blase, Darm oder Scheide leiden, Folgen eines Defektes oder eine Schwäche der Beckenbodenmuskulatur. "Dabei geht man davon aus, dass etwa jede zweite Frau, die ein Kind geboren hat, irgendwann eine Senkung bekommen könnte. Bei Frauen, die nie schwanger waren, jede Zehnte", sagt Dr. Markus Grebe, Oberarzt in der Klinik für Gynäkologie am Uniklinikum Eppendorf (UKE).

Die Entstehungsgeschichte ist bei den meist älteren Frauen ähnlich. "Sie haben einen angeborenen Bindegewebsdefekt oder eine Geburtsverletzung. Im Alter wird die Beckenbodenmuskulatur schwächer, es kommt zur Senkung mit Beschwerden, chronischen Verstopfungen oder Harn- oder Stuhlinkontinenz", sagt Grebe. Als Spezialist für solche Erkrankungen leitet er das neue Beckenbodenzentrum, das jetzt am UKE eröffnet wurde.

Schwerpunkt ist die intersdisziplinäre Behandlung von Frauen, die unter einer umfassenden Beckenbodenfunktionsstörung leiden (Senkungen von Darm, Blase und Scheide. "Meist reicht es nicht, wenn Urologen, Gynäkologen oder Chirurgen behandeln. Das zeigt sich an hohen Rückfallraten von bis zu 50 Prozent. Im Zentrum werden die Patientinnen von Spezialisten aller drei Fachrichtungen behandelt", sagt Grebe. "Die Patienten profitieren, wenn die Kompetenzen gebündelt sind und sie nicht von einem Facharzt zum nächsten geschickt werden. Viele Frauen haben eine Odyssee hinter sich", sagt Prof. Fritz Jänicke, Direktor der UKE-Frauenklinik.

Als Beispiel für die neuen Therapiestrategien nennt Grebe den Fall, dass eine Patientin wegen eines Darm- und Scheidenvorfalls operiert werden muss. "Diese Eingriffe führen wir jetzt in einer Operation durch, der Gynäkologe operiert die Scheide, der Chirurg den Darm. Die Erfolgsraten liegen über 80 Prozent", so Grebe.

Bei der Untersuchung sei es zunächst "wichtig, die Vorgeschichte zu erheben. Dann können wir mit Ultraschall die Beckenorgane und die Beckenbodenmuskulatur untersuchen". Dann wird entschieden, welche Therapie am sinnvollsten ist.

Bei einer Scheiden- oder Gebärmuttersenkung sind die Gynäkologen zuständig. "Am Anfang steht die konservative, nicht operative Therapie. Am häufigsten verordnen wir Beckenbodengymnastik unter Anleitung eines Physiotherapeuten. Die nächste Stufe wäre die Kombination mit Hilfsmitteln, wie Biofeedbackgeräten, mit denen die Patienten Rückmeldungen über den Erfolg des Beckenbodentrainings erhalten, oder Elektronervenstimulationsgeräte, mit denen man den Aufbau der erschlafften Muskulatur fördern kann."

Muss operiert werden, würde man zunächst versuchen, den Beckenboden dadurch zu rekonstruieren, dass man die Schwachstelle vernäht. Bei Patienten zwischen 50 und 65 reicht das oft nicht. "Bei Patientinnen mit einer schweren Senkung oder schwachem Bindegewebe können wir Netze einsetzen", sagt Grebe, Kunststoffnetze, die das Bindegewebe durchwachsen. "Netze zur Stabilisierung des unteren Scheidenbereichs können wir von der Scheide aus einsetzen. Bei Senkung des oberen Scheidendrittels, etwa nach Entfernung der Gebärmutter, können die Netze minimal invasiv eingesetzt werden", so Grebe. Sonst wird das Netz durch eine Operation mit Bauchschnitt eingesetzt. Wer sich im Zentrum behandeln lassen möchte, braucht eine Überweisung.

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