Bei schwerkranken Patienten reicht die eigene Atmung oft nicht aus, um den Körper mit genügend Sauerstoff zu versorgen. Sie werden künstlich beatmet. In der Asklepios-Klinik Barmbek gibt es jetzt eine Station, in der man wieder an das Atmen gewöhnt wird.

Schläuche überall, blinkende Monitore und ein Gewirr von Kabeln - wir sind auf der Intensivstation. Ein Patient liegt im Bett, wird künstlich ernährt, überwacht und über einen Schlauch in der Luftröhre beatmet. Bei schwerkranken Patienten reicht die eigene Atmung oft nicht aus, um den Körper mit genügend Sauerstoff zu versorgen und das in den Zellen entstehende Kohlendioxid abzuatmen. Dann übernimmt ein Beatmungsgerät diese Aufgabe, manchmal nur für einige Tage, oft aber auch für einige Wochen.

"Bei diesen langzeitbeatmeten Patienten kann es schwierig werden, sie vom Beatmungsgerät zu entwöhnen", sagt Prof. Heinrich Becker, Chefarzt der Abteilung für Pneumologie und internistische Intensivmedizin in der Asklepios-Klinik Barmbek.

Um den Schwerkranken zu helfen, dass sie wieder selbstständig atmen, hat Becker jetzt in seiner Abteilung eine sogenannte Weaning(Entwöhnung)-Station mit vier Betten eingerichtet. "Sie ist gedacht für Patienten, die für mindestens zwei bis drei Wochen künstlich beatmet wurden, häufig nach Operationen, bei schweren internistischen Erkrankungen, Lungenentzündungen oder schweren Atemwegserkrankungen, zum Beispiel einer Raucherlunge", erklärt der Lungenspezialist, der im August 2006 die Leitung der neuen Abteilung im AK Barmbek übernommen hat.

Patient gerät in Panik

Dass es mit einer Entwöhnung Probleme geben könnte, zeigt sich dann, wenn die Unterstützung der Atmung reduziert wird. "Wenn man dann das Beatmungsgerät abschaltet und den Patienten atmen lässt, bekommt er Luftnot, gerät unter Stress, das Kohlendioxid im Blut steigt an, die Atemfrequenz nimmt zu, der Puls steigt, der Patient gerät in Panik und muss wieder an die Beatmung angeschlossen werden." Die Spezialisten in Barmbek arbeiten nach einem speziellen Konzept, um den Patienten von der Maschine wegzubekommen. Wie genau das funktioniert, erklärt Becker an einem Beispiel: "Der typische Fall ist ein Patient mit einer chronischen Verengung der Atemwege, der nach einer Infektion 40 Tage lang künstlich beatmet wurde. Nachdem in einem auswärtigen Krankenhaus mehrere Entwöhnungsversuche fehlgeschlagen sind, kommt er auf unsere Station. Dann schauen wir zunächst, wie er bislang beatmet wurde, untersuchen, ob er eine behandlungsbedürftige Infektion hat, ob seine Grunderkrankung optimal medikamentös eingestellt ist und ob weitere Faktoren vorliegen, die die Entwöhnung erschweren, wie zum Beispiel Blutarmut, Elektrolytstörungen, Mangelernährung, psychi-sche Störungen oder starkes Übergewicht."

Dann wird der Patient am ersten Tag komplett beatmet. Am zweiten Tag wird die Unterstützung reduziert. "Wenn das gut funktioniert, versuchen wir, ihn spontan atmen zu lassen, aber nicht länger als fünf Minuten. Denn das ist für den Patienten sehr anstrengend", so Becker. Dann werden diese Phasen langsam verlängert und immer häufiger durchgeführt, bis der Patient tagsüber selbstständig atmet. "Doch auch dann gibt es Phasen, vor allem im Schlaf, in denen die Atmung nicht ausreicht. In den meisten Intensivstationen werden die Patienten dann wieder beatmet, und man kommt aus dem Teufelskreis nicht heraus. Auf unserer Station helfen wir dem Patienten mit der Beatmung über eine Maske über solche kritischen Phasen hinweg, insbesondere nachts. Mit dieser Unterstützung ist er tagsüber ausgeschlafen und hat dann meist auch wieder genug Kraft, um allein zu atmen. Nachts bekommt er noch so lange eine Unterstützung, bis die Spontanatmung tagsüber problemlos funktioniert. Dann wird auch die nächtliche Beatmung reduziert", so Becker. "Während der Entwöhnung brauchen die Patienten auch sehr viel seelische Unterstützung. Wir müssen sie ermutigen, ihnen die Angst nehmen, ihnen die Sicherheit geben, dass nichts schiefgehen kann", sagt der Lungenfacharzt. Einen hohen Stellenwert in der Behandlung hat auch die physikalische Therapie. "Der erste Schritt ist, den Patienten aus der liegenden in eine sitzende Position zu bringen, weil die Atemmechanik im Sitzen wesentlich günstiger ist: Die Patienten können leichter atmen und halten das auch länger durch. Zudem müssen mithilfe der Krankengymnastik die Atemmuskulatur und die gesamte Körpermuskulatur wieder gekräftigt werden, sodass der Patient ausreichend beweglich wird und wieder tief durchatmen kann", erklärt Becker.

In der Regel sind die Patienten etwa 14 Tage auf der Station, im Durchschnitt dauert es zehn bis zwölf Tage, bis der Patient spontan atmet. "Wenn dann der Zustand stabil bleibt und keine Atemprobleme auftreten, wird er nach weiteren zwei Tagen auf die Normalstation oder in die Reha verlegt", erklärt Becker. Das Ziel ist: Die Patienten sollen selbstständig atmen, wenn sie nach Hause entlassen werden. "Das erreichen wir in 50 Prozent der Fälle. Ein Viertel der Patienten ist auch bei Verlassen der Station auf atemunterstützende Hilfe angewiesen, manche brauchen noch eine komplette Beatmung, andere nur eine nächtliche Unterstützung durch die Maske. 25 Prozent der Patienten versterben an den Folgen ihrer Grunderkrankung. Denn bei allen Patienten handelt es sich um schwerstkranke Menschen."

Pro Jahr werden in Hamburg 5000 Menschen künstlich beatmet, 750 länger als zwei Wochen, "20 bis 30 Prozent brauchen eine Entwöhnung", so Becker. Die neue Station soll auch Patienten aus anderen Hamburger Kliniken und aus dem Umland mitversorgen, bei denen eine Entwöhnung vom Beatmungsgerät auf herkömmlichen Intensivstationen fehlgeschlagen ist. "Vor diesem Hintergrund werden wir wahrscheinlich zum Oktober dieses Jahres die Kapazitäten der Station auf acht Betten ausweiten", sagt Becker. Weitere solcher Entwöhnungsstationen gibt es im Krankenhaus Großhansdorf, im AK Wandsbek und im AK Harburg.