In einer Studie wollen die Wissenschaftler klären, wie mehr körperliche Aktivität im Alltag Menschen mit einer Depression helfen kann. Die Psychologen wendeten dabei eine bestimmte Technik an.

Hamburg. Wer an Depressionen leidet, hat es oft schwer, Freunde zu treffen oder mal einkaufen zu gehen. Die schlechte Stimmung wird zu einer Hürde, die unüberwindbar scheint und jede Aktivität im Keim erstickt, was die Symptome der Depression noch verstärkt. Ein Ziel der Therapie ist daher die Aktivierung der Betroffenen. Psychologen der Uni Hamburg untersuchen in Studien, wie sich diese Hindernisse überwinden lassen und mehr Aktivität Symptome der Depression lindern kann. Die erste Studie mit 47 Teilnehmern ist abgeschlossen. Eine weitere Studie, für die noch Teilnehmer gesucht werden, soll jetzt folgen.

In der ersten Studie wurde untersucht, ob ein Motivationsprogramm Menschen mit Depression helfen kann, ihre Inaktivität zu überwinden. Dabei ging es um drei Bereiche: „Jeder Patient hat ein eigenes Ziel ausgesucht: körperliche oder soziale Aktivierung oder den Abbau von Grübeleien, die für die Depression typisch sind. Das heißt nicht mehr so lange darüber nachzudenken, wie schlecht die eigene Stimmung ist, oder Gedanken, die ständig um Schuld und Versagen kreisen, zu stoppen“, erklärt Dr. Anja Fritzsche, Studienleiterin und wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Hamburg im Fachbereich klinische Psychologie/Psychotherapie und psychologische Psychotherapeutin.

In der Studie kamen die Psychologen zu dem Ergebnis, dass ein Motivationstraining bei Menschen mit Depression genauso erfolgreich ist wie bei Gesunden. Die Studienteilnehmer konnten ihre Depressivität mit der Aktivierung in diesen drei Bereichen verringern. Auch bei der Nachuntersuchung vier Wochen nach Abschluss des Motivationstrainings war dieser Effekt noch nachweisbar, ohne dass in der Zwischenzeit eine weitere Therapie stattgefunden hatte. Diese Untersuchung war nur eine kleine Pilotstudie. „Die Ergebnisse müssen noch in großen Studien weiter geprüft werden“, sagt Fritzsche.

Um den Patienten den Weg in ein aktiveres Leben zu erleichtern, wendeten die Psychologen eine bestimmte Technik an. „Dabei ging es darum, Ziele zu formulieren und mit positiven Fantasien zu verbinden und diese den Hindernissen, die ebenfalls abgefragt wurden, gegenüberzustellen“, sagt Fritzsche. Ein Beispiel: das Ziel lautet „Ich möchte gern mal wieder meine Freunde anrufen“, die positive Fantasie dazu „Es wird bestimmt schön, mich mal wieder mit ihnen zu treffen“ und das Hindernis „Aber ich weiß nicht, ob ich in Stimmung bin, ob ich das kann“. „Daraus haben wir dann gemacht: ,Ich nehme mir vor, nächste Woche meine Freunde mal wieder anzurufen, und wenn ich merke, dass ich mich nicht aufraffen kann, dann sage ich mir, du wolltest das doch machen, und es wird dir guttun.‘ Oder: ,Wenn ich morgen Mittag mit dem Haushalt fertig bin, dann rufe ich meine Freundin an.‘ Damit wollen wir die Absicht an eine Handlung binden und so die für eine Depression typischen inneren negativen Einstellungen überwinden“, erklärt die Psychologin.

Denn Patienten mit Depressionen sehen immer sehr viel mehr Hindernisse als gesunde Menschen. Und wenn man beides in die Waage bringt, also sich die positiven Fantasien anschaut und eventuelle Hindernisse realistisch einschätzt, dann ist es eher möglich, diese zu überwinden. „Sie werden oft auch gar nicht so hoch und schlimm eingeschätzt, wenn man sich damit auseinandersetzt“, sagt Fritzsche.

Zunächst wollen die Psychologen in einer weiteren kleinen Studie klären, ob allein körperliche Aktivität die Depressivität verringert und die negative geistige Grundhaltungen der Patienten verbessert. Denn vielen Menschen mit einer Depression fehlt der Glaube, selbst etwas bewegen zu können. Sie gehen eher davon aus, dass andere oder der Zufall es sind, die ihr Leben bestimmen, aber nicht sie selbst. Ihnen fehlt das Selbstbewusstsein, das Gefühl, selber etwas tun zu können, ihr Leben in der Hand zu haben.

In der neuen Studie soll es darum gehen, körperliche Aktivität so in den Alltag einzubauen, dass sie unabhängig und eigenständig durchgeführt werden kann, zum Beispiel Gartenarbeit, Radfahren, Spaziergänge oder Treppen steigen statt den Fahrstuhl zu nehmen. Zusammen mit den Studienleitern und Psychologen entwickeln die Teilnehmer Pläne für die Erreichung ihrer Ziele, die ihnen helfen, aktiv zu werden.

Dafür, warum Aktivität Symptome der Depression lindern kann, gibt es unterschiedliche Erklärungsmodelle. „Zum einen werden mehr Nervenbotenstoffe gebildet, wie zum Beispiel das Serotonin. Zum anderen gibt es das psychologische Modell der positiven Verstärkung: Danach entsteht durch die Erfahrung, etwas geschafft zu haben, ein positives Erlebnis, das dazu motiviert, diese Handlung zu wiederholen“, sagt die Psychologin. Also wer es schafft, sich trotz der Depression aufzuraffen, zwei Stunden in den Garten zu gehen und Unkraut zu zupfen, sieht, was er geschafft hat. Das wirkt als positive Verstärkung, die es mit jedem weiteren Mal leichter macht, sich mit der Gartenarbeit zu beschäftigen.