Am Montag beginnt die Aktionswoche „Hamburg rettet Leben“. Mit einem Kurs wollen Ärzte Eltern helfen, in Notfällen den Zustand ihres Kindes besser einschätzen zu können

Wenn kleine Kinder krank werden, sind Eltern besorgt und unsicher, ob es sich nur um einen harmlosen Infekt handelt oder um etwas Schlimmeres. Oft ist es auch nur ein vages Gefühl, dass etwas nicht stimmt, dass sie dazu bewegt, mit ihrem Kind zum Arzt zu gehen. „Der subjektive Eindruck von Eltern, dass das Kind anders ist als sonst, ist der häufigste Grund für einen Besuch in der Notfallambulanz“, sagt Ekaterini Kougioumtzi, Oberärztin für Neonatologie und Intensivmedizin im Katholischen Kinderkrankenhaus Wilhelmstift. „Man sollte auf das eigene Bauchgefühl hören und frühzeitig professionelle Hilfe in Anspruch nehmen, lieber einmal zu viel als einmal zu wenig“, sagt Dr. Michael Wünning, Leitender Arzt des Zentrums für Notfall- und Akutmedizin im Katholischen Marienkrankenhaus.

Manchmal hilft auch schon das Wissen über Besonderheiten des kindlichen Körpers, um eine Situation besser beurteilen zu können. Um Eltern etwas von ihrer Unsicherheit zu nehmen und ihnen zu helfen, den Zustand ihres Kindes besser einschätzen zu können, veranstaltet Wünning regelmäßig mit einem Kollegen aus dem Wilhelmstift Kurse für Eltern und Großeltern. Ein solcher Kurs ist auch Teil der Aktionswoche „Hamburg rettet Leben“. „Uns geht es darum, den Eltern einfache Mittel der Handhabung zu geben, mit denen sie zuerst abschätzen können: Brauche ich professionelle Hilfe? Muss ich sofort einen Arzt aufsuchen oder kann ich bis zum nächsten Morgen warten und dann zum Kinderarzt in die Praxis gehen“, sagt Wünning.

Auch im Notfall ist die wichtigste Regel für Eltern: Ruhe bewahren. „Die Eltern müssen Regie führen für ihr krankes Kind. Das heißt, sie müssen sich in einer Situation, in der sie Unbehagen empfinden, einmal kurz hinsetzen und innehalten, und abchecken: Ist das Kind so wie immer? Atmet es normal? Hat es Fieber? Ist die Hautfarbe so wie immer? Wie ist das Bewusstsein des Kindes? Dann sollten sie alles zusammentragen und entscheiden, ob sie eine Klinik aufsuchen“, sagt Kougioumtzi.

Das Verschlucken von Kleinteilen kann gefährlich werden

Die häufigsten Probleme bei Säuglingen und Kleinkindern, bei denen Eltern eine Klinik aufsuchen, sind Atemprobleme, Krampfanfälle und hohes Fieber. Wer meint, sein Kind leide unter Atemnot, sollte eine Checkliste durchgehen, rät Wünning: „Wie schnell atmet das Kind? Kinder atmen schneller als Erwachsene, Säuglinge im Schnitt 27-mal pro Minute, Kleinkinder 23-mal pro Minute. Ist es schläfrig oder aktiv, anders als sonst? Klingt das Atemgeräusch anders als sonst? Hustet es? Ist die Hautfarbe noch rosig oder wird es blau oder grau? Würgt es an irgendetwas?“ Leidet das Kind tatsächlich an Atemnot, sollte der Oberkörper hoch gelagert, die Atemwege frei gehalten und für frische, kühle Luft gesorgt werden. Ist es nicht ansprechbar, muss es in die stabile Seitenlage gebracht werden.

Für Atemnot gibt es vor allem drei Ursachen: Der Pseudokrupp, bei dem, ausgelöst durch einen Virusinfekt, die oberen Luftwege zuschwellen, das Asthma und Verschlucken eines Fremdkörpers. „Pseudokrupp fängt oft akut in der Nacht an, mit Problemen beim Einatmen und bellendem Husten. Beim Asthma sind die unteren Atemwege betroffen und das Kind hat Probleme beim Ausatmen“, sagt Wünning. „Gerade beim Pseudokrupp beruhigt sich durch kühle frische Luft von außen und Ruhe der Eltern ganz viel. Oft müssen die Kinder nur das erste Mal in die Klinik und danach nur, wenn die Medikamente, die der Kinderarzt verschrieben hat, nicht wirken“, sagt Kougioumtzi. Diese Erkrankung werde nur selten lebensbedrohlich. Beim Asthma kann die Atemnot gefährlich werden. „Wenn das Kind sich beim Atmen abstützen muss, keine Kraft mehr hat, handelt es sich auch um einen Notfall“, sagt Kougioumtzi. Zu beachten sei auch, dass Infekte der unteren Atemwege in der Nacht immer schlechter werden.

Gefährlich werden kann auch das Verschlucken von Kleinteilen, denn Kinder im Kleinkindalter stecken alles in den Mund. Dabei können dann auch kleine Spielzeugteile verschluckt werden. „In einem solchen Fall sollten Eltern das Kind nicht hochnehmen, sondern es leicht über ihre Oberschenkel auf den Bauch legen, sodass der Kopf etwas nach unten hängt. Dann sollten sie ihm mit einer ausstreichenden Bewegung der Hand zwischen die Schulterblätter klopfen“, rät die Ärztin. Auf keinen Fall aber sollte man dem Kind in den Mund greifen, um den Fremdkörper herauszuholen. „Denn dann schiebt man ihn weiter nach hinten und er kann sich verkanten. Weil Eltern nicht wissen, wo der Fremdkörper sitzt, ob er ungefährlich ist und auf natürlichem Wege wieder den Körper verlässt, sollten sie ihr Kind von einem Arzt untersuchen lassen, wenn es etwas verschluckt hat.“

Hat ein Kind hohes Fieber, hängt es sehr von seinem Alter und Zustand ab, was zu tun ist. „Bei Fieber vor Ende des dritten Lebensmonats muss man mit dem Kind gleich zum Arzt. Auch ein Kind unter sechs Monaten muss ärztlich untersucht werden, wenn es länger als einen Tag Fieber hat. Bei älteren Kindern ist ein Arztbesuch dann nötig, wenn Fieber länger als drei Tage andauert, zu anhaltender Trinkverweigerung beim Kind führt oder anhaltender Müdigkeit und Schwäche“, sagt Kougioumtzi. Wenn Kinder hohes Fieber haben, kann es auch zum Fieberkrampf kommen. „Das sieht meist schlimmer aus als es ist, aber beim ersten Fieberkrampf sollte man immer den Rettungsdienst rufen“, sagt Wünning.

Für die Wiederbelebung bei Kindern und Säuglingen werden die Richtlinien gerade neu diskutiert. „Da man festgestellt hat, dass bei Erwachsenen die Herzdruckmassage viel wichtiger ist als die Atemspende, geben wir jetzt auch bei Kindern die Empfehlung: Wer die Atemspende beherrscht, sollte die Wiederbelebung mit fünf Atemspenden beginnen und dann die Herzdruckmassage durchführen. Dabei sollten die Lippen Mund und Nase des Kindes abdecken, und es sollte behutsam Luft in den Brustkorb geblasen werden, bis sich der Oberkörper hebt und senkt. „Wer keine Erfahrung mit der Atemspende hat, sollte nur die Herzdruckmassage durchführen“, sagt Wünning. Die Atemspenden sollte man geben, wenn das Kind leblos daliegt und eine andere Hautfarbe hat, ohne vorher lange nach dem Puls zu suchen. Nach der Atemspende kurz warten, ob die Atmung wieder einsetzt, wenn nicht, mit der Herzdruckmassage beginnen, aber nur mit zwei Fingern bei Säuglingen, und nicht mit dem Handballen wie bei Erwachsenen oder größeren Kindern.

„Beim Säugling ist die gedachte Linie zwischen den Brustwarzen ein gutes Maß. Auf dieser Linie auf dem Brustbein liegt der obere Finger, der zweite gleich darunter. Dann sollte so fest gedrückt werden, dass das Brustbein spürbar nachgibt, mit einer Frequenz von 100 bis 120 pro Minute“, sagt die Ärztin. Bei zusätzlicher Atemspende sollte nach 30 Kompressionen zweimal beatmet werden, bei zwei Helfern nach 15 Kompressionen zweimal. „Eine gute Hilfe für den richtigen Rhythmus ist, wenn man laut die Sekunden zählt und dabei jedes Mal zweimal drückt“, sagt die Ärztin.