Hamburger Ärzte nutzen zur Behandlung verengter Herzkranzgefäße nun auch Gefäßstützen aus Milchsäure, die von selbst wieder verschwinden.

Hamburg. Stents sind auf dem Siegeszug. Schon seit Jahren nutzen Ärzte die winzigen Gewebestützen, um bei Patienten mit verengten Herzkranzgefäßen die Durchblutung wiederherzustellen. Allerdings implantierten die Mediziner in verengte Herzkranzgefäße nach dem Aufdehnen mit einem Ballon meist Stents aus feinen Metallgerüsten. Jetzt gibt es auch in Hamburg eine Alternative, die sich im Laufe der Zeit von selbst wieder auflöst - und im Idealfall die betroffene Arterie so hinterlässt, als wäre nichts gewesen. "Der resorbierbare Stent besteht aus einem Milchsäuregerüst und löst sich innerhalb von zwei Jahren komplett auf. Der Abbauprozess beginnt schon nach wenigen Wochen", sagt Prof. Stefan Blankenberg, Direktor der Klinik für Allgemeine und Interventionelle Kardiologie am Universitären Herzzentrum (UHZ) des Universitätsklinikums Eppendorf. Der Milchsäure-Stent kann seit Anfang September in Kliniken zur Therapie eingesetzt werden. Im UHZ wurden bisher drei Patienten damit behandelt, denen jeweils zwei Stents eingesetzt wurden.

Der neue Stent hat gegenüber den herkömmlichen Gefäßstützen aus Metall einige Vorteile: "Die Auswirkungen auf die Gefäßwand sind nicht so stark. Die Metall-Stents rufen strukturelle Veränderungen in der Gefäßwand hervor. Das soll bei den resorbierbaren Stents nicht so sein", sagt Blankenberg. "An der Stelle, wo die Gefäßstütze aus Metall eingesetzt wird, bleibt die Arterie starr und kann sich nicht zusammenziehen. Diesen Nachteil haben die neuen Stents nicht", ergänzt Dr. Britta Goldmann, Oberärztin in der Klinik.

Das Biomodell ist - wie auch bestimmte Metallstützen - mit Medikamenten beschichtet, die eine erneute Verengung verhindern sollen. Die Gefahr, dass sich wieder Engstellen bilden, besteht bei allen Stents, ist aber unterschiedlich hoch. "Das Risiko beträgt für unbeschichtete Metall-Stents 15 bis 20 Prozent. Für beschichtete Metallstützen liegt die Rate zwischen zwei bis fünf Prozent. Diese soll auch für die bioresorbierbaren Modelle gelten", sagt Blankenberg.

Und vielleicht gibt es noch einen weiteren Vorteil. Nach dem Einsetzen eines beschichteten Metall-Stents müssen die Patienten zwölf Monate lang blutverdünnende Medikamente einnehmen, weil das Risiko besteht, dass sich Blutgerinnsel bilden. "Das gilt auch für die resorbierbaren Gefäßstützen, aber möglicherweise lässt sich dieser Zeitraum noch verkürzen", sagt Blankenberg.

Aber nicht alle Patienten, die Verengungen der Herzkranzgefäße haben, können mit den selbst auflösenden Gefäßstützen behandelt werden. "Die Engstelle in der Arterie darf nicht hochgradig verkalkt sein. Das gilt auch für die Blutgefässe, durch die der Stent mithilfe eines Katheters von der Leiste aus bis zum Herzen vorgeschoben wird. Deswegen kommt das Verfahren am ehesten für jüngere Patienten infrage, bei denen die Gefäßverkalkung noch nicht so weit fortgeschritten ist", sagt Blankenberg. Die Engstelle in der Arterie muss vorher sorgfältig mit einem Ballon aufgedehnt werden und sie darf keine Unebenheiten mehr haben. "Denn das Milchsäuregerüst ist zwar auch stabil und flexibel, aber in seiner Struktur etwas empfindlicher als ein Metall-Stent", sagt Goldmann.

Um die optimale Stentgröße zu ermitteln, messen die Ärzte im UKE die Verengung mit der sogenannten quantitativen Coronaranalyse aus, bei der Röntgenkontrastmittelaufnahmen verwendet werden.

Das neue Modell hat allerdings einen stolzen Preis: Der resorbierbare Milchsäure-Stent kostet 3250 Euro. Im Vergleich dazu kosten normale Metallstützen zwischen 100 und 150 Euro und die medikamentenbeschichteten zwischen 250 und 350 Euro.

In diesem Jahr trägt das Universitäre Herzzentrum die Kosten noch selbst oder bekommt als Zentrum für diese Behandlung kostenlose Modelle vom Hersteller zur Verfügung gestellt. "Aber für das nächste Jahr verhandeln wir mit den Krankenkassen über einen Sonderetat für diese Stents. Wenn die Kassen die Kosten übernehmen, wollen wir ab dem kommenden Jahr diese Gefäßstützen bei denjenigen Patienten einsetzen, für die sie infrage kommen", sagt Blankenberg.

In der Kardiologie der Asklepios-Klinik St. Georg wird der Stent nach Auskunft des leitenden Oberarztes Prof. Martin Bergmann seit drei Monaten eingesetzt, zum Teil in einer Studie, in der er mit herkömmlichen medikamentenbeschichteten Stents verglichen wird, und zum Teil außerhalb der Studie als neue Behandlungsmethode. "Wir können damit in diesem Jahr noch 20 Patienten als Kassenleistung versorgen und setzen den Stent vor allem bei jungen Patienten mit umschriebenen Verengungen der Herzkranzgefäße ein", sagt Bergmann.

Um die richtige Größe des Stents zu bestimmen und ihn exakt in dem Blutgefäß zu positionieren, wenden die Ärzte in St. Georg ein spezielles Verfahren an, die Optische Cohärenztomografie, kurz OCT. Diese Methode arbeite mit Licht, wie eine kleine Kamera, mit der man sich das Blutgefäß von innen anschauen könne. "Sie ist eine optimale Hilfe, um diesen Stent einzusetzen."

Die Gefäßstützen aus Milchsäure sind zwar bisher die einzigen dieser Art, die außerhalb von Studien eingesetzt werden, aber es wird auch an anderen Materialien gearbeitet, die sich ebenfalls nach einiger Zeit auflösen. So gibt es auch Stents, die aus einer Magnesiumlegierung bestehen. "Das ist eine weitere Option, die zurzeit in Studien getestet wird", sagt Goldmann. Für Blankenberg jedenfalls sind die resorbierbaren Milchsäure-Stents eine so revolutionäre Entwicklung, "dass man sie unbedingt vorantreiben sollte".