Die Schau über den Pharao, die im Oktober nach Hamburg kommt, bietet viel Information und versetzt den Besucher in die Rolle des Entdeckers.

München. Die Event-Arena im Münchner Olympia-Park ist keine Weihehalle der Kunst, sondern ein multifunktionaler Schauplatz postmoderner Event-Kultur.

Darf man hier eine seriöse kunst- und kulturgeschichtliche Ausstellung erwarten - oder doch nur ein oberflächliches Spektakel, das viel Erlebnis verheißt, ohne allzu viel Erkenntnis zu bringen? Über dem Eingang, vor dem sich in den letzten Wochen häufig lange Besucherschlangen gedrängt haben, prangt ein Großplakat mit der Goldmaske des populärsten aller Pharaonen, dazu die Aufschrift "Tutanchamun - Sein Grab und die Schätze". Es geht um eine Ausstellung, die zuvor schon in Zürich und in Brünn Hunderttausende anlockte und vom 1. Oktober an auch in Hamburg für Furore sorgen wird.

Tutanchamun ist ein Mythos, ein Selbstgänger, ein Kassenschlager. Der früh verblichene Pharao aus der 18. Dynastie, dessen reich gefülltes Grab erst im Jahr 1922 wiederentdeckt wurde und seither nach allen Regeln der Kunst vermarktet wird, hat alles, was die Fantasie der Menschen beflügelt: Erhabenheit und Geheimnis, Tragik und Reichtum, Größe und Schönheit. Millionen Besucher sind seit 1962 in Ausstellungen gepilgert, in denen in den USA und Kanada, in Russland und Westeuropa Teile des unermesslichen Schatzes zu sehen waren. Auch wenn es sich meist um nur wenige Exponate aus dem Gesamtbestand handelte, entfalteten die kostbaren Originale ihre besondere Aura, die den Besuchern das Gefühl vermittelte, den Hauch der Ewigkeit zu spüren.

In München kann sich dieses Gefühl schon deshalb nicht einstellen, weil es sich bei all dem, was hier gezeigt wird, nur um Kopien handelt. Gewiss, die Qualität dieser Repliken wird auch von Fachleuten gewürdigt. Ägyptische Kunsthandwerker haben sie teilweise mit den originalen Materialien, oft auch mit den überlieferten Techniken hergestellt und sich dabei weitmöglichst an die Vorlagen gehalten. Aber selbst die perfekteste Kopie kann das Original nicht ersetzen.

Oder etwa doch? "Wir wollen die Originale gar nicht ersetzen. Originale stehen für die Authentizität. Aber sie können ein Original sehr schlecht in den historischen Kontext stellen, so wie wir das hier mit den Repliken tun. Insofern ergänzen sich Original und Replik", sagt der Ägyptologe Wolfgang Wettengel, der gemeinsam mit seinem Kollegen Martin von Falck das wissenschaftliche Konzept der Ausstellung verantwortet.

Was er damit meint, wird dem Besucher zunächst noch nicht klar. Im Eingangsbereich ist nichts inszeniert, stattdessen gibt es eine Fülle von Texten und großformatigen Fotografien zu Geografie, Geschichte und Religion des Alten Ägypten. Hier muss der Besucher erst einmal durch, auch wenn er sich vielleicht nicht auf jedes kulturgeschichtliche Detail einlassen mag. Anschließend werden in kurzen Filmen die drei wichtigsten Protagonisten vorgestellt: Amenophis III., Echnaton und Tutanchamun, die eigentliche Hauptfigur. Eine reine Erlebnisausstellung würde mit weit weniger wissenschaftlicher Information auskommen. Hier werden die Besucher jedoch auf fast schon ein bisschen altmodische Weise auf das vorbereitet, was sie erwartet. Nun erst setzt eine geschickte Dramaturgie ein, indem Howard Carter ins Spiel kommt, jener Mann, der nach jahrzehntelangen Mühen am 17. Februar 1923 als Erster die Wunder der geheimnisvollen Grabkammer des Gottkönigs mit eigenen Augen sah: Mit geschickt aufeinander abgestimmten Spiel- und Dokumentarszenen erzählt ein Film die Geschichte des britischen Ausgräbers, der als 17-Jähriger nach Ägypten kam, wenige Jahre später Chefinspektor der Altertumsverwaltung war, nach einer Intrige seinen Dienst quittierte und später die Chance erhielt, auf Kosten eines steinreichen britischen Adligen im "Tal der Könige" nach dem Grab von Pharao Tutanchamun zu suchen.

Als er schließlich nach etwa 3300 Jahren als erster Mensch in die Grabkammer blicken durfte, soll er gesagt haben: "Ich sehe wunderbare Dinge." Genau hier setzt die Inszenierung ein, denn nach dem letzten Bild des Films eröffnet sich dem Besucher jener Blick, den Carter damals gehabt hat: Nun tritt er ein in die drei Grabkammern, die im Maßstab 1:1 exakt so rekonstruiert worden sind, wie die Entdecker sie vorgefunden haben. Fasziniert betrachtet man das beinahe rumpelkammerartige Durcheinander, in dem die unermesslichen Schätze, die goldenen Schreine, Särge, Ritualbetten, die Staatswagen, Truhen und Kästen, die Götterfiguren und Schiffsmodelle Jahrtausende überdauert haben. An späterer Stelle werden die Einzelobjekte noch museal präsentiert, doch bei der Inszenierung der Grabkammern spielt die Repliken-Ausstellung ihre eigentliche Stärke aus, denn niemals wäre eine solche Präsentation mit den fragilen Originalen möglich.