In der Asklepios-Klinik St. Georg erhielt erstmals ein 80-Jähriger eine Kombination von hoch dosierten Medikamenten und Stammzellen.

Hamburg. "Ein bisschen schlapp fühle ich mich noch. Aber es geht täglich bergauf", sagt Wolfgang Müller. Doch wenn der 80-Jährige lebhaft von den vergangenen Monaten erzählt, ist ihm kaum noch etwas anzumerken von den Strapazen, die er in dieser Zeit verkraften musste. Er ist der erste Patient in der Asklepios-Klinik St. Georg, der in so hohem Alter wegen eines Lymphdrüsenkrebses mit einer hoch dosierten Chemotherapie behandelt worden ist und anschießend eine Stammzelltransplantation erhielt. Diese Zellen, die ihm vor der Behandlung entnommen wurden, haben die Bildung von Blutzellen in seinem Knochenmark wieder angeregt, die durch die hoch dosierte Chemotherapie zerstört waren.

Das wesentliche Risiko dieser Behandlung ist eine Infektion. Denn durch die Hochdosistherapie kommt die Blutbildung und damit die körpereigene Abwehr völlig zum Erliegen. Zudem werden Schleimhäute im Mund und im Darm angegriffen, sodass Keime leicht ins Blut gelangen und eine Blutvergiftung auslösen können. Gerade für ältere Patienten kann das eine enorme Belastung sein.

Die Behandlung ist heute nicht mehr eine Frage des Alters

"Das Höchstalter für diese Therapie hat man vor 20 Jahren noch bei 50 Jahren angesetzt, vor fünf Jahren noch bei 60 Jahren", sagt Prof. Norbert Schmitz, Chefarzt der Hämatologie in der Klinik St. Georg. Im Laufe der Zeit verschob sich diese Altersgrenze immer weiter nach oben. "Verschiedene Entwicklungen haben dazu geführt, dass diese Therapie sicherer geworden ist. Mittlerweile gibt es bessere Antibiotika und Blutprodukte und verschiedene Mittel für die Chemotherapie. Und wir Ärzte haben mehr Erfahrung mit dieser Form der Behandlung. So haben wir im Laufe der Jahre gelernt, welche Patienten sich für eine solche Therapie eignen und welche nicht", sagt der Hämatologe. Heute sei die Therapie nicht mehr eine Frage des Alters, sagt Schmitz, "sondern die Patienten werden genau untersucht, und danach wird das individuelle Risiko eingeschätzt".

Für Wolfgang Müller war diese Therapie bereits die zweite Behandlung. Vor vier Jahren ging er zum Hals-Nasen-Ohrenarzt, weil er immer Schleim im Mund hatte. Dieser schickte ihn nach der Untersuchung zu einer Gewebeprobe ins Krankenhaus. Die Diagnose: Mantelzelllymphom. Das ist eine Form des Lymphdrüsenkrebses, die besonders bösartig ist und vor allem Symptome im Mund und im Magen-Darm-Trakt verursacht.

Lymphdrüsenkrebs gehört in Deutschland zu den häufigsten Krebserkrankungen. Die Häufigkeit nimmt mit dem Alter zu. Das Mantelzelllymphom zählt unter den rund 90 Arten des Lymphdrüsenkrebses zu den seltenen Formen, und das mittlere Erkrankungsalter liegt bei 70 Jahren.

Stammzellen sorgen dafür, dass die Blutbildung wieder in Schwung kommt

Wolfgang Müller erhielt eine Chemotherapie, die zunächst auch Erfolg zeigte. Doch im März 2011 kehrte der Krebs zurück. "Mein Arzt sagte mir, dass man jetzt eine klassische Chemotherapie anwenden könnte, aber trotzdem das Risiko bestehe, dass es innerhalb von zwei bis drei Jahren zu einem erneuten Rückfall komme", erzählt Müller. Er wurde zu Prof. Schmitz überwiesen. Nach umfangreichen Untersuchungen begann die Behandlung: Auf zwei klassische Chemotherapien folgte abschließend eine dreimal so starke Hochdosis-Chemotherapie. Die ersten beiden Therapien überstand der 80-Jährige ganz gut. Bei der Hochdosis-Chemotherapie ging es ihm schlecht. Er fühlte sich schlapp, hatte keinen Appetit mehr und nahm acht Kilo ab. "Aber zum Glück traten keine weiteren Komplikationen auf, kein Fieber und keine Infektionen", berichtet Schmitz.

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Nach der Hochdosis-Therapie erhielt Wolfgang Müller die Infusion mit den Stammzellen. "Wenn man die eigenen Stammzellen hinterher zurückgibt, kann man die Medikamente wesentlich höher dosieren. Wenn man die Medikamente, die Herr Müller bekommen hat, so geben würde, würde sich die Blutbildung nicht mehr erholen und wäre für den Rest seines Lebens zerstört. Deswegen sorgt man durch die Stammzellen dafür, dass die Blutbildung wieder in Schwung kommt. Sie suchen sich ihren Weg ins Knochenmark und beginnen dort, alle Typen von Blutzellen zu produzieren. Das dauert etwa zwei bis drei Wochen. Diese Zeit muss man durch Bluttransfusionen überbrücken", sagt Schmitz und betont auch, dass es bei dieser Erkrankung keine großen Alternativen zu der Hochdosis-Chemotherapie gebe.

Eingesetzt wird diese Behandlung auch bei anderen Formen des Lymphdrüsenkrebses, beim Plasmozytom, das vor allen die Knochen zerstört, und bei bestimmten Leukämieformen.

Wolfgang Müller kann jetzt darauf hoffen, dass der Krebs besiegt ist. "Wenn diese Therapie erfolgreich ist, könnte es sein, dass der Krebs vielleicht erst in sechs Jahren wieder durchbricht oder auch gar nicht. Ich will mindestens 92 Jahre alt werden. So alt ist mein Vater auch geworden."

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