Studenten erarbeiten anstelle von Semesterarbeiten Inhalte für die Online-Enzyklopädie. Ein Pilotprojekt bald auch in Deutschland

Hamburg. Das Prinzip klingt simpel: Im Rahmen von extra in den Lehrplan integrierten Kursen sollen Studenten anstelle von Seminararbeiten wissenschaftlich fundierte Artikel für Wikipedia verfassen und korrigieren. Die Internet-Enzyklopädie und die Wissenschaft sollen so stärker miteinander verzahnt werden. Was in einem Pilotprojekt in den USA bereits gut funktioniert, könnte demnächst auch in Deutschland starten.

Bei einem Altertum-Fachtreffen in Göttingen am vergangenen Freitag stellte Frank Schulenburg, Mitarbeiter der Wikimedia-Foundation in San Francisco, das Projekt erstmals vor deutschen Wissenschaftlern vor. "In den USA hatten wir mit diesem Konzept großen Erfolg", sagt Schulenburg. "Qualität und Umfang der Online-Einträge sind Datenanalysen zufolge deutlich gestiegen."

Mehr als 800 Studenten - unter anderem aus Berkeley und Harvard - haben an dem Pilotprojekt teilgenommen und innerhalb von 17 Monaten rund 8,8 Millionen Zeichen - das entspricht 5800 Druckseiten - zum Themenbereich "public policy" in die Internet-Enzyklopädie eingepflegt. Die Motivation der jungen Akademiker, sagt Schulenburg, sei sicherlich auch deshalb sehr groß gewesen, weil ihre Arbeiten nach der Bewertung durch die Professoren nicht im Müll gelandet seien, sondern künftig von einer breiten Masse online gelesen würden.

Die in den USA am Projekt beteiligten Hochschulen wollen die Kurse, in denen Artikel für Wikipedia geschrieben werden, nun sogar auf verschiedene Fachbereiche ausweiten. Und auch in Indien soll das ungewöhnliche Lehrprojekt noch in diesem Jahr Bestandteil der Studiengänge werden. In Pune (Bundesstaat Maharashtra) haben verschiedene Universitäten ihre Beteiligung am Wikipedia-Programm bereits zugesichert. "Bis 2013", sagt Schulenburg, "wollen wir auf diese Weise weltweit rund 10 000 Studentinnen und Studenten für das Wikipedia-Projekt gewinnen."

Die Wahrscheinlichkeit, dass auch deutsche Akademiker darunter sein werden, ist hoch: Für das Wintersemester plant Wikimedia Deutschland nun ebenfalls ein Pilotprojekt an einer süddeutschen Universität. Zudem hat nach Schulenburgs Vortrag in Göttingen eine Reihe von Lehrenden der Altertumswissenschaften Interesse am neuen Lehrkonzept bekundet.

Auch beim Institut für Archäologie an der Universität Hamburg stößt die Projekt-Idee auf positive Resonanz. "Im Rahmen der Bachelor-Studiengänge, die auch berufsqualifizierende Module beinhalten, sind Kurse, in denen Wikipedia-Inhalte verfasst und überprüft werden, sicher vorstellbar", sagt Juniorprofessor Dr. Stephan Faust.