Der Informatiker Karsten Becker entwickelt im Rahmen seiner Doktorarbeit die Elektronik eines Fahrzeugs, das 2012 ins All starten soll.

Hamburg. Wenn Karsten Becker in seinem Büro aus dem Fenster blickt, ist da eine graubraune Häuserwand. Doch wenn er sich vorbeugt, kann er ein Stück Himmel sehen - und seiner Fantasie freien Lauf lassen. Irgendwo dort oben, mehr als 355.000 Kilometer entfernt, kreist der Mond um die Erde. Minigolf spielen auf dem Mond, das wär's, denkt Becker, es ist eine verrückte Idee. Aber für den Anfang würde es ihm genügen, etwas Persönliches auf den Trabanten zu schicken: seine Doktorarbeit.

Ob dieser Traum in Erfüllung geht, steht noch in den Sternen, es gibt da ein Problem: Die Versandkosten liegen in Millionenhöhe. Dass Becker seine Doktorarbeit zu Ende bringt, ist dagegen realistisch, denn ein Prototyp steht schon auf seinem Schreibtisch: "Asimov Junior", ein weißes Gefährt auf Aluminiumrädern, 60 Zentimeter lang und 50 breit, ausgerüstet mit drei Kameras und einer schwenkbaren Solarzelle, die Sonnenenergie in Strom umwandelt. Becker klappt das Solarpanel hoch: Darunter liegen Platinen, Kabel und ein silberner Chip - "Asimov Juniors" Gehirn. "Mein Zuständigkeitsbereich", sagt Karsten Becker, 28.

Wessen Gerät als Erstes vom Mond sendet, der erhält 20 Millionen Dollar

Der Informatiker von der Technischen Universität Hamburg-Harburg gehört zu den "Part-Time Scientists", einer Gruppe von 52 Tüftlern, die weltweit verstreut an einem gemeinsamen Ziel arbeiten: den LunarX-Wettbewerb von Google zu gewinnen. Dabei geht es darum, bis Ende 2012 als erstes privat finanziertes Team ein Fahrzeug zu konstruieren, das mindestens 500 Meter auf dem Mond fährt und dabei Bilder zur Erde funkt. 20 Millionen Dollar Preisgeld hat das US-Unternehmen für das Team ausgelobt, dessen Fahrzeug dieses Ziel erreicht. Während seine Ingenieurskollegen sich um die Karosserie kümmern, übernimmt Karsten Becker eine führende Rolle bei der Elektronik. Dabei kommt ihm zugute, dass er sich auf sogenannte Field Programmable Gate Arrays (FPGA) spezialisiert hat.

Während ein Mikroprozessor, wie er in handelsüblichen PC arbeitet, von der Festplatte seine Rechenaufgaben erhält und diese Schritt für Schritt abarbeitet, muss man sich ein FPGA als Chip vorstellen, dessen Schaltkreise für sehr spezielle Rechenaufgaben programmiert werden können, wobei der Chip mehrere solcher "Arbeitsbereiche" enthalten kann. "Die Programmierung ist zwar aufwendig, aber wenn einem FPGA erst einmal bestimmte Aufgaben zugewiesen worden sind, erledigt es sie oft schneller als ein Mikroprozessor", erklärt Becker.

Weil ihr Mondfahrzeug sehr spezielle Aufgaben erfüllen soll, hat sich das Team früh für FPGA entschieden. Ein Glücksfall für Karsten Becker, dessen Doktorarbeit über FPGA weniger spektakulär ausgefallen wäre, wenn er 2009 nicht ein Video vom Kongress des Chaos Computer Clubs gesehen hätte, wo die Part-Time Scientists ihr Projekt vorstellten. Sofort bot er seine Unterstützung an; seit Januar 2010 macht er nun mit beim Wettrennen zum Mond.

Für seine Doktorarbeit will Becker am Beispiel des Mondfahrzeugs erproben, wie sich FPGA einfacher programmieren lassen und weniger Strom verbrauchen. Denn bei seiner Mondspritztour wird das Gefährt viel Energie benötigen: für den Antrieb, für die Kameras, die dreidimensionale Bilder in HD-Qualität aufnehmen, für die Komprimierung der Daten und für die Antenne.

Doch der Stromverbrauch ist nicht die einzige Herausforderung, der sich Becker und sein Team stellen müssen. Auf dem Mond wird es tagsüber bis zu 130 Grad heiß, nachts sinkt die Temperatur bis auf minus 160 Grad. Ob "Asimov Junior" das aushält, werden die Forscher in einer Thermokammer testen. Außerdem herrscht auf dem Mond Vakuum. Daher könnte es zu Kaltverschweißungen kommen: Dabei verbinden sich Metallstücke mit sehr glatter Oberfläche. Damit das bei ihrem Antrieb nicht passiert, erprobt das Team spezielle Motoren.

Der Materialwert für "Asimov Junior" liegt bei 25 000 Euro. Verschulden müssen sich Becker und sein Team aber nicht, weil sie von Partnern aus der Industrie Unterstützung erhalten. Geld fehlt den Tüftlern trotzdem, 16 Millionen Euro. So viel würde es nämlich kosten, wenn sie das fertige Gefährt wie geplant Ende 2012 mit einer Rakete des Unternehmens SpaceX zum Mond schießen würden. "Wir suchen nach Sponsoren", sagt Becker, "ich bin sehr zuversichtlich, dass wir das Geld zusammenbekommen." Aber ist es nicht irrsinnig, so viel auszugeben, nur damit ein Vierrad kurz über den Mond rollt? Becker lacht. Er könnte jetzt über technischen Fortschritt reden, doch er sagt: "Ich glaube, das Projekt wird viele Menschen begeistern. Es ist gute Werbung für den Beruf des Ingenieurs. Und es macht einfach verdammt viel Spaß!"

Vier von 21 Teams hält Karsten Becker für ernst zu nehmende Konkurrenten

Von den 21 angemeldeten Teams sehe er nur vier als "ernst zu nehmende Konkurrenten", sagt Becker. "Doch selbst wenn ein anderes Team vor uns auf dem Mond sein sollte: Wir werden unser Fahrzeug auf jeden Fall hochschicken. Wenn wir die Mittel haben."

Asimov R2 - seine ersten "Schritte"

Quelle: www.part-time-scientists.com