Der Frühling naht, da sollen die Pfunde purzeln, und innere Einkehr tut dem Körper auch gut. Experten raten bei drastischen Kuren zu Vorsicht.

Eine Auszeit von Alkohol und Zigaretten, von Süßigkeiten und Schokolade, vom Fleisch: Viele Menschen nutzen die Fastenzeit, um auf lieb gewordene Laster zu verzichten. "Sieben Wochen ohne" etwa ist zu einer erfolgreichen Bewegung geworden. Es geht um mehr als Abspecken: um Konsumverzicht und Selbstfindung. In einer aktuellen Forsa-Umfrage sagten 51 Prozent der Teilnehmer, dass sie schon mindestens einmal für mehrere Wochen bewusst auf Genussmittel oder Konsumgüter verzichtet haben.

Einige gehen noch weiter. Sie unterziehen sich einer radikalen Fastenkur - aus ganz unterschiedlichen Gründen: Die einen wollen die eigene Ernährungsweise überdenken. Andere wollen den Körper reinigen und sich auf sich selbst besinnen. Und viele verlockt im Frühjahr die Aussicht, schnell ein bisschen Winterspeck loszuwerden und überflüssige Pfunde zu verlieren.

+++ Fett weg? Experten warnen vor radikaler Fastenkur +++

Aber an der Frage nach der richtigen Methode scheiden sich die Geister. Zahlreiche Anbieter preisen Fastenkuren an, bei denen komplett auf die Zufuhr fester Nahrung verzichtet wird.

Das Fasten nach Buchinger geht zurück auf den Arzt Dr. Otto Buchinger (1878-1966). Die Kur wird eingeleitet mit einem Entlastungstag, an dem man nur noch Obst, Gemüse und Reis, Wasser und Tees zu sich nimmt. Danach beginnt das eigentliche Fasten. Auf dem Speiseplan stehen ab jetzt nur noch Getränke: morgens eine große Tasse Tee, mittags ein Viertelliter Gemüsebrühe, abends ein Viertelliter Obst- oder Gemüsesaft und zusätzlich über den Tag verteilt Wasser und Tee, gesüßt mit höchstens drei Teelöffeln Honig pro Tag. Täglich sollten 2,5 Liter getrunken werden. Während des Fastens ist körperliche Bewegung nötig, um die Ausscheidungsprozesse des Körpers anzuregen, daneben sind Zeiten der Entspannung und Ruhe wichtig.

An die reine Fastenkur schließt sich eine Aufbauphase an, in der langsam wieder mit leichter Kost eine vollwertige Ernährung aufgebaut wird. Diese Phase beginnt mit dem Fastenbrechen am letzten Fastentag: mittags ein Apfel, abends eine Kartoffelsuppe. Dr. Françoise Wilhelmi de Toledo, die Kodirektorin der Buchinger-Klinik in Überlingen am Bodensee, empfiehlt als sinnvolle Mindestdauer dieser Fastentherapie 14 Tage; darin sind ein Entlastungstag und vier Aufbautage enthalten.

Eine weitere Methode ist das Mayr-Fasten , das auf den österreichischen Arzt Franz Xaver Mayr (1875-1965) zurückgeht. Kernstück dieser Fastenkur ist die Ernährung mit altbackenen Weißmehlbrötchen und Milch: Morgens und mittags wird jeweils ein Brötchen langsam gegessen und gründlich gekaut. Dazu gibt es löffelweise etwas Milch. Zusätzlich sollten pro Tag zwei bis drei Liter stilles Mineralwasser und Kräutertees getrunken werden. Spezielle Bauchmassagen, Leberwickel und eventuell Einläufe begleiten diese Fastenkur. Sie sollte vier Wochen dauern und in einer Kurklinik stattfinden.

Der Hamburger Ernährungspsychologe Prof. Joachim Westenhöfer hält solche radikalen Fastenkuren allerdings für wenig hilfreich und bei längerer Dauer sogar für gefährlich. "Die Umstellung auf den Fastenstoffwechsel bewirkt zwar, dass auch Fettreserven abgebaut werden", sagt er. "Da das Gehirn in seinem Stoffwechsel auf Kohlenhydrate angewiesen ist, hat man beim Fasten relativ schnell keine Kohlenhydratspeicher mehr. Dann muss der Organismus auch Muskelgewebe abbauen, um aus dem Eiweiß in den Muskeln Kohlenhydrate zu gewinnen, mit denen das Gehirn versorgt werden kann. Deswegen ist dieses Fasten aus medizinisch- gesundheitlicher Sicht hochproblematisch. Denn der Eiweiß- und Muskelabbau macht auch vor den inneren Organen und dem Herzmuskel nicht halt. Deswegen sollte man das Fasten mit komplettem Verzicht auf Nahrung grundsätzlich bleiben lassen."

Diese Kritik will Françoise Wilhelmi de Toledo von der Buchinger-Klinik so nicht stehen lassen. "Beim Fasten stellt sich der Stoffwechsel um. Normalerweise gewinnt der Körper seine Energie aus der Nahrung. Wenn wir fasten, benutzen wir als Brennstoff zu 80 Prozent eingelagertes Fett und zu 20 Prozent Eiweiß. Nach zwei Wochen sind es sogar 95 Prozent Fett und nur noch fünf Prozent Eiweiß. Dieses stammt nicht nur aus den Muskeln, sondern auch aus der Leber, dem Darm und womöglich aus alternden Eiweißstrukturen im Körper. Wenn ein Mensch abnimmt, braucht er entsprechend weniger tragende Muskulatur. Zudem ist dieser geringe Eiweißverbrauch eine Möglichkeit, seine Eiweißstrukturen zu verjüngen, weil man nach dem Fasten schlagartig neues Eiweiß aufbaut. Bei methodisch richtig durchgeführtem Fasten mit Bewegung bis zu einer Dauer von 20 Tagen ist das unproblematisch." Sie verweist auf 60 Jahre Buchinger-Erfahrung "mit 250 000 medizinisch begleiteten Fastenkuren".

+++ "Man kann eine Fastenkur nicht nebenbei machen" +++

Die Umstellung beim Fasten ist harmonischer, wenn der Mensch sich innerlich auf den Fastenprozess einstellt. "Nach drei Tagen fühlt sich der Mensch meist wohl. Ein fester Plan mit täglicher Bewegung, Entspannung und genügend Stille im Tagesablauf führt zu einem Rhythmus der Entschleunigung", sagt Wilhelmi de Toledo.

Für den Ernährungspsychologen Westenhöfer ist entscheidend, dass beim Abnehmen Muskeln und Eiweiß im Körper geschont werden. Deshalb spricht er sich allenfalls für das modifizierte Fasten aus, bei dem man eine bestimmte Menge an Eiweiß und Kohlenhydraten zu sich nimmt. "Heute ist dieses modifizierte Fasten weit verbreitet unter dem Schlagwort Formula-Diäten. Das sind Eiweißdrinks, die man mit Magermilch anmischt. Und es gibt gesetzliche Vorschriften, wie viel Eiweiß, Kohlenhydrate und Vitamine darin enthalten sein müssen, um eine weitgehend gute Gewichtsabnahme zu erreichen."

Mit diesen Eiweißdrinks können eine oder alle festen Mahlzeiten ersetzt werden. Dazu sollten mindestens 2,5 Liter Flüssigkeit am Tag getrunken werden. "Wer alle Mahlzeiten durch die Eiweißdrinks ersetzt, sollte diese Fastenkur nur unter ärztlicher Anleitung durchführen, weil es innerhalb kurzer Zeit zu starken Gewichtsverlusten kommen kann", sagt Westenhöfer.

Auf jeden Fall kann eine solche Kur immer nur der Einstieg in eine Gewichtsreduktion sein. Denn wer sein Ernährungsverhalten nicht auf eine gesunde Mischkost mit viel Obst und Gemüse umstellt, hat schnell wieder sein altes Gewicht erreicht.

Laut Westenhöfer ist modifiziertes Fasten wirklich nur sinnvoll für Menschen, die fettleibig sind, die also einen Body-Mass-Index von mehr als 30 haben (BMI: Körpergewicht in Kilogramm geteilt durch das Quadrat der Körpergröße in Metern). Oder für Menschen mit einem BMI über 25, bei denen sich das Fett vor allem am Bauch angesammelt hat. Ein Anhaltspunkt dafür ist der Taillenumfang. Bei Frauen gilt ein Taillenumfang von 88 Zentimetern als Obergrenze, bei Männern 102 Zentimeter. Unterhalb dieser Werte ist Fasten nicht sinnvoll. Nicht geeignet sind strenge Fastendiäten für Menschen mit einem BMI unter 25, für Kranke, Schwangere und Stillende.

Gerade wenn das Fasten zu einer langfristigen Umstellung auf richtige, gesunde Ernährung führen soll, dann gehört dazu auch immer genügend Bewegung, mahnt der Ernährungspsychologe. "Wünschenswert ist eine halbe Stunde körperliche Aktivität am Tag. Das kann auch rasches Gehen sein", sagt Westenhöfer. Oder eine halbe Stunde Schwimmen oder Radfahren. Völlig Untrainierte sollten mit einer Viertelstunde am Tag beginnen. Ein guter Grundsatz ist, die freie Zeit sinnvoller zu verbringen als mit der abendlichen Passiv-Starre vor dem Fernseher. "Da lässt man sich schnell zu Knabbereien verführen, die viele Kalorien haben." Und dann helfen auch die besten Abnehmstrategien nichts.

TV-Koch Tim Mälzer nimmt vermeintlich gesundes und ungesundes Essen unter die Lupe. "Der Ernährungs-Check" ist heute um 20.15 Uhr im Ersten zu sehen