Mit einem bisher einmaligen Eingriff retteten Hamburger Ärzte in der AK St. Georg einem Patienten das Leben. Denn ein Aneurysma kann tödlich sein.

Hamburg. Dramatische Stunden in der Asklepios-Klinik (AK) St. Georg: Mit starken Brustschmerzen kam ein 68 Jahre alter Patient in die Notaufnahme. Bei der Untersuchung mit der Computertomografie fanden die Ärzte, dass sich im Brustkorb des Patienten an der Hauptschlagader (Aorta) ein elf Zentimeter großes Aneurysma gebildet hatte. Diese riesige Aussackung des Blutgefäßes (siehe Infokasten) befand sich am aufsteigenden Teil der Aorta kurz nach ihrem Abgang aus dem Herzen. "Das Aneurysma war bereits eingerissen. Die Blutung wurde nur begrenzt durch die Außenhaut der Aorta und Verwachsungen, die durch frühere Operationen entstanden waren. Es bestand die Gefahr, dass der Patient verblutet", sagt Dr. Ralf Bader, leitender Oberarzt der Herzchirurgie in der AK St. Georg.

Da bei der Lage und Größe des Aneurysmas alle herkömmlichen Behandlungsmethoden nicht infrage kamen, entschlossen sich Bader und der Gefäßmediziner Dr. Hans Krankenberg vom Angiologikum Hamburg zu einem minimal invasiven Eingriff, der noch nie vorher durchgeführt wurde: Sie retteten dem Patienten das Leben, indem sie ihm mithilfe eines Katheters, den sie durch die Herzspitze bis in die Hauptschlagader vorschoben, eine Stentprothese in den aufsteigenden Teil der Aorta einsetzten. Das feine Metallgerüst, das mit einer Kunststoffschicht ummantelt ist, wird dann in dem Blutgefäß entfaltet.

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"Bei diesem Patienten hatten wir eine besondere Situation", berichtet Bader. Aufgrund der starken arteriosklerotischen Veränderungen war die Innenschicht der Hauptschlagader des Patienten schon in den Jahren vorher immer wieder an verschiedenen Stellen eingerissen, sodass das Blut nicht nur in der Arterie floss, sondern sich auch einen neuen Weg zwischen den Schichten der Arterienwand bahnte. Mediziner sprechen dann von einer sogenannten Aortendissektion. Deswegen hatte der Patient bereits eine Gefäßprothese im aufsteigenden Teil der Aorta erhalten, die operativ eingesetzt wurde, und eine Stentprothese im absteigenden Teil der Hauptschlagader, kurz nach dem Abgang der Arterien, die den Kopf versorgen. Der Riss, der jetzt das Aneurysma verursacht hatte, befand sich kurz oberhalb der operativ eingesetzten Gefäßprothese.

"Dieser Teil der Hauptschlagader wird normalerweise operativ mit einer Prothese versorgt. Aber das war in diesem Fall nicht möglich, weil das Aneurysma so groß war, dass es bereits von unten gegen das Brustbein drückte. Es bestand die große Gefahr, dass es bei einer Operation zu einer tödlichen Blutung kommen könnte", sagt Bader. Auch eine Versorgung mit einer Stentprothese war nicht möglich. Sie konnte nicht von der Leiste aus bis zu dem Aneurysma vorgeschoben werden, weil sie dann die großen Blutgefäße verschlossen hätte, die aus dem Aortenbogen entspringen und den Kopf und die Arme versorgen.

Also nutzten die Ärzte ihre gesamte Erfahrung und entschlossen sich zu einem neuen Weg. "Wir kennen bereits einen Eingriff, bei dem wir durch einen Schnitt im Brustkorb einen Katheter durch die Herzspitze bis zur Aortenklappe führen und diese durch eine neue Klappe ersetzen. Deswegen haben wir überlegt, den gleichen Weg zu wählen und so eine Stentprothese in den aufsteigenden Teil der Aorta zu legen", erzählt Krankenberg.

Dafür wurde zunächst ein Führungsdraht durch die Herzspitze in die Hauptschlagader bis zur Leiste geführt. "Dieser Draht wurde mit Klemmen stramm befestigt, sodass er wie eine Schiene in der Arterie lag und eine sichere Führung der Stentprothese durch den Aortenbogen ermöglichte", sagt Bader. Über diesen Draht wurde dann der erste Teil der Stentprothese in die Hauptschlagader bis zu der früher eingesetzten Stentprothese vorgeschoben, aber noch nicht entfaltet.

Denn gleichzeitig musste auch die Versorgung der Gefäße, die zum Kopf und in die Arme ziehen, gesichert werden. Deswegen setzte Krankenberg dort von oben in drei Arterien, sozusagen wie Schornsteine, Gefäßstützen ein, die in der Hauptschlagader endeten. Die Stents lagen so weit in der bereits früher eingesetzten Stentprothese, dass ihre Öffnungen nicht von der neuen Prothese verdeckt waren. "Diese Technik ist bereits bekannt aus der Versorgung von Aneurysmen der Bauchaorta. Mit dieser Methode werden die Nierenarterien versorgt, wenn ein Aneurysma über die Abgänge dieser Blutgefäße hinwegzieht", erklärt Krankenberg.

Nun lagen alle Stents in der richtigen Position. "Das war der entscheidende Moment", sagt Bader. Denn alle vier Stents mussten jetzt mit einem Ballon gleichzeitig aufgedehnt werden. Das gelang, und eine Kontrastmittelaufnahme zeigte, dass alle drei Blutgefäße zum Kopf und zu den Armen genug Blut erhielten. Anschließend verlängerten die Ärzte die erste Stentprothese noch mit einem zweiten Stück, das bis zu der alten Gefäßprothese reichte. Damit war die akute Gefahr für den Patienten gebannt. Wie eine weitere Kontrastmitteluntersuchung zeigte, floss das Blut jetzt auf normalem Weg durch die Hauptschlagader - das Aneurysma war ausgeschaltet. "Diese Aussackung bildet sich dann im Laufe der Zeit zurück, weil das ausgetretene Blut vom Gewebe aufgenommen und abtransportiert wird", erklärt Bader.

Das Leben des Patienten war gerettet, doch nach dem achtstündigen Eingriff zeigte sich, dass er einen Schlaganfall und eine Embolie in der Milz erlitten hatte. "Wahrscheinlich hat sich während des Eingriffs geronnenes Blut aus dem Aneurysma gelöst und die Schäden verursacht", sagt Krankenberg. Die Milzembolie habe aber keine weiteren negativen Konsequenzen, und von dem Schlaganfall erhole sich der Patient zusehends. "Er ist bereits in der Reha und macht gute Fortschritte."