Ein Messchip soll Patienten mit zu viel Gehirnwasser helfen. In der Asklepios-Klinik Altona wurde er erstmals in Hamburg implantiert.

Hamburg. Ein kleiner Chip kann möglicherweise das Leben von Patienten erleichtern, die Verletzungen und andere Schäden am Gehirn erlitten haben. Vor einigen Tagen setzte Prof. Uwe Kehler, Chefarzt der Neurochirurgie in der Asklepios-Klinik Altona, einem Patienten einen Sensor ein, mit dem es möglich ist, jederzeit schnell und einfach von außen den Hirndruck zu kontrollieren. Damit war Kehler der Zweite weltweit, der einen solchen Drucksensor einem Patienten einsetzte. Zwei Tage vorher hatten Ärzte der Berliner Charité einen Patienten damit versorgt.

Kehlers Patient Olav Schmitz-Krause hat einen langen Leidensweg hinter sich. Vor knapp anderthalb Jahren verspürte der Arzt auf dem Weg von der Arbeit nach Hause plötzlich merkwürdige Rückenschmerzen. Er fuhr in die Klinik. Dort fanden die Ärzte bei einer Punktion des Rückenmarkskanals Blut in seinem Gehirnwasser (Liquor). Drei Tage später erlitt der heute 45-Jährige eine schwere Gehirnblutung. Diagnose: Riss eines Aneurysmas, einer Aussackung einer Arterie im Gehirn.

Das Aneurysma konnte verschlossen werden. Doch ein halbes Jahr später bekam Schmitz-Krause Kopfschmerzen, Übelkeit und Schwindel: Infolge der Blutung hatte sich ein sogenannter Hydrocephalus entwickelt: Der Liquor, der ständig neu gebildet wird und sich in den Hirnkammern sowie zwischen Gehirn und Schädelknochen befindet, wird vom Körper nicht mehr richtig aufgenommen (resorbiert). Dadurch erhöht sich der Hirndruck. "Diese Komplikation tritt bei 20 Prozent der Patienten auf, die eine solche Aneurysmablutung hatten, aber auch als Folge von schweren Schädel-Hirn-Verletzungen oder Hirntumoren", erklärt Kehler. Es gibt auch eine angeborene Form bei Kindern und eine Form bei älteren Menschen (Altershirndruck).

Um den Druck zu senken, wurde Schmitz-Krause ein Shunt eingesetzt, ein Schlauch, der den Liquor aus dem Gehirn in der Regel in die Bauchhöhle ableitet, wo er resorbiert wird. In diesen Schlauch ist ein Ventil eingebaut, das für einen bestimmten Druckausgleich sorgt, der von außen programmiert wird. Doch bei Schmitz-Krause ließ sich der Druck im Gehirn trotz zwei verstellbarer Ventile nicht richtig regulieren, er litt weiter unter Beschwerden.

Eine mögliche Komplikation bei diesen Ventilen liegt darin, dass entweder zu viel oder zu wenig Hirnwasser abgeleitet wird. Sie tritt bei 20 bis 30 Prozent der Patienten auf. "Die Symptome sind in beiden Fällen häufig Kopfschmerzen und Schwindel, sodass man sie schlecht auseinanderhalten kann. Um die Ursache herauszufinden, müssen wir dann eine Computertomografie oder eine Kernspinuntersuchung durchführen. Dies können wir dem Patienten mit dem Drucksensor ersparen", sagt Kehler. Die Sensormessung sei für den Patienten völlig harmlos.

Prof. Kehler, der in seiner Klinik pro Jahr etwa 150 Patienten mit einem Hydrocephalus behandelt, setzte Schmitz-Krause vor einigen Tagen den Drucksensor ein. Über Funkwellen, die der Sensor an einen Empfänger sendet, wird der Hirndruck überprüft. Jetzt hoffen Arzt und Patient, dass sich mithilfe des neuen Sensors der Hirndruck optimal einstellen lässt und sich die Beschwerden bessern.

Muss die Therapie noch verbessert werden, misst man den Druck mehrmals täglich im Liegen und im Stehen und programmiert die Ventile dementsprechend. Das Messen im Liegen und im Stehen ist notwendig, weil sich der Druck durch die Schwerkraft verändert.

Außerdem erhoffen sich die Ärzte von dem Sensor, dass sie damit schneller als bisher feststellen können, ob die Beschwerden der Patienten, vor allem Kopfschmerzen, wirklich mit einem zu hohen oder zu niedrigen Hirndruck zusammenhängen.

Jetzt wollen Kehler und seine Kollegen erst einmal Erfahrungen mit dem neuen Sensor sammeln, den sie bei Patienten zunächst nur in Problemfällen einsetzen. Weil die Entwicklung so neu ist, ist auch noch unklar, wie teuer die Versorgung mit dem Gerät sein wird. Kehler rechnet mit rund 2000 Euro. "Wenn sich der Drucksensor bewährt, besteht die Chance, dass er irgendwann mit zur Routineversorgung gehört", sagt Kehler. Zusammen mit anderen Neurochirurgen hofft er, dass der kleine Chip die Vorstufe ist zu einem intelligenten Ventil, das den Hirndruck völlig selbstständig reguliert.