Die Exzellenzförderung für Hamburgs Physiker und Chemiker schafft bis zu 100 neue Arbeitsplätze, die meisten davon für Nachwuchskräfte.

Hamburg. Kurz vor der Entscheidung streikte die Technik. Um 14.30 Uhr hatte sich Dieter Lenzen mit 50 Hamburger Forschern getroffen, um via Internet-Livestream die Ergebnisse der letzten Runde der Bundesexzellenzinitiative zu verfolgen - doch die Übertragung funktionierte nicht. Lange warten mussten der Präsident der Universität und seine Gäste aber nicht: Um kurz vor drei rief Wissenschaftssenatorin Dorothee Stapelfeldt (SPD) an und gratulierte. "Dann haben wir den Sekt geöffnet", sagte Lenzen.

Der Grund für die Freude: Hamburg wird in den nächsten fünf Jahren voraussichtlich bis zu 60 Millionen Fördergeld vom Bund erhalten. Etwa 30 Millionen gehen an den seit fünf Jahren bestehenden Exzellenzcluster zur Klimaforschung CliSAP, dessen Arbeit damit für weitere fünf Jahre gesichert ist (s. u.); noch einmal etwa 30 Millionen Euro soll im gleichen Zeitraum der neue Exzellenzcluster "Hamburg Centre for Ultrafast Imaging" bekommen, der mit Laserblitzen die Bewegungen von Atomen "filmen" will.

In einem Exzellenzcluster arbeiten Wissenschaftler von verschiedenen Hochschulinstituten und außeruniversitären Forschungseinrichtungen fachübergreifend zusammen; dabei wird in der Regel eine große, umfassende Fragestellung in vielen kleinen Projekten bearbeitet. Im Unterschied dazu bildet eine Graduiertenschule Doktoranden auf dem Teilgebiet einer Disziplin aus. Bei der Bundesexzellenzinitiative konnten sich Hochschulen für diese beiden Förderlinien bewerben und zudem noch ein "Zukunftskonzept" einreichen. Nur Universitäten, die bei allen drei Förderlinien den Zuschlag erfolgreich bekommen, dürfen sich "Elite" oder "Exzellenz" auf die Fahne schreiben und auf eine Förderung von bis zu 67,5 Millionen Euro freuen.

+++ Hamburgs Forschung - erst teilweise exzellent +++

Darauf brauchte Hamburg gestern nicht mehr hoffen: Mit ihren Anträgen für Graduiertenschulen und mit ihren Zukunftskonzepten waren die Universität Hamburg und die TU Hamburg-Harburg schon in der ersten Runde 2011 durchgefallen. Stattdessen gehören zum Kreis der exzellenten Hochschulen seit gestern die Humboldt-Universität Berlin sowie die Universitäten Bremen, Dresden, Köln und Tübingen. Ihren Elite-Titel verteidigen konnten die beiden Münchener Universitäten, die FU Berlin, Konstanz, Heidelberg und die RWTH Aachen. Zu den Absteigern gehört überraschend die Universität Karlsruhe; auch Göttingen und Freiburg verlieren ihren Elite-Status.

Obwohl Hamburg mit den Besten bisher erst teilweise mithalten kann, zeigte sich Uni-Präsident Dieter Lenzen gestern hoch erfreut: "Es ist uns gelungen, dass der bisherige Förderbetrag verdoppelt wird. Das ist für Hamburg ein großer Gewinn. Dadurch wird sich die Zusammenarbeit zwischen der Universität Hamburg und außeruniversitären Forschungseinrichtungen wie Desy weiter festigen." Wissenschaftssenatorin Dorothee Stapelfeldt sagte, sie sehe den Erfolg "als Beleg für die hervorragende Leistungsfähigkeit der Forschung in Hamburg".

In dem neuen Exzellenzcluster zur Strukturphysik sollen etwa 40 Forschungsgruppen zusammenarbeiten. Beteiligt sind neben der Uni Hamburg unter anderem das Deutsche Elektronen-Synchrotron (Desy), das Center for Free-Electron Laser Science (CFEL) und das Europäische Laboratorium für Molekularbiologie. Mit dem Fördergeld sollten bis zu 100 neue Stellen geschaffen werden, die meisten für Doktoranden und Postdocs und neun für Professuren, sagte Prof. Klaus Sengstock vom Institut für Laserphysik der Universität und Co-Sprecher des Clusters.

+++ Elite-Unis in Berlin, Bremen, Köln, Tübingen und Dresden +++

Worum genau geht es? Um Infektionskrankheiten und andere Erkrankungen wie Krebs besser behandeln zu können, müssen Forscher nachvollziehen, was in den kleinsten Teilen lebender Zellen vor sich geht. Lange Zeit konnten sie Moleküle nur in einem kristallisierten Zustand untersuchen. "Das Leben ist aber nicht statisch", sagte Horst Weller, Professor für physikalische Chemie an der Universität Hamburg und Co-Sprecher des Clusters. "Deshalb arbeiten wir daran, die Bewegungen von Atomen und Molekülen in lebendem Gewebe zu beobachten." Eine Schlüsselrolle spielen dabei die Proteine. Sie sind die Arbeitspferde der Zellen, steuern wichtige Körperprozesse. Ihre Funktionen erfüllen sie aber nur optimal, wenn sie in eine spezifische dreidimensionale Form gefaltet sind. Fehlgefaltete Proteine können zu Krankheiten führen. Gelingt es, diese Prozesse zu beobachten, lassen sich damit womöglich Medikamente entwickeln, die auf bestimmte Zelltypen ausgerichtet sind und dort Funktionen aktivieren oder deaktivieren.

Das Problem: Im Nanokosmos der Moleküle laufen Prozesse wie die Proteinfaltung extrem schnell ab. Um einen Blick auf sie zu erhaschen, sie zu "filmen", sind ultrakurze Lichtpulse nötig. Maschinen wie der 2005 gestartete Röntgenlaser Flash am Desy erzeugen Blitze mit einer Wellenlänge von vier Millionstel Millimetern. Diese dauern nur Millionstel von Milliardstel Sekunden. Noch leistungsfähiger wird der European XFEL sein, der 2014 in Betrieb gehen soll. Er soll ihn dann wahr machen, den Traum vom "Molekül-Kino".