Veränderte Sichtweise nach persönlicher Begegnung mit Obdachlosen

Ein Abendblatt-Artikel im Dezember gab den Anstoß. Darin ging es um Obdachlose und die Arbeit der ehrenamtlichen Mitarbeiter des Mitternachtsbusses der Diakonie.

Ich hatte nun die Möglichkeit, selbst mit auf Tour zu gehen, weil mein Großvater diese Arbeit der Diakonie tatkräftig unterstützt. Ich konnte mir so ein genaueres Bild machen von Menschen, die ich bislang nur am Rande wahrgenommen habe. Und von denen ich nicht viel mehr wusste als dass sie auf der Straße leben und häufig auch betteln.

Was ich während dieser Fahrt erlebte, hat meine Sichtweise verändert. Denn zum ersten Mal hatte ich persönlichen Kontakt zu einigen dieser Menschen, die ich sonst höchstens aus der Distanz beobachtete.

Unsere Tour begann an der Spitalerstraße, wo wir im Bakhus Brötchen abholten. Mit dabei war neben meinem Großvater auch Barbara, die einzige hauptamtliche Mitarbeiterin des Mitternachtsbusses.

Gleich kam ein Mann in heruntergekommenen Sachen auf uns zu. Er sah ziemlich ungepflegt aus. Und mein erster Gedanke war: "Jetzt gibts Ärger." Aber es stellte sich heraus, dass der Mann obdachlos und aidskrank ist. Alles, was er wollte, war eine warme Decke für die Nacht. Die bekam er auch und dazu noch einen Schlafsack und die Gelegenheit, sich ein wenig die Sorgen von der Seele zu reden. Bevor er sich verabschiedete, bedankte er sich höflich: Ich hatte mich ganz schön in diesem Mann getäuscht - und schämte mich dafür.

Es ging weiter zur Reeperbahn, wo wir schon von etwa zwölf Leuten erwartet wurden. Es wurden Lebensmittel, heiße Getränke und Kleidung ausgegeben. Einer von ihnen sprach über Politik. Noch so ein Vorurteil von mir: Ich hatte gedacht, dafür interessierten Obdachlose sich nicht. Auffallend war, wie offen und herzlich sie gegenüber den Mitarbeitern waren, die ihnen aufmerksam zuhörten und den einen oder anderen Tipp gaben.

Natürlich gab es auch in dieser Nacht Ausnahmen. Der eine oder andere pöbelte rum oder schimpfte über lange Wartezeiten. Aber schwarze Schafe gibt es überall.

Nächste Station, Fixstern bei der Roten Flora. Dort warteten vor allem drogenabhängige Obdachlose auf den Mitternachtsbus: allesamt Menschen, die von der Sucht deutlich gezeichnet waren. Die Stimmung war hier anders: Gespräche gab es kaum. Die Leute nahmen ihre Sachen und gingen schnell. Nach der nächsten Station am Hopfenmarkt war für mich dann die Fahrt zu Ende.

Das alles hat mich tief beeindruckt. Mir klar gemacht, wie gut es mir doch geht - und wie anders das Leben der Obdachlosen dagegen aussieht.

Und es hat mir gezeigt, wie groß die Vorurteile - auch meine eigenen - gegenüber diesen Menschen sind, die auf der Straße leben.

Nach dieser Fahrt mit dem Mitternachtsbus hat sich meine Sichtweise jedenfalls entscheidend geändert.

Fabian Ellermann, 10 b

Gymnasium Heidberg