Brüssel. Die EU-Kommission hat die Zulassung des HIV-Prophylaxemittels „Truvada“ gebilligt. Die Kosten für Patienten sind allerdings immens.

Menschen mit hohem Risiko einer HIV-Infektion können künftig auch in der Europäischen Union das Prophylaxe-Medikament „Truvada“ bekommen. Dies habe die EU-Kommission unter Auflagen gebilligt, bestätigte ein Sprecher in Brüssel.

Einige Aids-Experten setzen große Hoffnungen in das Präparat. Die tägliche Einnahme der Pille soll das Risiko senken, sich mit HIV zu infizieren. „Truvada“ gebe es nur auf Rezept, betonte der Sprecher der Kommission.

Seit 2005 für die Therapie zugelassen

Noch ist allerdings unklar, wann das Medikament als Prophylaxe erhältlich ist, da der Zulassungsinhaber die Auflage bekommen hat, Schulungsmaterialien für Ärzte und Anwender bereitzustellen. Diese müssen in Deutschland mit dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) abgestimmt werden.

Das Präparat „Truvada“ ist nicht neu. Laut dem Hersteller Gilead Sciences ist es seit 2005 für die Therapie bereits Infizierter zugelassen. In Kombination mit anderen HIV-Medikamenten unterdrückt es die Vermehrung des Virus.

Schutzwirkung von 86 Prozent

„Es ist eines der am häufigsten verwendeten Medikamente zur Behandlung der HIV-Infektion“, sagt die Medizinerin Annette Haberl vom HIV-Center des Frankfurter Uniklinikums. Mit der aktuellen Zulassung wird der Anwendungsbereich des Mittels auf Gesunde mit hohem Ansteckungsrisiko ausgeweitet. Fachleute sprechen von einer Prä-Expositionsprophylaxe, kurz PrEP.

Es enthält zwei Wirkstoffe, die die Virusvermehrung in den Zellen hemmen. So kann ein Einnisten des HI-Virus und damit eine Infektion verhindert werden – vorausgesetzt, die Tabletten werden regelmäßig einmal täglich eingenommen. Einer Studie zufolge wird dann eine Schutzwirkung von 86 Prozent erreicht, wie Haberl erläutert.

Krankenkassen übernehmen Kosten nicht

Experten sehen die PrEP als weiteren Vorsorge-Baustein insbesondere bei Männern, die Sex mit häufig wechselnden Partnern haben, dabei aber nicht konsequent Kondome benutzen können oder wollen. „Es wird in dieser Gruppe häufig ChemSex praktiziert, also Sex unter synthetischen Drogen. An Kondome zu denken, kann dann schwierig sein“, sagt Haberl. Die Zielgruppe für eine PrEP sei aber insgesamt klein. „Wir erwarten keinen Run auf ,Truvada’.“

Experten zufolge könnte das Mittel in Deutschland monatlich rund 800 Euro pro Patient kosten. Die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen die Kosten für die Prävention nach Angaben des GKV-Spitzenverbandes nicht.

In den USA bereits seit 2012 zugelassen

Die Deutsche Aids-Hilfe forderte den Hersteller bereits zu einer Preissenkung auf, um das Mittel der Risikogruppe auch zugänglich zu machen. Mediziner befürworten eine pragmatische Sichtweise: „Man sollte präventiv alles machen, was geht“, sagt Stellbrink. Die Kosten für die Behandlung Infizierter, womöglich über Jahrzehnte, lägen wesentlich höher.

Die Europäische Arzneimittelbehörde Ema hatte die Zulassung von „Truvada“ als Prophylaxe-Medikament für Menschen mit hohem Infektionsrisiko Ende Juli empfohlen. „Truvada“ ist in den USA bereits seit 2012 zur Prophylaxe zugelassen. In Südafrika wird das Medikament seit diesem Jahr an Prostituierte abgegeben.

Patienten müssen alle drei Monate getestet werden

Laut Gilead Sciences ist die PrEP ebenfalls in Australien, Kanada und Kenia zugelassen. Teils war dort eine Zunahme von Resistenzen und ein Anstieg sexuell übertragbarer Erkrankungen befürchtet worden. Das habe sich bisher aber nicht bewahrheitet, sagte Stellbrink. Sinkende Infektionszahlen wurden etwa von Schwulen in San Francisco berichtet – Haberl schränkt aber ein: „Es ist noch unklar, welche Rolle „Truvada“ dabei spielt.“

Ein weiterer Punkt, der Experten Sorge vor zuviel Leichtsinn bereitet: Das Medikament kann zwar vor HIV schützen, nicht aber vor anderen sexuell übertragbaren Erkrankungen. Insofern raten Experten weiter zur Kondombenutzung. Wer „Truvada“ vorbeugend nimmt, müsste ohnehin regelmäßig zum Arzt gehen: Mindestens alle drei Monate solle auf sexuell übertragbare Erkrankungen und HIV getestet werden, so Haberl. „Im Falle einer HIV-Infektion ist es ganz wesentlich, dass man sofort die PrEP abbricht“. Sonst könnten Resistenzen entstehen.

Nebenwirkungen nicht bekannt

Nebenwirkungen von „Truvada“ sind zurzeit nicht bekannt. Bei der vorbeugenden Einnahme haben Mediziner kaum Bedenken. Denn die Zielgruppe besteht vor allem aus jungen, gesunden Männern, die für eine bestimmte Zeit darauf zurückgreifen. Zu Beginn der Einnahme können etwa vorübergehend Magen-Darm-Probleme, Übelkeit und Müdigkeit auftreten. Bei langer Einnahmedauer kann sich die Nierenfunktion verschlechtern und die Knochendichte verringern. (dpa)