Auch medizinische Röntgenuntersuchungen können Karzinome verursachen. Ein Hamburger Arzt plädiert für Magnetresonanztomografien.

Hamburg. Die Atomkatastrophe im japanischen Fukushima hat auch in Deutschland die Bevölkerung für die Gefahren radioaktiver Strahlung sensibilisiert. Jetzt mahnt der Hamburger Präventionsmediziner Prof. Peter Ostendorf auch in der Medizin einen kritischeren Umgang mit Untersuchungen an, bei denen ionisierende Strahlen eingesetzt werden - also Röntgenuntersuchungen und Szintigrafien, bei denen Organe mithilfe von radioaktiven Substanzen untersucht werden, die dem Patienten gespritzt werden. Er plädiert dafür, stattdessen häufiger die Magnetresonanztomografie (MR) einzusetzen, die mit elektromagnetischen Wellen arbeitet, die für den Patienten ungefährlich sind.

"Schon bei der Gründung unseres Zentrums für Präventivmedizin vor sechs Jahren haben wir beschlossen, so weit wie möglich auf die MR zu setzen, um Strahlenbelastungen zu vermeiden", sagt Prof. Ostendorf, der an dem Zentrum am Katholischen Marienkrankenhaus verantwortlich für MR-Untersuchungen des Herzens ist. "Das hat sich inzwischen als noch viel gravierender herausgestellt, als ich damals gedacht habe", sagt der Mediziner und berichtet von einer kanadischen Studie, die unlängst veröffentlicht wurde: "82 114 Patienten, die einen Herzinfarkt hatten, sind danach fünf Jahre lang beobachtet wurden, welche Untersuchungen sie bekommen haben." Etwa 20 Prozent hätten keine neuen Untersuchungen bekommen, die anderen seien in vier Gruppen unterteilt worden: Mit jährlichen Strahlenbelastungen durch Untersuchungen von 0 bis zehn Millisievert (mSv, Maßeinheit zur Bestimmung der Strahlenbelastung von biologischen Organismen), zehn bis 20 mSv, 20 bis 30 mSv und über 30 mSv. "Mit jeder Steigerung um zehn mSv ist das Krebsrisiko um drei Prozent gestiegen", berichtet Ostendorf. Insgesamt hätten Patienten mit Röntgenuntersuchungen wenigstens fünf Prozent mehr Karzinome bekommen als die Gruppe ohne Untersuchungen.

Um zu verdeutlichen, welche Strahlenbelastungen bei Untersuchungen auftreten, nennt Ostendorf ein Beispiel: "Ein Computertomogramm (CT) oder eine Szintigrafie des Herzmuskels sind mit einer Strahlenbelastung von acht bis 15 mSv verbunden - so viel wie 300 bis 500 Röntgenaufnahmen der Lunge. Bei einer Szintigrafie des Herzmuskels bekommen Sie so viel Strahlen ab, als wenn sie sich ein Jahr lang morgens und abends die Lunge röntgen lassen würden", sagt Ostendorf. Das Fachmagazin "New England Journal of Medicine" gehe davon aus, dass zwei Prozent der Karzinome in den USA durch CT-Untersuchungen verursacht sind.

Dass er das MR favorisiere, heiße aber nicht, dass es bei jeder Gelegenheit genutzt werde. Eingesetzt werde die MR im Zentrum für Präventivmedizin immer dann, wenn in dem Basischeck mit Erhebung der Krankengeschichte, körperlicher Untersuchung, Labortests, EKG, Belastungs-EKG, einer Ultraschalluntersuchung des Bauches und des Herzens auffällige Befunde aufgetreten sind. Nach einer aktuellen Auswertung hat das Zentrum bisher bei insgesamt 1360 Patienten eine MR des Herzens durchgeführt, bei 540 davon infolge des Checks, bei den anderen nach Überweisungen von niedergelassenen Ärzten. 96 dieser Patienten wurden daraufhin mit einem Stent versorgt und 51 erhielten eine Empfehlung für eine Bypass-Operation.

Jetzt wurde dort die neue MR installiert, um die Untersuchung der Durchblutung des Herzens weiter zu verbessern. "An der MR haben wir bisher drei Schichten mit Kontrastmitteln für einen kurzen Zeitraum untersuchen können. Mit der neuen MR können wir das gesamte Herz auf Durchblutungsstörungen, Klappenfehler und Bewegungsstörungen des Herzmuskels untersuchen." Sie wurde in Zürich entwickelt und ist jetzt in drei deutschen Kliniken etabliert, außer am Marienkrankenhaus auch in der Uniklinik Aachen und am deutschen Herzzentrum in Berlin. "Das Software-Paket, das 22 000 Euro gekostet hat, haben wir als Spende von Hamburger Reedern bekommen, die uns schon häufiger unterstützt haben", sagt Ostendorf.

Die Kosten für den Basischeck in dem Zentrum in Höhe von 580 Euro müssen die Patienten selber tragen. Ostendorf ist jetzt bereits in Gesprächen mit den Krankenkassen, um sie davon zu überzeugen, die Kosten für eine MR des Herzens in den Fällen zu übernehmen, in denen sonst eine Szintigrafie des Herzmuskels eingesetzt wird.