Als Willi Bruehl mit verletztem Ellenbogen in die Klinik kam, sah noch niemand die Gefahr. Dann stellten die Ärtzte gefährliche Bakterien fest

Hamburg. Wer Willi Bruehl in der Schön-Klinik in Eilbek besuchen will, muss sich erst einmal "verkleiden": Im Vorraum zu seinem Zimmer heißt es Kittel, Mundschutz und Haube anlegen, Handschuhe überstreifen. Diese Vorschrift gilt für alle, die das Zimmer betreten. Der Grund für die strenge Isolation des Patienten: Bei ihm wurde ein gefürchteter Krankenhaus-Keim nachgewiesen, der bei geschwächten Patienten lebensgefährliche Entzündungen und Blutvergiftungen auslösen kann - der MRSA (Methicillinresistenter Staphylokokkus aureus). Eilbek ist eine der wenigen Kliniken in Norddeutschland, die auf die Versorgung dieser Patienten spezialisiert sind und sie aus anderen Kliniken übernehmen.

So war es auch bei Willi Bruehl: "Anfang August war ich mit meinem Rollator unterwegs zum Einkaufen. Dabei bin ich durch eine Unebenheit auf dem Weg gestürzt und habe mich am linken Ellbogen verletzt", berichtet der 79-Jährige. Weil sich die Wunde entzündete, wurde er in eine Hamburger Klinik eingewiesen. Dort stellten die Ärzte eine Infektion der Wunde mit Streptokokken fest. Da sich die Entzündung trotz mehrfacher Operationen in tiefere Gewebeschichten ausbreitete, wurde Willi Bruehl vor fünf Tagen in die Eilbeker Spezialstation verlegt.

Er wurde auf MRSA getestet, weil er als Bewohner eines Altenheims zu einer der Risikogruppen gehört, für die das Robert-Koch-Institut die Untersuchung empfiehlt. Dazu zählen auch Patienten mit Immunschwäche oder chronischen Wunden oder jene, die in den vergangenen sechs Monaten Antibiotika genommen haben oder in den vergangenen Jahren einen mindestens dreitägigen Klinikaufenthalt hatten. Diese Vorsichtsmaßnahmen konnten aber nicht verhindern, dass die Zahl von MRSA zunimmt. Laut der Techniker Krankenkasse ist die Rate von MRSA unter Staphylokokkus-aureus-Erregern von 1995 bis 2005 von acht auf 20 Prozent gestiegen.

"Leider sind es für viele Kliniken nur Empfehlungen, an die sie sich nicht zwingend halten müssen", kritisiert Dr. Nils Haustedt, Septischer Chirurg und Chefarzt in der Schön-Klinik. Denn Hygiene ist Ländersache. Einheitliche Hygieneverordnungen gibt es bisher nur in fünf Ländern: Berlin, Bremen, Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und Sachsen. "Man kann dem Problem nur begegnen, indem man im Krankenhaus für einwandfreie Hygiene sorgt. Da gibt es erhebliche Unterschiede zwischen den Kliniken und noch sehr viel Verbesserungsbedarf in Deutschland. Es fehlt die klare Gesetzgebung, dass Krankenhäuser ab einer bestimmten Größe eine bestimmte Zahl von Hygienefachkräften einstellen müssen. Bis jetzt ist das den Krankenhäusern selbst überlassen - und die wollen Kosten reduzieren. Aber an der Hygiene darf man nicht sparen. Denn das wird teuer."

Was Bakterien bei den Patienten anrichten können und wie schwer sie manchmal zu beseitigen sind, erleben Dr. Haustedt und sein Chefarztkollege Privatdozent Dr. Hergo Schmidt täglich auf ihrer Spezialstation für septische Chirurgie, die sie gemeinsam leiten. Mittlerweile behandeln sie hier Patienten aus dem ganzen Bundesgebiet, die an unterschiedlichen Infektionen leiden: "Wir haben hier Diabetiker mit Infektionen an den Füßen und Patienten mit infizierten Druckgeschwüren. Viele kommen mit Gelenkinfektionen zu uns, die als Folge von Injektionen oder Operationen in Gelenken aufgetreten sind." Oder es sind Patienten, die bei Unfällen Verletzungen erlitten haben, die sich entzündet haben. Außerdem werden auch viele Patienten behandelt, die sich eine Infektion bei einer Operation zugezogen haben oder an einer Endoprothese, zum Beispiel an Knien oder Hüfte. "Solche Protheseninfektionen können entweder primär durch hygienische Fehler bei der Implantation entstehen", sagt Hergo Schmidt. Häufiger ist aber die Spätinfektion, bei der auf dem Blutwege Bakterien zu der Endoprothese wandern und sich dort einnisten. Ausgangspunkt seien oft kleine Abszesse an den Zähnen, in den Nasennebenhöhlen oder in den Ohren.

Besonders problematisch wird es, wenn es sich um MRSA handelt oder einen Verwandten, die resistente Variante des Stapylokokkus epidermidis, der sich normalerweise auf der Haut findet. Die Bakterien sind nicht nur unempfindlich gegen die meisten Antibiotika, sie bilden auch auf den Oberflächen von Endoprothesen und Metallplatten zur Stabilisierung von Knochenbrüchen einen schleimartigen Biofilm und machen sich damit unangreifbar für Antibiotika und die körpereigene Abwehr.

Da hilft oft nur eine radikale Operation. "Wir versuchen, fest sitzende Prothesen zu erhalten, indem wir das künstliche Gelenk eröffnen und alle freiliegenden Flächen gründlich säubern", sagt Schmidt. Bleibt dies ohne Erfolg, müssen Endoprothese und infiziertes Gewebe radikal entfernt werden. "Dann werden antibiotische Ketten und Schwämme eingelegt. Erst wenn die Infektion vollständig beseitigt ist, kann eine neue Endoprothese eingesetzt werden. Das kann aber Wochen bis Monate dauern", sagt Schmidt.

Auch Patienten, die MRSA nur in sich tragen, werden behandelt. Willi Bruehl wurden eine desinfizierende Mundspülung und eine antibiotische Nasensalbe verordnet. Auch wenn sein Ellenbogen schon wieder gut verheilt ist, darf er die Klinik erst verlassen, wenn in den Abstrichen an drei aufeinanderfolgenden Tagen keine MRSA mehr nachweisbar sind. Wenn alles gut geht, kann er morgen seinen 80. Geburtstag wieder zu Hause in seiner Seniorenresidenz feiern.