Berlin. Es surrt, schwirrt und sticht in Deutschland. Die Stechmücken fliegen wieder – und zwar in besonders großer Anzahl, wie es scheint.

Haben Sie es schon gehört? Ganz nah an Ihrem Ohr? Das penetrante Surren, das einen nachts nicht schlafen oder auf dem Spaziergang im Wald wild um sich schlagen lässt? Die Stechmücken sind wieder da und kündigen den Sommer an. Lästig finden sie viele Menschen, die Weibchen sorgen mit ihren Stichen für juckende Quaddeln. Aber stimmt der Eindruck, dass die Insekten in diesem Jahr aktiver sind als in vergangenen Jahren? Und wie schützt man sich nun richtig? Eine Mücken-Expertin gibt Antwort.

Welche Faktoren beeinflussen die Mückenpopulation?

Das Wetter in diesem Frühling bot den Mücken „gute Startbedingungen“, sagt Biologin und Mücken-Expertin Doreen Werner vom Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung in Müncheberg. „Mücken mögen es feucht und warm. Wenn es feucht ist, haben sie genug Entwicklungshabitate, und bei Wärme können sie sich ungestört entwickeln“, so Werner.

Bisher sei der Frühling zwar relativ kalt, dafür aber regnerisch gewesen. „Mücken, die bei wärmeren Temperaturen peu à peu geschlüpft wären, sind mit den aktuell steigenden Temperaturen alle gleichzeitig geschlüpft oder fliegen jetzt an, um ihre Blutmahlzeit zu nehmen“, sagt die Expertin.

Bei den derzeit aktiven Mücken handele es sich zum großen Teil um Wald- und Wiesenmücken. Stechmücken, die sich im Frühjahr entwickeln und im Vergleich zu Hausmücken etwas größer und penetranter sind. Dass man die Mücken jetzt vermehrt und stech-lustiger wahrnimmt, liege laut Werner aber auch daran, dass Menschen bei dem guten Wetter in die Natur fahren, also in Regionen, in denen die Wald- und Wiesenmücken besonders aktiv sind.

Wie sich die Mücken-Lage bis Sommer und Herbst weiterentwickeln wird, kann die Biologin nicht vorhersagen. Dies sei stark wetterabhängig. Würden die kommenden Monate regnerisch und warm, sei mit sehr hohen Populationsdichten zu rechnen, so Werner.

Kommen immer mehr neue Mückenarten nach Deutschland?

Welche Mückenarten wo in Deutschland vorkommen, können die Biologin und ihr Forschungsteam anhand des Mückenatlas erkennen (www.mueckenatlas.com). Dort werden Stechmücken mit Hilfe von Zusendungen aus der Bevölkerung kartiert. Derzeit bekomme das Team pro Tag 20 bis 30 Einsendungen, so Werner.

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Das Projekt lasse die Tendenz erkennen, dass mehr invasive Mückenarten von mehr Standorten in Deutschland eingesendet werden. Grund dafür seien die Globalisierung und steigende Temperaturen. Prominentestes Beispiel ist die Asiatische Tigermücke, die – ursprünglich in Süd- und Südostasien heimisch – zunehmend auch in Mitteleuropa anzutreffen ist. In Deutschland surrt sie bereits in Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, Thüringen und Berlin. Laut Werner gehört diese Mückenart inzwischen zur einheimischen Fauna.

Wie hoch ist das Risiko, dass Mücken Krankheiten übertragen?

Mückenarten wie die Asiatische Tigermücke können Krankheitserreger übertragen – etwa das Zika-, Dengue- oder Chikungunya-Virus. Allerdings müssten dafür verschiedene Voraussetzungen gegeben sein, so Werner. Die Wahrscheinlichkeit sei in Deutschland relativ gering. In erster Linie ist die Tigermücke Werner zufolge sehr aufdringlich – und ein „fieser Stecher“.

Seit einigen Jahren ist bekannt, dass auch heimische Stechmücken den Erreger des West-Nil-Fiebers übertragen können. Vor allem die östlichen Bundesländer seien betroffen und Ausgangspunkt für die Verbreitung, sagt Werner. Das Robert Koch-Institut (RKI) hat 2022 nach eigenen Angaben 13 Fälle erfasst, die durch Mücken in Deutschland übertragen worden waren. Dazu seien vier Infektionen ohne erkennbare Symptome gekommen.

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Das West-Nil-Fieber verläuft nach RKI-Angaben meist unauffällig. Etwa jeder fünfte Infizierte entwickle eine grippeähnliche Erkrankung mit Fieber. Etwa einer von 100 Infizierten erkranke schwer. Daher gehen Experten von einer Dunkelziffer nicht erkannter Ansteckungen aus.

Wie kann man sich vor Mücken am besten schützen?

Um Stiche von Wald- und Wiesen-, aber auch Tigermücken zu vermeiden, empfiehlt die Expertin, Gebiete mit besonders vielen aktiven Mücken zu meiden – Regionen also, wo es besonders feucht ist und es viele stehende Gewässer gibt.

Im eigenen Heim solle man darauf achten, keine Wasseransammlungen in Garten, Hof, Terrasse oder Balkon aufkommen zu lassen. „Selbst in kleinen Dosen oder Formen, wo sich Wasser ansammelt, können Mücken-Weibchen ihre Eier ablegen“, sagt Werner.

Mückenschutzmittel seien nur bedingt hilfreich. „Mücken werden von der Kombination aus Ausatemluft und Ausdünstungen angezogen. Das Atmen können wir nicht einstellen. Mit Mückenabwehrstoffen in Schutzmitteln können wir aber auf unsere Ausdünstungen einwirken. Manche Stoffe wirken individuell besser als andere“, sagt Werner. Welche Form für den Einzelnen sinnvoll sei, müsse jeder für sich selbst ausprobieren. Auch Kleidung sei eine Möglichkeit der Abwehr.

Laut einer Untersuchung von Stiftung Warentest waren lange, helle Kleidung und Insektenschutzmittel zum Einreiben oder Sprühen mit den synthetischen Wirkstoffen Diethyltoluamid (DEET) und Icaridin besonders effektiv bei der Mückenabwehr. Doch vor allem DEET ist umstritten, da der Wirkstoff im Verdacht steht, Hautreizungen auszulösen oder sogar das Nervensystem zu schädigen. Deshalb sollte er nicht über einen längeren Zeitraum und in großen Mengen eingesetzt werden. Außerdem sollten Schwangere, Mütter in Stillzeit sowie Kinder diesen Stoff nicht verwenden, so Stiftung Warentest. Auch vom Gebrauch in schlecht belüfteten Räumen sei abzuraten.

Was hilft gegen juckende Stiche?

Sticht eine weibliche Mücke zu, gelangt ein Eiweiß unter die Haut, das die Blutgerinnung hemmt. Der Körper reagiert darauf und bildet Histamin, das den Stich durch eine Reizung von Nervenenden jucken lässt. Kühlen kann den Juckreiz für kurze Zeit lindern. Hat man keinen Kühlakku zur Hand, kann man mit Speichel, der verdunstet, Linderung schaffen.

Besser als Kälte wirkt aber Wärme. Ein vorsichtig erhitzter Teelöffel kann helfen oder ein elektronischer Stichheiler. Bei einer im Fachmagazin „Clinical, Cosmetic and Investigational Dermatology“ veröffentlichten Kohortenstudie an deutschen Stränden und Badeseen gaben 70 Prozent der Menschen an, dass Stiche, die ein oder zwei Mal mit Wärme behandelt worden waren, weniger juckten. (mit dpa)

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