Berlin. Im Alter verändert sich ein bestimmter Prozess im Körper. Eröffnet sich mit dieser neuen Erkenntnis die Chance auf ein längeres Leben?

Das Altern ist ein hoch komplexer Vorgang. Seit Jahrzehnten versucht die Wissenschaft, diesen zu entschlüsseln – mit dem Ziel, das Leben zu verlängern oder ein gesundes Altern zu ermöglichen. Forschende aus Deutschland haben jetzt jene Veränderungen eines zellulären Prozesses entdeckt, die das Altern beeinflussen. In ferner Zukunft könnte sich daraus ein Ansatz ergeben, dieses zu verlangsamen.

Um die Ergebnisse der Studie zu erklären, die in der Fachzeitschrift „Nature“ veröffentlicht worden ist, braucht es etwas Grundlagenwissen der Biologie: Jede Zelle von Menschen oder Tieren trägt das gesamte Erbgut (DNA) in sich. Um das dort codierte Programm auszuführen, eine Voraussetzung für Leben und Gesundheit, wird die DNA beständig ausgelesen. Der Vorgang, bei dem auch Zell-Typ und -Funktion bestimmt wird, nennt sich Transkription.

Altern: Das gesteigerte Tempo führte zu Fehlern im Prozess

„Das ständige Ablesen der Gene ist existenziell, auch für die Anpassung des Organismus an Umwelteinflüsse oder als Reaktion auf Krankheiten“, erklärt Andreas Beyer im Gespräch mit dieser Redaktion. Beyer ist Professor für Systembiologie von der Universität in Köln und einer der Autoren der Studie. Lesen Sie auch:Ganz einfach – So wird man heute hundert Jahre alt

In fünf Organismen – Mensch, Fadenwurm, Fruchtfliege, Maus und Ratte – haben Beyer und Kollegen untersucht, wie die Transkription vom Alter beeinflusst wird. „Dabei haben wir herausgefunden, dass die Geschwindigkeit des Ableseprozesses im Alter ansteigt“, sagt Beyer. Dies wiederum sei verbunden gewesen mit einem Verlust an Qualität und Genauigkeit. „Wir haben mehr Abweichungen zwischen Lesung und Referenzgenom gesehen. Diese verminderte Ablesequalität führt dazu, dass die Zellen nicht mehr richtig funktionieren.“

Lebenserwartung: Tiere mit Mutation lebten länger als ihre Artgenossen ohne Mutation

Die entscheidende Frage war jedoch, ob sich diese Veränderungen auch auf die Lebensspanne auswirken können. Um dies herauszufinden, verfolgten die Wissenschaftler das Überleben von Fruchtfliegen und Würmern, die eine Gen-Mutation trugen, die die Transkription verlangsamt. Laut Studie lebten diese Tiere zehn bis 20 Prozent länger als ihre Artgenossen ohne Mutation. Als die Forscher die Gen-Mutationen wieder rückgängig machten, das Transkriptionstempo also erhöhten, starben die Tiere früher. „Damit war ein kausaler Zusammenhang hergestellt“, sagt Beyer.

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Die Forschenden untersuchten auch andere Interventionen, von denen bereits bekannt war, dass sie die Lebensspanne von Organismen verlängern können, wie zum Beispiel verminderte Kalorienzufuhr. Sie konnten zeigen, dass auch diese äußeren Einflüsse die Ablesegeschwindigkeit der Gene verringern. „Es ist natürlich verlockend, anzunehmen, dass wir jetzt einfach Medikamente entwickeln können, die das Altern verlangsamen. Ich wäre da aber sehr vorsichtig“, sagt Beyer. In der Theorie zumindest sei dies aber denkbar.