Berlin. Die Digitalisierung stellt Maschinenbau-Ingenieure vor spannende Herausforderungen. 3D-Druck und Service-Roboter sind nur zwei davon.

Maschinenbau sollte es sein, und zwar an der Technischen Universität (TU) Berlin: Von ihrem künftigen Studium hatte Vanessa Findling 2014 genaue Vorstellungen. „Ich habe schon immer gerne gezeichnet und war gut in Mathe“, sagt die heute 30-Jährige.

Auf Maschinenbau fiel ihre Wahl, weil das Fach Mathematik und Technik mit Gestaltung und Kreativität vereint, auf Berlin wegen der renommierten TU.

Arbeit bei einem 3D-Druck spezialisierten Technologie-Start-up

Inzwischen hat Findling ihr Studium abgeschlossen und arbeitet in der Innovationsabteilung von BigRep, einem auf 3D-Druck spezialisierten Technologie-Start-up. Das junge Unternehmen entwickelt und fertigt Großraumdrucker für die Indus­trie.

Mit dem 500 Kilogramm schweren „BigRep One“ lassen sich großformatige, komplexe Objekte aus unterschiedlichen Materialien drucken. Das können Karosserieteile sein, Badewannen, Büromöbel oder ein komplettes Motorrad inklusive luftloser Reifen. „Nur der Elek­tromotor muss noch montiert werden“, sagt Findling.

Megatrend und sparsam

Industrieller 3D-Druck, auch als additive Fertigung bezeichnet, gilt als Megatrend. Die Technologie sei wie gemacht für die innovative deutsche Wirtschaft, heißt es in einer Studie der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft Ernst & Young (EY).

Zum einen erlaubt sie die wirtschaftliche und schnelle Fertigung kleinster Stückzahlen und Prototypen oder Ersatzteile. Zum anderen spart 3D-Druck im Vergleich zu herkömmlichen Fertigungsverfahren wertvolle Rohstoffe: Anders als beim Drehen, Schleifen oder Fräsen entsteht kaum Materialabfall.

Bis zum Jahr 2020 will rund jedes vierte Industrieunternehmen Produkte drucken, so ein Ergebnis der Studie.

Unternehmen in Kreuzberg mit 80 Mitarbeitern

Wie das geht, erklärt ihnen Vanessa Findling. Bei BigRep berät sie Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen, wie sie die 3D-Druck für sich nutzen können. „Wir sind ein junges Team und kommen gemeinsam auf ganz neue Ideen und kreative Lösungen, das macht einfach riesigen Spaß“, sagt sie.

Maschinenbauerin Vanessa Findling am 3D-Großraumdrucker „BigRep One“.
Maschinenbauerin Vanessa Findling am 3D-Großraumdrucker „BigRep One“. © BigRep GmbH | BigRep GmbH

2014 gegründet, beschäftigt BigRep mittlerweile etwa 80 Mitarbeiter. In einer Fabriketage in Kreuzberg arbeiten Maschinenbauer mit Softwareentwicklern, Industriedesignern, Elektroingenieuren und Materialexperten aus 20 Nationen.

Der Ruf als europäische Start-up-Hauptstadt und internationaler Innovationsmotor sorgt in Berlin für zahlreiche Unternehmensgründungen im technologischen Umfeld.

Zum Beispiel pi4_robotics: Deren „Workerbot“ Gisela baut seit Mitte 2018 im Einkaufszentrum Bikini Berlin vor den Augen der Kunden kleine Papproboter zusammen. Sie werden für sechs Euro pro Stück verkauft.

Markt für Serviceroboter wird wachsen

Firmengründer Matthias Krinke rechnet damit, dass der Markt für menschenähnliche Serviceroboter, die Produkte verkaufen, Kunden beraten oder Kranke pflegen können, stark wachsen wird.

Auch bei pi4_robotics arbeitet ein interdisziplinäres Team aus Maschinenbau- und Elektroingenieuren, Softwareentwicklern und Designern. „Humanoide Roboter zu bauen, ist eine sehr komplexe Herausforderung, die sich nur im Team bewältigen lässt“, sagt Krinke.

Erfolgreiche Traditionsbetriebe

Neben der dynamischen Gründerszene existieren in Berlin viele erfolgreiche Traditionsbetriebe. Zusammen erwirtschaften die meist mittelständischen Maschinenbauer einen Jahresumsatz von mehr als zwei Milliarden Euro.

Genau wie die Start-ups sind sie oft sehr innovativ: Eine Studie der Berliner Technologiestiftung zeigt, dass der aus neuen Produkten generierte Umsatzanteil der Branche in Berlin weit über dem bundesweiten Durchschnitt liegt.

Technikerausbildung und Universitäts- und Forschungslandschaft

„Die Firmen profitieren in Berlin von der traditionsreichen Technikerausbildung einerseits, der schlagkräftigen Universitäts- und Forschungslandschaft andererseits“, sagt Jörg Friedrich, Abteilungsleiter Bildung beim Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau VDMA.

So sind beispielsweise die Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) und das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt DLR in Berlin angesiedelt und bieten spannende Jobs.

Das DLR hat seinen Standort im Technologiepark Adlershof. Dort forscht Riccardo Parise im Projekt Next Generation Train (NGT) am Thema Schienenverkehr.

Der 25-jährige Brasilianer hat während seines Studiums in Stuttgart und Darmstadt zwei Praktika am Institut für Fahrzeugkonzepte des DLR absolviert. Gemeinsam mit seiner Freundin ging er nach seinem Abschluss nach Berlin, wo er auf Anhieb eine Stelle als wissenschaftlicher Mitarbeiter am DLR fand.

Bahnverkehr der Zukunft soll sicherer und umweltfreundlicher sein

In Parises Forschungsprojekt untersuchen Wissenschaftler und Ingenieure aus neun DLR-Instituten gemeinsam, wie sich der Bahnverkehr der Zukunft sicher, effizient und umweltfreundlich gestalten lässt.

Riccardo Parise und seine Kollegen wollen ein System entwickeln, mit dem sich Züge in Zukunft selbstständig während der Fahrt verbinden und wieder trennen können.

„Dabei sind die Züge nicht physisch, sondern nur über einen drahtlosen Kommunikationslink verbunden“, erklärt Parise. So könnten beispielsweise Fahrgäste ihr Ziel künftig schneller und ohne Umsteigen erreichen und Streckenkapazitäten besser ausgenutzt werden.

Arbeit am Rechner oder im Testlabor

Bevor so ein System mit echten Zügen erprobt werden kann, muss es in Computersimulationen ausführlich erforscht werden. Seinen Arbeitstag verbringt der junge Maschinenbau-Ingenieur deshalb größtenteils am Rechner oder im Testlabor.

Dass er nicht an echten Maschinen herumschrauben kann, stört ihn nicht: „Mir macht es Freude, an ganz neuen Dingen zu forschen und so die Welt vielleicht ein Stückchen voranzubringen“ sagt der 25-Jährige. Er hofft, am DLR ein spannendes Promotionsthema zu finden.

Sorgen um seine berufliche Zukunft macht sich Riccardo Parise nicht. Sollte es wider Erwarten mit der Promotion am DLR nicht klappen, bieten sich in Berlin viele interessante Alternativen.

Neben Technologie-Start-ups siedeln sich hier zunehmend Entwicklungs- und Technologiezentren großer Un­ternehmen an. So zum Beispiel die Einheit New Ventures des Optik-Konzerns Carl Zeiss.

Künstliche Intelligenz in der Fertigung

Ergänzend zu traditionellen Maschinenbau-Märkten wie Baden-Württemberg sei Berlin ein wichtiges Ökosystem für Technologie-Start-Ups aus fertigungsrelevanten Bereichen wie künstliche Intelligenz, 3D-Druck oder digitale Simulation, sagt Danny Krautz. Er ist verantwortlich für die Zeiss-Venture-Aktivitäten in Berlin.

Der Technologiekonzern Siemens hat kürzlich angekündigt, bis zu 600 Millionen Euro in den Aufbau eines Technologieparks in Siemensstadt zu investieren. Auch dort soll unter anderem zu den Themen maschinelles Lernen, Internet der Dinge und künstliche Intelligenz geforscht werden.

„Berlin ist weltweit der größte Produktions- und Fertigungsstandort von Siemens. Insofern ist hier der Bedarf an Experten für Maschinenbau und Mechanik höher als an anderen Siemens-Standorten“, sagt Unternehmenssprecher Christian Datzer.

Siemens setzt auf Duales Studium

Um den Bedarf zu decken, bildet Siemens in Berlin jährlich 20 Nachwuchskräfte im Rahmen eines dualen Studiums aus: Maschinenbau mit integrierter Berufsausbildung zum Industriemechaniker.

Für diesen Weg hat sich Toni Lange entschieden. Die 23-jährige Berlinerin hat ihren Doppelabschluss bereits in der Tasche und arbeitet jetzt als Ingenieurin im Bereich Weichen und Signaltechnik im Siemens-Werk Treptow.

Allerdings nur in Teilzeit, denn vor wenigen Wochen hat sie ihr berufsbegleitendes Masterstudium an der Beuth Hochschule für Technik aufgenommen.

Berufsausbildung und gleichzeitig Bachelorabschluss

An der Beuth hat sie auch ihren Bachelorabschluss gemacht. „Zusammen mit den Vollzeitstudenten“, erklärt sie. „Die Berufsausbildung fand in den Semesterferien statt.“

Duales Studium: Doppelte Belastung, doppelter Erfolg.

Das klingt anstrengend, hat aber auch Vorteile wie den hohen Praxisbezug, den guten Einblick ins Unternehmen und eine attraktive Ausbildungsvergütung nach Tarif.

So vielseitig ist das Studium der Landschaftsarchitektur.

Heute freut sich Toni Lange, in kurzer Zeit so viel erreicht zu haben. „Ich würde mich jederzeit wieder so entscheiden“, sagt sie.

„Auch wenn man nicht von klein auf Toaster repariert oder an Autos herumgeschraubt hat, ist das duale Studium mit etwas Neugier und Durchhaltevermögen gut zu schaffen.“