Am Freitag entscheidet der Bundestag neu über das Abfallrecht. Schwarz-Gelb will ein Ende des Tonnen-Wildwuchs, Grüne eine Umweltabgabe auf Tüten.

Berlin. Gelbe Tonne, Biotonne, Hausmülltonne, Papiertonne, Weißglastonne, Buntglastonne, Wertstofftonne. In Berliner Hinterhöfen wird ein Großteil des Platzes von Behältern für jede erdenkliche Art von Müll eingenommen. Durchblick zu behalten ist schwer, spätestens, seitdem die Berliner Stadtreinigung (BSR) im Kampf um die Wertstoffe Fakten zu schaffen versucht hat und eine orangene Tonne für alte Elektrogeräte und Metall dazugestellt hat. Damit wollte sie privaten Konkurrenten im Wettrennen um wertvolle neue Müllschätze das Wasser abgraben.

Das ist kein Einzelfall. Doch bisher fehlt eine gesetzliche Grundlage, mehrfach verklagten zuletzt private Entsorger Kommunen, weil sie einfach Tonnen für Wertstoffe aufstellen, um den Zugriff zu bekommen. Daher soll neben dem neuen Kreislaufwirtschaftsgesetz, das am Freitag vom Bundestag verabschiedet wird und die Recyclingquote erhöhen soll, rasch ein neues Wertstoffgesetz auf den Weg gebracht werden.

Darin wollen Union und FDP die Einführung bundesweit einheitlicher Wertstofftonnen verankern. Bereits 2013 könnte mit dem Aufstellen der Tonnen begonnen werden, heißt es in der schwarz-gelben Koalition. Die bisher über die gelben Tonnen und gelben Säcke eingesammelten Verpackungen würden künftig genau wie alle anderen Kunststoffe und Metalle dort gesammelt und anschließend recycelt. „Es geht um die ökologisch beste Lösung“, betont der FDP-Politiker Horst Meierhofer.

+++100.000 Biotonnen - Hamburg bald Umwelt-Primus?+++

+++Nicht alles in der Nachbarschaft ist für die Tonne+++

Damit würde aber nicht der berühmte „Grüne Punkt“ beerdigt, sondern diese Leichtverpackungen – pro Jahr und Einwohner sind es 28 Kilo – würden in der neuen Tonne zusammen mit der Plastikente, Metallen und alten Kochtöpfen gesammelt. Das Umweltbundesamt schätzt, dass pro Jahr und Einwohner zusätzlich sieben Kilogramm erfasst und verwertet werden könnten. Die Gretchenfrage: Wer bekommt den Zugriff?

Bisher werden nach Schätzungen rund 60 Prozent der Altgeräte wie Handys über den Hausmüll entsorgt und landen in einer der rund 70 Müll-Verbrennungsanlagen. Diese „Müllschätze“ durch eine neue Tonne abzufangen, wäre hoch rentabel: Eine Tonne alte Handys bringt 250 Gramm Gold. Es ist aber sehr fraglich, ob auch Handys miteingesammelt werden dürften. Laut einer Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft wurden in Deutschland 2009 aus Müll Sekundärrohstoffe im Wert von 8,4 Milliarden Euro produziert, bis 2015 könnten bis zu 18 Milliarden Euro möglich sein. So könnte also die Abhängigkeit von Rohstoffen stark reduziert werden.

Die privaten Entsorger, die viel in moderne Recyclinganlagen investiert haben, warnen vor einer „kommunalen Rosinenpickerei“, weil der Zugriff für private Entsorger schon im Kreislaufwirtschaftsgesetz erschwert würde. Dies könnte letztlich auch eine Basis bilden für die noch zu beschließenden Details der Wertstoffsammlung.

Künftig kann zum Beispiel eine gewerbliche Altpapiersammlung von einem privaten Sammler nur dann durchgeführt werden, wenn kein gutes Sammelsystem durch die Kommune vor Ort existiert. Sammelt der private Anbieter das Papier ein, muss er dies für mindestens drei Jahre tun - denn sonst könnte er sich bei fallenden Papierpreisen einfach wieder zurückziehen. Meierhofer betont, die Privaten können problemlos bei jeder ineffizienten Kommune Zugriff erhalten.

Peter Kurth, Präsident des Bundesverbands der Deutschen Entsorgungswirtschaft (BDE), fordert aber mehr, nämlich gleiche Rechte für alle. „Die Zeche für die angestrebte Abkehr von fairem Wettbewerb muss am Ende der Bürger über höhere Müllgebühren zahlen“, warnt er. „Damit wird dem Recyclingstandort Deutschland zugunsten der Verbrennungsanlagen ein erheblicher Schaden zugefügt“, sagt Kurth mit Blick auf Vorwürfe, dass die Kommunen weniger auf das Verwerten, sondern auf das Auslasten ihrer Verbrennungsanlagen aus seien.

Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) weist solche Vorwürfe zurück. Hauptgeschäftsführer Hans-Joachim Reck sagt zudem mit Blick auf die noch anstehende Regelung der Wertstoffsammlung, dass er von einer bundesweiten Tonne nichts halte: „Bevor wir unter Einsatz großer Kräfte bundeseinheitlich verbindliche Erfassungssysteme einführen, sollten wir uns fragen, ob wir damit auch höhere Recyclingquoten erreichen“. Denn das Trennverhalten der Bürger und die Abfallmengen würden sich je nach Region sehr stark unterscheiden.

Grüne fordern Zwangsabgabe auf Plastiktüten

Die Grünen wollen Plastiktüten mit einer Zwangsabgabe belegen. Die Bundestagsfraktion wolle bei der für Freitag anstehenden Neuordnung des Abfallrechts eine Umweltabgabe auf Plastetüten von mindestens 22 Cent durchsetzen, berichtete die „Saarbrücker Zeitung“ (Mittwochausgabe) vorab.

„Es stehen umweltverträgliche Alternativen wie Stoffbeutel und Einkaufskörbe zur Verfügung, deren Verwendung wir fördern wollen“, sagte die umweltpolitische Sprecherin der Fraktion, Dorothea Steiner, dem Blatt. Vorbild der Idee sei Irland. Dort habe die Einführung einer Gebühr von 15 Cent im Jahr 2002 dafür gesorgt, dass 90 Prozent weniger Plastiktüten verwendet werde.