“Kellerkinder“ trafen erstmals ihre Geschwister. Elisabeth und ihre Mutter lagen sich weinend in den Armen.

Amstetten. Während die Weltöffentlichkeit fassungslos nach Amstetten sieht, dem 23 000-Seelen-Ort in Österreich, in dem eine Familie auf unvorstellbare Weise gequält worden ist, kommen immer neue Details über den Inzest-Vater heraus. Josef F. (73) hatte offenbar eine Vorstrafe. Wie die Londoner "Times" berichtet, soll der Mann schon in den 60er-Jahren eine Frau vergewaltigt haben. Eine Haftstrafe aus jener Zeit taucht in den Akten aber nicht mehr auf. Sie ist getilgt.

Nach seinem umfassenden Geständnis wird der Mann, der jahrzehntelang seine Kinder in einem dunklen Kellerverlies gefangen hielt, nun selbst nie wieder freikommen. Gegen den 73-Jährigen wird nach Auskunft der Staatsanwaltschaft St. Pölten auch wegen Mordes durch Unterlassen ermittelt. Zudem werden ihm Vergewaltigung, sexueller Missbrauch und Freiheitsberaubung vorgeworfen.

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Der Rentner hatte nicht nur seine heute 42 Jahre alte Tochter Elisabeth im Laufe von 31 Jahren immer wieder vergewaltigt, sie 24 Jahre lang im 60 Quadratmeter großen Kellerverlies in seinem Haus ohne Tageslicht eingekerkert. Er ist auch der Vater ihrer sieben Kinder. Das ergaben laut Polizei die DNA-Proben. Ein Kind war nach der Geburt gestorben und von Josef F. verbrannt worden. Daraus resultiert eine mögliche Mord-Anklage. Welcher seiner Enkel beziehungsweise Kinder nach oben ins Licht durfte, entschied F. danach, wie ruhig sie waren. F.s Anwalt Rudolf Mayer beschreibt seinen Mandanten unterdessen als "emotional gebrochen".

Die Opfer des Martyriums, Elisabeth und ihre Kinder, sollen indessen gemeinsam den Weg aus der Dunkelheit finden. Tochter Kerstin (19) gehe es etwas besser. Sie liege aber weiter im künstlichen Tiefschlaf auf der Intensivstation und werde beatmet. Berthold Kepplinger, der medizinische Leiter des Landesklinikums von Amstetten, schildert: "Den beiden Kindern, die im Keller aufgewachsen sind, geht es entsprechend. Sie können sich verständigen. Aber ihre Ausdrucksweise ist von einem normalen Zustand weit entfernt." Nach 24 Jahren im Bunker traf Elisabeth erstmals auch ihre Mutter Rosemarie (68) wieder. "Sie fielen sich in die Arme, weinten bitterlich und wollten sich gar nicht mehr loslassen." Elisabeth und ihre beiden Jungen aus dem Keller, Stefan (18) und Felix (5), werden in einem "geschützten Bereich" der Klinik betreut. Aber auch die drei Kinder, die beim Inzest-Vater gelebt haben, stehen unter Schock. Lisa (15), Monika (14) und ihr Bruder Alexander (12) sind ebenfalls in der Klinik. Die ersten Kontakte zwischen den "Kellerkindern" und ihren Geschwistern verliefen besser als erwartet. Sie haben schon zusammengesessen und geredet. Doch trotz der unvorstellbaren Probleme, die noch auf die Opfer von Josef F. zukommen werden, glauben die Psychologen, dass es möglich sein wird, die Kinder und ihre Mutter langsam an das öffentliche Leben heranzuführen. "Felix kann sogar schon wieder lachen", freut sich Bezirksvorsteher Hans-Heinz Lenze. Möglicherweise werden alle eine neue Identität erhalten. Lenze wies Vorwürfe zurück, die Behörden hätten von der Existenz des Kellerverlieses schon vor Jahren erfahren müssen. Sowohl beim Verschwinden von Elisabeth als auch beim Auftauchen der drei Kinder seien alle verfügbaren Informationen eingeholt worden. Es habe keinen Verdacht gegeben und auch keine Möglichkeit, den Keller zu durchsuchen. Im Strafregister der Eheleute habe es keine Einträge gegeben. Der mögliche Vergewaltigungsfall sei für die Behörden nicht mehr festzustellen gewesen. Auch nach den Ermittlungen der Polizei gibt es keine Hinweise, dass die Ehefrau des Inzest-Vaters an der Straftat beteiligt gewesen sein könnte. Auch sei weder den Geschwistern noch den Nachbarn etwas aufgefallen, sagte Franz Polzer, Leiter des Landeskriminalamts Niederösterreich. F. und seine Ehefrau Rosemarie haben insgesamt sieben gemeinsame Kinder. Ein früherer Mieter der Familie berichtete allerdings, dass ein Bruder von Elisabeth einen Kellerschlüssel gehabt haben soll.

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