Kommentar: Chiracs Atom-Drohung

Am 16. Juli 1945 signalisierte ein Feuerball über der Wüste von New Mexico, "heller als tausend Sonnen", die Geburt eines neuen Zeitalters. Die Atomwaffe entspricht, um ein arabisch-persisches Bild zu bemühen, dem Flaschengeist. Wird er einmal auf die Welt losgelassen, bleibt er von beunruhigender Präsenz. Nur wenige Staaten haben, wie Südafrika, ihren atomaren Dschinn zurück in die Flasche geschickt.

Die Welt hat sich gewöhnt an die "Overkill-Kapazität" zumindest der etablierten fünf Atommächte - ihre theoretische Fähigkeit, unserem Planeten eine nukleare Apokalypse zu bereiten. Und ohnehin schien die Gefahr dieses Infernos seit dem Ende des Kalten Krieges gebannt. Mit dieser Gemütlichkeit ist es vorbei, seitdem globale islamistische Terrornetze einen Krieg gegen den Westen führen und dabei die Entwicklung kruder Massenvernichtungswaffen betreiben.

Spätestens jedoch die verbalen Haß- und Vernichtungsorgien des iranischen Staatschefs Ahmadinedschad Richtung Israel, verbunden mit frischen atomaren Ambitionen Teherans, haben die westlichen Staaten aufgeschreckt. Statt verantwortungsbewußter Politiker könnten bald Fanatiker und Wirrköpfe die Hand am Knopf haben.

Es ist kein Zufall, daß Frankreichs Staatschef Jacques Chirac mitten in der Zuspitzung der iranischen Atomkrise präventive Vergeltungsdrohungen ausstößt und damit die im Wandel befindliche Nuklearstrategie seines Landes nun auch in der öffentlichen Wahrnehmung der weit offensiveren amerikanischen angleicht. Doch was geschieht, wenn diese Drohkulisse versagt? Mini-Atomwaffen und nukleare Präventivoptionen sind brandgefährliche Instrumente - denn sie machen jenen Atomkrieg führbar, der uns bislang erspart geblieben ist.